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30.03.18 / »Materiell und personell später als fünf nach zwölf« / Hoher Marineoffizier übt öffentlich vernichtende Kritik am Zustand der Bundeswehr und an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

»Materiell und personell später als fünf nach zwölf«
Hoher Marineoffizier übt öffentlich vernichtende Kritik am Zustand der Bundeswehr und an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Jan Heitmann

Liest man auf der Webseite der Deutschen Marine den Bericht über den Führungswechsel im 2. Fregattengeschwader, könnte man annehmen, es habe sich nichts zugetragen, was über das übliche Zeremoniell bei einer Kommandoüber- gabe hinausgeht. Tatsächlich hat sich Bemerkenswertes ereignet: Der scheidende Kommandeur, Kapitän zur See Jörg-Michael Horn, hat schonungslose Kritik am Zustand der Bundeswehr und an seiner Dienstherrin geübt. Nicht im kleinen Kreis, sondern bei seiner Abschiedsrede, öffentlich vor Soldaten, zivilen Gästen und Medienvertretern.

Was Horn vorgebracht hat, ist nicht wirklich neu, aber so deutlich und offen hat das noch keiner getan. Er ist ein Mann der Praxis, weshalb seiner Kritik besonderes Gewicht zukommt. Breiten Raum nimmt darin die Einsatzfähigkeit seines Geschwaders ein. Dazu stellt er fest, in materieller Hinsicht sei es „für die wichtige Aufgabe im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung später als fünf nach zwölf“. Auch an der Personallage lässt er kein gutes Haar: „Die Trendwende Personal ist eingeleitet. Von den Auswirkungen dieses Kurswechsels ist jedoch an Bord noch nichts zu spüren.“ Die Lösung sieht Horn vor allem auch in der Attraktivität der Bundeswehr: „Wer aber glaubt und dies auch noch ständig überbetont, die Attraktivität der Bundeswehr im Allgemeinen und der Marine im Speziellen speise sich aus KiTas am Standort mit erweiterten Betreuungsmöglichkeiten und der Einführung der Soldatenarbeitszeitverordnung, der fehlt. Die Arbeit an sich ist es, die attraktiv sein muss.“ Hier sieht Horn erhebliche Defizite: „Die falschen Zeichen, die in den ersten drei Amtsjahren von Frau Ministerin von der Leyen gesetzt wurden, müssen wir weiter korrigieren. Wir sind eben kein Arbeitgeber wie jeder andere auch!“ So sei es „auch personell fünf nach zwölf“. Er müsse das „so deutlich“ ansprechen.

Große Sorge bereitet Horn die hohe Einsatzbelastung, die auf Kosten der Ausbildung gehe – ein Punkt, der ihn in seiner Kommandeurzeit „dienstlich am meisten umgetrieben“ habe. Hier nimmt er nicht zuletzt alle militärischen Führer in die Pflicht: „Wir dürfen als Vorgesetzte aller Ebenen nicht ständig den vermeintlich politischen Willen schon einmal vorwegnehmen. Wir sind aufgerufen, unseren berechtigten militärischen Forderungen Nachdruck zu verleihen und den politisch-parlamentarischen Bereich zu überzeugen, dass wir in den Auslandseinsätzen eben nicht weitermachen können wie bisher!“

Deutliche Kritik übt Horn auch an einer ausufernden Bürokratie und einem überbordenden Meldewesen, das kaum noch Zeit für die Dienstaufsicht und den Kontakt zu den Soldaten lasse: „Trotz angeblicher Entbürokratisierung werden nämlich gleichzeitig immer mehr Meldungen, insbesondere im Bereich des Personalwesens abgefordert – und nicht nur von höheren Kommandobehörden. Verrechtlichung ersetzt inzwischen vielerorts Entscheidungen, und Führung wird durch Administration ersetzt. All dies ist aus meiner Sicht vor allem eines: Ausdruck von Mangel an Vertrauen in die Arbeit der Truppe. Aber wenn wir schon bei Vertrauen sind, dann muss ich zugeben, dass ich nach dem 30. April 2017 das Vertrauen in die politische Führung der Bundeswehr verloren habe. Sie erinnern sich an die medienwirksam im ZDF ... getroffenen Aussagen von Ministerin von der Leyen zu Haltungsproblemen von Vorgesetzten und einer Führungsschwache in der Bundeswehr auf verschiedenen Ebenen? Die Pauschalität der Vorwurfe hat selbst mich mit knapp 30 Dienstjahren erschüttert. ... Und mit dieser, meiner Sichtweise bin ich nicht alleine.“ Zum Ende seiner Rede stellt Horn rückblickend auf seine Kommandeurzeit resigniert fest: „Ich wollte mehr bewegen.“

Von Wilhelmshaven geht es jetzt für ihn als Referatsleiter in das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr. Nachdem er mit seiner öffentlichen Kritik gegen den heute unter hohen Militärs herrschenden Comment, sich bei Problemen schweigend wegzuducken, verstoßen hat, stellt sich allerdings die Frage, wie es karrieremäßig mit ihm weitergehen wird.