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30.03.18 / »Ein Mann, eine Stimme« / Das deutsche Genossenschaftswesen hat gleich zwei Gründungsväter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

»Ein Mann, eine Stimme«
Das deutsche Genossenschaftswesen hat gleich zwei Gründungsväter

In der Frühphase der Industrialisierung entstanden in sämtlichen Wirtschaftszweigen aufgrund von Notlagen genossenschaftliche Formen der Selbsthilfe. Bauern gründeten Raiffeisen-Genossenschaften, Handwerker und Einzelhändler Kredit- und Einkaufsgenossenschaften, Arbeiter Konsumgenossenschaften. Wohnungssuchende schlossen sich zu Wohnungsbaugenossenschaften zusammen. Betriebliche Funktionen wie Finanzierung, Einkauf, Fertigung und Absatz wurden gebündelt, sodass die Vorteile eines Großkunden oder -produzenten erlangt wurden. 

In Deutschland erhielten die Konsum- und Kreditgenossenschaften durch das Wirken des  zeitweiligen Patrimonialrichters Hermann Schulze-Delitzsch und des zeitweiligen Bürgermeisters Friedrich Wilhelm Raiffeisen eine tragfähige Basis. Beide gelten als Gründerväter des deutschen Genossenschaftswesens. Im sächsischen Delitzsch schuf der Jurist und Sozialreformer Schulze-Delitzsch 1849 eine „Roh­stoff­assoziation“ für Schuhmacher und Tischler und 1850 mit dem ersten „Vorschussverein“ den Vorläufer der heutigen Volksbanken. Es galt das Prinzip „Ein Mann, eine Stimme“. Schulze-Delitzsch und Raiffeisen standen in regem Austausch mit anderen Akteuren, die genossenschaftliche Organisationen förderten. 

1861 war Schulze-Delitzsch an der Gründung der Deutschen Fortschrittspartei beteiligt und zog mit seiner Familie nach Potsdam. Mit dem von ihm als Reichstagsabgeordneten ausgearbeiteten Genossenschaftsgesetz erhielten die Genossenschaften 1867 in Preußen und im Norddeutschen Bund als juristische Personen die Rechtsfähigkeit und damit einen gesetzlichen Schutz. Auf der Grundlage des Prinzips „Hilfe durch Selbsthilfe“ konnten die Ini­tiativen ohne staatliche Unterstützung durch das Wirken gemeinsam agierender Menschen wirtschaftlich wettbewerbsfähig handeln. Mit dem „Gesetz betreffend die Wirtschafts- und Erwerbsgenossenschaften“, genannt Genossenschaftsgesetz, wurde 1889 die Gründung von Genossenschaften mit beschränkter Haftung ermöglicht.D.J.