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30.03.18 / Flucht vor dem schlechten Wetter? / Über die Frage der Bedeutung des unterstellten Klimawandels für die Migration scheiden sich die Geister

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Flucht vor dem schlechten Wetter?
Über die Frage der Bedeutung des unterstellten Klimawandels für die Migration scheiden sich die Geister
Peter Entinger

Der angebliche Klimawandel könnte zum Hauptfluchtgrund werden, prognostizierte schon 2009 das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge. Eine neue Studie der Weltbank unterstützt diese These. Doch es gibt auch Kritik.

 Der „Klimawandel“ verstärke den Wettstreit um die Ressourcen Wasser, Nahrungsmittel sowie Weideland, und daraus könnten sich Konflikte entwickeln, behaupteten die Vereinten Nationen bereits vor Jahren. Eine Studie im Auftrag der Weltbank kommt nun zu einem ähnlichen Ergebnis. Bis zum Jahr 2050 könnte es mehr als 140 Millionen „Klimaflüchtlinge“ geben, sollte die Politik nicht entschiedener gegen den „Klimawandel“ vorgehen. In bestimmten Regionen sei die Flucht vor dem „Klimawandel“ bereits eine Realität, heißt es in einem Bericht, der in der vergangenen Woche veröffentlich wurde. Alleine in der Subsahara-Region Afrikas könne es 86 Millionen Menschen geben, die auf Grund des „Klimawandels“ flüchten. Weitere 40 Millionen Menschen könnten in Südasien und 17 Millionen in Lateinamerika vertrieben werden.

Ihre Prognose versucht die Weltbank mit unterstellten Auswirkungen des „Klimawandels“ wie Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion, Wasserknappheit und Anstieg des Meeresspiegels zu begründen. „Mit jedem Tag wird der Klimawandel zu einer größeren wirtschaftlichen, sozialen und existenziellen Bedrohung“, warnte einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“ zufolge Kristalina Georgiewa, die seit diesem Jahr die Geschäfte der Weltbank führt. 

Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge unterstützt diese These und geht davon aus, „dass in den nächsten 50 Jahren zwischen 250 Millionen und einer Milliarde Menschen gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen. Das sind jedes Jahr mindestens sechs Millionen neue Vertriebene.“ Die Menschen würden innerhalb und über Grenzen hinweg fliehen. Sie würden bei einer Katastrophe schnell und in großer Zahl oder allmählich flüchten, wenn die Trockenheit zu groß und das Wasser knapp werde. 

Georgiewa erklärte, der „Klimawandel“ sei bereits „unaufhaltsam zu einem Motor für Migration geworden“. Betroffen seien Individuen, Familien, aber auch ganze Gemeinschaften, die nach lebenswerteren Orten suchten. Innerhalb bestimmter Regionen sei die Flucht vor dem „Klimawandel“ bereits eine Realität. Die sogenannten Klimaflüchtlinge kämen zu denjenigen hinzu, die bereits aus politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen auf der Flucht seien. 

Wenigstens um 80 Prozent könne die Zahl der „Klimaflüchtlinge“ reduziert werden, wenn die Politik die Kohlendioxidemission reduziere, die Migration in Entwick­lungsplänen berücksichtige und in die Untersuchung interner Klimafluchtprozesse investiere.

Dem widerspricht nicht nur Tobias Ide, Friedens- und Konfliktforscher am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig, der davor warnt, „den Zusammenhang zwischen wärmeren Temperaturen und Migration derart vereinfacht darzustellen“. Steffen Bauer und Benjamin Schraven vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn erklären, der „Klimawandel“ treffe arme Bevölkerungsgruppen, die sich selbst nur sehr begrenzt schützen könnten, besonders stark. Dies seien beispielsweise Kleinbauern, Fischer oder städtische Arme. „Sie leben ohnehin unter harschen Bedingungen. Entscheiden sie sich, ihre Heimat zu verlassen, dann lässt sich empirisch kaum erfassen, ob Umweltfaktoren oder andere Ursachen die maßgeblichen Beweggründe waren“, so die beiden. Deshalb sei es falsch, voreilige Schlüsse zu ziehen. Wo von Umweltwandel betroffene Menschen tatsächlich migrieren, erfolge dies häufig in zirkulärer oder saisonaler Migration, schreiben die Forscher in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“. Dies bedeute, dass sich einzelne Familienmitglieder oftmals zeitlich begrenzt auf den Weg machten, um woanders Geld zu verdienen. „Sie versuchen, Ernte- oder Viehverluste der Familie oder des Clans zu kompensieren. Dabei bewegen sie sich in den allermeisten Fällen innerhalb der Grenzen des eigenen Herkunftslandes oder zwischen benachbarten Ländern einer Region.“ Es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich ein von Dürren geplagter kenianischer Viehhirte auf den Weg nach Europa mache. 

Vor der Weltbank hatten bereits US-amerikanische Forscher Ende des vergangenen Jahres einen Zusammenhang zwischen klimatischen Veränderungen und Migration hergestellt. Ein Beitrag in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Science“ löste daraufhin eine große Kontroverse aus, die durch die jüngste Veröffentlichung der Weltbank noch befeuert werden dürfte. Die Zahl der Asylgesucher würde vor allem von Kriegen, Wirtschaftskrisen und dem Netzwerk von Migranten verändert und nicht von Umwelteinflüssen, konterten Forscher der Universität Zürich. Die „schwache Korrelation“ der neuen Theorien zwischen Wetter und Asylgesuchen sei „hochspekulativ“. Andere Studien hätten demnach gezeigt, dass Menschen, die vor Wetterkatastrophen flüchten, im Gegensatz zu vielen Kriegsflüchtlingen nicht weit weg gingen.