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30.03.18 / Nadelstiche gegen Andrea Nahles / Viele Sozialdemokraten scheinen nicht bereit, ihrer designierten Vorsitzenden bedingungslos zu folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Nadelstiche gegen Andrea Nahles
Viele Sozialdemokraten scheinen nicht bereit, ihrer designierten Vorsitzenden bedingungslos zu folgen
Peter Entinger

Am 22. April wird die SPD ihre neue Parteispitze wählen. Es gilt als sicher, dass Andrea Nahles neue Vorsitzende wird. Wer allerdings gehofft hatte, die Genossen würden sich hinter der designierten Parteichefin versammeln, wurde in den vergangenen Wochen enttäuscht. 

Symptomatisch ist die Beantwortung der Frage, wer für die Sozialdemokraten den Ausschuss Arbeit und Soziales führen soll. Arbeit und Soziales sind traditionell Herzensangelegenheiten der SPD. Der Vorsitzende des entsprechenden Parlamentsausschusses wird deshalb traditionell von den Parteioberen bestimmt. Doch diesmal kam es zu einer Kampfabstimmung. Der Hamburger Matthias Bartke trat gegen den Baden-Württemberger Martin Rosemann an, der von Nahles auserkoren war. Die Fraktionsvorsitzende bat zu Beginn der Sitzung noch einmal ausdrücklich um Zustimmung für ihren Vorschlag. Doch Bartke gewann und dies ziemlich deutlich. 

Innerhalb der Fraktion war man später darum bemüht, den Vorfall herunterzuspielen. Kampfabstimmungen habe es schon immer gegeben, außerdem habe Nahles viele Personalien durchgesetzt. Doch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kam kürzlich zu dem Schluss, dass die designierte Vorsitzende, von der es heißt, sie kenne die Seele der Partei wie niemand sonst, zwischen den ausgedünnten Flügeln eingeklemmt sei. Der eher konservative Seeheimer Kreis klagt intern, dass er bei der Besetzung der lukrativen Posten im Kabinett leer ausgegangen sei. Und die Parteilinke hat offenbar große Probleme mit der Nominierung von Hubertus Heil als Arbeitsminister. Der Niedersache gilt nicht unbedingt als ein Herzblut-Sozialpolitiker. Aber gerade auf diesem Feld könne die SPD noch Pluspunkte sammeln, heißt es innerhalb der Partei.

Auch die Jungsozialisten (Jusos) sind unzufrieden. Deren Vorsitzender Kevin Kühnert hadert immer noch mit dem Basisbeschluss zugunsten der Großen Koalition und lässt keine Gelegenheit aus, die Parteiführung zu kritisieren. Ihn stört vor allem, dass die Personalentscheidungen von einem kleinen, elitären Kreis ausgeklüngelt werden. „Wir entscheiden erst beim Parteitag am 22. April, ob Andrea Nahles künftig die SPD führen wird“, sagte er der „Rheinischen Post“ und fügte hinzu: „Das Ergebnis ist noch offen, weil viele Delegierte ihre Zustimmung nicht zuletzt davon abhängig machen, ob ein konkreter Erneuerungsplan für unsere Partei vorgelegt wird.“

Der Juso-Chef forderte zudem, „dass junge Parteimitglieder auf Wahllisten künftig stärker berück-sichtigt“ werden. In diesem Zusammenhang verlangte er „in den SPD-Statuten eine Änderung, die mehr Einfluss für junge Parteimitglieder ermöglicht, denn alle losen Absichtserklärungen sind gescheitert“. Das könne über Anteile an Listenplätzen geregelt werden. 

Nahles, früher selbst einige Jahre Vorsitzende des Parteinachwuchses, wiegelt die Kritik ab. Die Anregungen Kühnerts seien reizvoll, zudem sei es das Recht der Jugend, auch mal ein bisschen lauter zu sein: „Aber man sollte auch nicht jede Aussage überbewerten.“ 

Doch die Zeichen stehen intern weiterhin auf Sturm. Vor allem eine Personalie stößt den Genossen übel auf. Die bisherige Bundesgeschäftsführerin Nancy Böhning wurde kürzlich als neue Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes vorgestellt. Das Amt ist beim Familienministerium angesiedelt, das Franziska Giffey führt. Der Wechsel Böhnings kam überraschend. Sie hatte ihre Stelle in der SPD-Zentrale erst vor wenigen Monaten angetreten und galt innerhalb der Partei als beliebt und kompetent. Die Parteiführung um den amtierenden Vorsitzenden Olaf Scholz sowie die Fraktionsvorsitzende Nahles weisen darauf hin, dass Böhning die Wunschkandidatin Giffeys gewesen sei und man der loyalen Mitarbeiterin keine Steine in den Weg legen wollte. Doch die Person des zum Nachfolger auserkorenen Thorben Albrecht, bis diesen Monat beamteter Staatssekretär in Nahles Ex-Bundesministerium für Arbeit und Soziales, ist ein deutlicher Fingerzeig. Albrecht ist ein langjähriger Vertrauter von Nahles und arbeitete für die 47-Jährige bereits in ihrer Zeit als Juso-Vorsitzende. Dass Nahles noch vor der Wahl Vertraute mit Schlüsselpositionen ausstattet, stößt vielen in der Partei sauer auf. 

Und so stehen plötzlich Außenseiter im Mittelpunkt. Nach deren eigenen Angaben hat ihre Herausforderin Simone Lange schon die Unterstützung von 35 Ortsverbänden – und täglich kämen neue dazu. Ursprünglich galt die Oberbürgermeisterin von Flensburg als reine Zählkandidatin. Mittlerweile wird ein Achtungserfolg aber nicht mehr ausgeschlossen. Sie wolle die SPD sozialer, demokratischer und glaubwürdiger machen. Sie legt den Finger in die Wunden der Sozialdemokraten. Für die Agenda-Politik der Schröder-Zeit und damit auch die Einführung von Hartz IV wolle sie sich im Falle ihrer Wahl öffentlich entschuldigen. Die SPD solle wieder ein „Profil der sozialen Fortschrittspartei“ entwickeln und in der Sozialpolitik auf Motivation setzen statt auf Bevormundung. Und: Es sei wichtig, dass Partei- und Fraktionsvorsitz getrennt würden. „Es dürfen keine kleinen Machtzirkel entstehen“, sagt Lange und fügt hinzu: „Ich bin die Stimme der Basis.“