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23.03.18 / Erschreckend realitätsnah – Kai Lüdders’ packender Debütroman

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-18 vom 23. März 2018

Erschreckend realitätsnah – Kai Lüdders’ packender Debütroman
Silvia Friedrich

Die ersten zweieinhalb Seiten des Romans „Mutwille“ führen dazu, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legt. Gebannt begleitet man gleich zu Beginn einen Gejagten durch eine gespenstische Stadt, in der das Leben scheinbar zum Erliegen gekommen ist. Der Autor Kai Lüdders legt mit seinem Debütroman die Messlatte für packende politische Gesellschaftsromane sehr hoch. Immer wieder wähnt man sich in einem Film, dessen mitreißende Handlungsstränge einen nicht mehr loslassen. 

Sein Protagonist Paul Schneider muss sich vor Verfolgern verstecken, die ihm nach dem Leben trachten. Und das Szenario spielt sich nicht an irgendwelchen sozialen Brennpunkten der Welt ab, sondern im Berlin von heute. Das lässt besonders aufhorchen. 

Der erfolgsverwöhnte Lobbyist Schneider lebt und arbeitet für das Gesundheitsunternehmen UMC in Berlin. Angetrieben von der Idee, eine Gesellschaft zu schaffen, in der die soziale Herkunft keine Rolle mehr spielt und der gesunde Mensch das Ziel aller Dinge sein soll, versucht er diese Utopie mit Unterstützung Norman Bruckmeiers, Chef eines beeindruckenden Gesundheitsunternehmens, in die Tat umzusetzen. Werden sie es schaffen mit der neuen Partei für Gesundheit und Ordnung (PGO) das vorherrschende politische System aus den Angeln zu heben? 

Der zunächst als Rechtsanwalt in Hamburg wirkende Autor betätigte sich nach seinem Umzug nach Berlin zunächst im politischen Segment und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten, bevor er dann Schritt für Schritt auf die Lobbyseite wechselte. Somit bekam er tiefgehende Einblicke in die Materie, aus der sein Roman dann konstruiert wurde. „Jeder, der nicht total unpolitisch ist, spürt, dass eine ganz gewisse Spannung in der politischen und gesellschaftlichen Welt vorhanden ist, und das, obwohl es den Menschen eigentlich wirtschaftlich gut geht“, so der Autor. Das habe ihn dazu bewogen, die Handlung seines Buches um genau diese Themen kreisen zu lassen. 

Lüdders, nach eigenen Aussagen ein sehr nachdenklicher Mensch, hat bereits als Kind mit seinen Kuscheltieren die Bun­destagswahlen nachgespielt. Was Wunder, dass sein Gesellschaftsroman in der Welt der Politik angesiedelt ist. 

Wohin kann sich eine Gesellschaft entwickeln, die übersättigt ist und sich in ihrem Wohlstandsstreben selbst verliert? Diese Fragestellung kreiste im Kopf des Autors und animierte den Familienvater, ein atemberaubendes Werk zu schaffen über Macht, Verschwörung und menschliche Schicksale. „Mir ist es von Anfang an wichtig gewesen, nicht mit der Moralkeule zu kommen, sondern ganz bewusst alle Seiten aufzuzeigen. Denn jede Meinung hat ihre Berechtigung und jede Unterdrückung von Meinungen ist schädlich“, sagt Lüdders. 

Das Buch wirft Fragen auf. Was wäre, wenn in unsere so gut strukturierte Gesellschaft ein geheimnisvoller tödlicher Virus einbricht, der unzählige Menschenleben fordert? Was hält eine gute Gesellschaft im Inneren wirklich zusammen und was könnte sie zerreißen? Und wer sind die Strippenzieher hinter all dem?

Das Buch hat das Zeug „durch die Decke“ zu gehen, wenn es denn erst einmal so richtig bekannt ist.

Kai Lüdders: „Mutwille“, Velum Verlag, Kleinmachnow 2017, broschiert, 364 Seiten, 11,99 Euro