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30.03.18 / Autonomer Pyrrhussieg / Kotau vor Rom – Bei der Italienwahl erhält die Südtiroler Volkspartei die Quittung für ihre Autonomiepolitik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Autonomer Pyrrhussieg
Kotau vor Rom – Bei der Italienwahl erhält die Südtiroler Volkspartei die Quittung für ihre Autonomiepolitik
Reinhard Olt

Der Wahlausgang in Italien treibt den maßgeblichen Vertretern der in Südtirol seit 70 Jahren dominanten Volkspartei (SVP) die Sorgenfalten auf die Stirn. Zwar bejubeln sie ihren Wahlerfolg, denn die SVP kann drei Abgeordnete (zudem eine der Partei verbundene und in einem Südtiroler Wahlbezirk auch von SVP-Sympathisanten zur Stimmenmehrheit verholfene Abgeordnete der linksliberalen Partito Democratico, PD) in die Kammer sowie drei Senatoren (zudem einen ihr verbundenen und in einem Südtiroler Wahlbezirk auch von SVP-Sympathisanten zur Mehrheit verholfenen PD-Senator) in die zweite Parlamentskammer nach Rom entsenden. Doch trotz hymnisch orchestrierter Verlautbarungen der Parteiführung erweist sich ihr Wahlerfolg als klassischer Pyrrhussieg.

Im Vergleich mit den Parlamentswahlen von 2013 hat die SVP ungefähr 20000 Stimmen verloren. Die Wahlbeteiligung in Südtirol ist gegenüber jener von vor fünf Jahren um durchschnittlich 13 Prozentpunkte gesunken. In 15 Gemeinden fiel sie um mehr als 20 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Am 

4. März machten sich rund 42000 Wahlberechtigte weniger als fünf Jahre zuvor zum Urnengang auf. Weitere Fakten: 2013 hatte das von der SVP geführte Bündnis für die Kammerwahl 176000 Wähler hinter sich scharen können. Jetzt waren es nur noch deren 134000 – ein Minus von rund 24 Prozent an Wählerstimmen. Die Wahlbeteiligung lag 2013 bei 82,1 Prozent, diesmal bei 68,9 Prozent.

Ähnlich ist auch das Bild bezüglich der Wahl in den Senat: Konnte die SVP 2013 mit ihren Bündnispartnern knapp 154000 Stimmen holen, so waren es in diesem Jahr nur noch 126000. Dies entspricht einem Wählerabgang von gut 27000 und damit einem Minus von rund 22 Prozent im Vergleich zu 2013. Zugleich sank die Beteiligung an der Wahl zur zweiten Parlamentskammer von 82,5 auf durchschnittlich 

70,2 Prozent.

Kein Wunder, dass die deutschtiroler Oppositionsparteien Freiheitliche (FPS) und Süd-Tiroler Freiheit (STF) in alldem eine schwindende Zustimmung zur SVP sehen. FPS-Fraktionssprecherin Ulli Mair lastet der SVP an, sich „ohne Not und vor allem ohne Zukunftsperspektive dem PD ausgeliefert und Südtirol eine schwere Hypothek aufgelastet“ zu haben, zumal sie der „SVP-Bündnispartner und große Wahlverlierer PD Südtirol in eine Position der Schwäche gegenüber dem Zentralstaat manövriert“ habe. 

Rückgang der Wahlbeteiligung und Stimmeneinbußen für die SVP sind auch der „Uniformität“ des für Südtirol geltenden Wahlgesetzes geschuldet, welches deren Ex-Senator Karl Zeller mit ausgehandelt und seine Partei damit au­ßerordentlich begünstigt hat. Es legte die Hürden so hoch, dass von vornherein nur SVP-Kandidaten (oder solche verbündeter Parteien) eine Chance auf Einzug in Kammer oder Senat hatten, weshalb die deutschtiroler Opposition gar nicht erst antrat und empfahl, entweder der Wahl fernzubleiben oder „weiß“ zu wählen.

Dieser Effekt machte sich besonders im Wahlkreis Bozen-Unterland bemerkbar, wo den Wählern die aufgrund des SVP-PD-Bündnisses die provinzfremden PD-Kandidaten Maria Elena Boschi (für die Kammer) und Gianclaudio Bressa (für den Senat) vorgesetzt wurden. Wobei gegen die vormalige Ministerin für Verfassungsreformen und Beziehungen zum Parlament der Regierung Renzi die Vorbehalte besonders groß waren (sogar unter SVP-Anhängern). 

Die 2013 in der Toskana in die Abgeordnetenkammer Gewählte und alsbald in die PD-Führung Aufgestiegene war zusammen mit Renzi die größte Verfechterin der geplanten (2016 aber am staatsweiten Referendum gescheiterten) zentralistischen Verfassungsreform. Ausgerechnet in Südtirol hatte die Führung der Volkspartei unter ihrem Obmann Philipp Achammer und dem Landeshauptmann Arno Kompatscher aus Verbundenheit mit „Freund Renzi“ und aus Bündnistreue mit dessen PD zur Zustimmung aufgerufen. Wenngleich just Frau Boschi damals der Ansicht war, die Autonomie sei ein „Ressour­cen verschwendendes Relikt der Vergangenheit“ und gehöre daher abgeschafft. 

Jetzt gerierte sich Boschi vor der Parlamentswahl indes als „glühende Verteidigerin der Interessen Südtirols und seiner Autonomie“. Alle Ergebnisse zeigen, dass weder Boschi noch Bressa ohne die SVP-Wahlkreisstimmen der Einzug in Kammer und Senat verwehrt geblieben wäre.

Aus alldem ergeben sich einige Befunde. Das Interesse an römischer Politik ist südlich des Brenners deutlich gesunken. Für Italien ist aufgrund der Wahlergebnisse eine Art Interregnum sowie politische Instabilität zu erwarten. Südtirol bleibt davon nicht unberührt, es ist, ganz im Gegenteil, stark davon betroffen. 

Die SVP, die sich jahrzehntelang in Äquidistanz zu allen römischen Parteien gehalten hatte, hat unter Führung ihres italophilen Duos Achammer/Kompatscher eine deutliche Quittung für ihr Zweckbündnis mit der PD bekommen. Jetzt gibt sie sich der Hoffnung hin, von den autonomiekritischen bis -feindlichen Wahlsiegern bei deren Poker um die Regierungsübernahme möglicherweise als „Zünglein an der Waage“ gebraucht zu werden und sich dies „autonomiepolitisch“ entgelten zu lassen. 

Ob das gelingt, ist aber höchst zweifelhaft.