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30.03.18 / Gegenwind / Ein Beitritt der Türkei wäre das Ende der EU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Gegenwind
Ein Beitritt der Türkei wäre das Ende der EU
Florian Stumfall

Am vergangenen Montag traf sich die Spitze der EU, vertreten durch den Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und den Ratspräsidenten Donald Tusk, mit dem türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan im bulgarischen Varna. Zweck der Gespräche war es, die erhebliche Missstimmung zwischen Brüssel und Ankara beizulegen oder wenigstens zu sänftigen. Doch bei allem Bemühungen und Bekundungen des guten Willens, jedenfalls auf Seiten der EU-Granden, bleibt es dabei, dass die Türken sich von den Vorgaben der EU im Blick auf ihre Mitgliedschaft unbeeindruckt zeigen und fortfahren, die Europäer am Nasenring durch die Arena zu führen.

Entsprechend zu der sich selbst beantwortenden Frage, ob denn der Islam zu Deutschland gehöre, muss man in diesem Zusammenhang erneut und immer dringlicher die ebenso rhetorische Frage stellen, ob die Türkei nach Europa gehöre. In beiden Fällen verlangen Geschichte, Erfahrung und Augenschein nach einem klaren Nein. Doch die EU, die ihren Wachstumswahn als Lebenselixier zu begreifen scheint, lässt sich von Erdogan belügen und demütigen, ohne dass sich jemand fände, der mit dem bösen Spiel Schluss machen würde.

Fragt man aber nach den Gründen, warum die Türkei nicht nach Europa gehört, so ist einer davon tatsächlich der Umstand, dass es sich dabei um ein moslemisches Land handelt. Das hat vor allem mit der Rechtsauffassung des Islam zu tun, die indes mit dem Glauben eine innige Einheit bildet und die zu betrachten den Europäern im Falle Deniz Yücel weidlich Gelegenheit gegeben war. Erdogan zeigte unbekümmert, wie er und sein Land es mit der Rechtspflege halten. Die deutsche Seite beeilte sich, die türkischen Wünsche zu erfüllen, damit der Mann freikommt, der Deutschland in einer Weise beleidigt, wie das von keinem anderen Journalisten bekannt ist, schon gar nicht von einem mit deutschem Pass.

Waffenlieferungen an Ankara waren eine der Leistungen, zu denen sich Berlin bereitfand, um Yüzel auszulösen. Diese Waffen wurden eben gerade zu dem Zeitpunkt auch benötigt, denn die Türkei war auf dem Sprung, die „Operation Olivenzweig“ zu starten, den Kriegszug gegen Syrien, wider das Völkerrecht, aber mit deutscher Hilfe. Konkret ging es dabei um die Eroberung der Stadt Afrin, welche die Türken in der Zwischenzeit eingenommen haben. Ob Erdogan seiner Kollegin Angela Merkel Dank weiß, dass sie seinetwegen das Grundgesetz gebrochen hat, das Waffenlieferungen an kriegführende Staaten verbietet, weiß man nicht.

Doch es ist nicht nur Deutschland, das sich von Erdogan düpieren lässt, sondern die EU als Ganze. Auf der einen Seite werden unermüdlich die demokratischen Defizite der Türkei beklagt, auf der anderen Seite fließen Milliarden an „Heranführungshilfe“ nach Ankara, um die Türkei für die Mitgliedschaft in der EU zu präparieren. Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 sind den Türken 4,45 Milliarden Euro versprochen, die drei Milliarden für den Flüchtlings-Handel nicht eingerechnet. Es handelt sich offenbar um einen Großeinkauf von demokratischer Gesinnung nach dem vom Wunschdenken formulierten Motto: Je mehr Geld ein asiatischer Potentat bekommt, umso schneller wird er zum politischen Musterknaben. 

Tatsächlich ist es natürlich genau umgekehrt: Erdogan hat keinerlei Anlass, seine traditionell-türkische Gedankenwelt zu leugnen, wenn ihm die offenkundige Abkehr von europäischen Mustern auch noch in bar honoriert wird. Wie gesagt – der Nasenring.

Deshalb hatte es sich Erdogan im Vorfeld von Varna auch leisten können, die Europäer wissen zu lassen, dass sie auf sein Entgegenkommen in nur geringem Maße würden rechnen können. Die EU-Spitzen machten ihm seine Haltung auch noch leicht. Wieder einmal mit peinlicher diplomatischer Tölpelhaftigkeit erklärte diesmal Präsident Tusk im unmittelbaren Vorfeld von Varna: „Der Europäische Rat verurteilt das anhaltende rechtswidrige Vorgehen der Türkei im östlichen Mittelmeer.“ 

Einmal ein klares Wort, doch das zur Unzeit und noch dazu halbherzig. Wenn sich der Rat schon zur Verurteilung aufschwingt, dann könnte er auch darauf hinwirken, dass die Zahlungen an die Türkei eingestellt werden und konsequenterweise auch alle Beitrittsverhandlungen. Doch dazu reicht es nicht. Aber man misst gerne mit zweierlei Maß. Gegenüber Russland hat man zwar noch keinen einzigen Beweis erbracht, dass es in den Ukraine-Konflikt militärisch involviert ist, aber man überzieht das Land mit Sanktionen. 

Verständlich, dass Erdogan die Erklärung des EU-Rats als „inakzeptable Äußerungen“ zurückgewiesen hat. Seine Position wird schließlich durch den Flüchtlings-Pakt enorm gestärkt. Dieser belegt die alte Regel: Gute Verträge haben Bestand, schlechte muss man nachverhandeln. Den EU-Türkei-Flüchtlings-Pakt muss man nachverhandeln, und da sitzt Erdogan am längeren Hebel, unter anderem deshalb, weil er durch seinen Syrien-Feldzug jetzt selbst dafür sorgt, dass es noch mehr Flüchtlinge als zuvor gibt.

Es gibt indes noch eine weitere Folge des türkischen Syrien-Krieges, die mittelbar mit der EU zusammenhängt. In der umkämpften Region besteht die Gefahr – und sie wird täglich größer – dass türkisches und Militär der USA aneinandergeraten, die beide rechtswidrig dort operieren. Diese Möglichkeit ist zwar zunächst eine Katastrophe für die NATO, der beide Seiten angehören, da aber dieses Bündnis und die EU eng zusammenhängen, kann sich diese nicht unbeeindruckt zeigen. Belange der EU sind immer schon Gegenstand der US-Außenpolitik. Als der Himmel über Ankara und Washington noch wolkenlos war, machten die USA lange Zeit Druck auf Brüssel, die Mitgliedschaft Ankaras in der EU voranzutreiben. Ebenso werden bei umgekehrtem Vorzeichen die USA ihr Interesse in Brüssel durchzusetzen wissen. Wenn es aber jetzt auf syrischem Boden zu Kriegshändeln zwischen den USA und der Türkei kommen sollte, gerät die EU in eine politisch ausweglose Lage.

Die Episode von Varna, denn mehr waren die zwei Stunden nicht, die für ein nutzlosen Gespräch zwischen Erdogan, Juncker und Tusk im Rahmen eines Abendessens verschwendet wurden, dürften in Washington mit Achselzucken zur Kenntnis genommen worden sein. In einer Zeit, in der die Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der Türkei zur Krise zu werden drohen, liegt den Amerikanern wenig an einem guten Verhältnis zwischen Ankara und Brüssel. Dort aber und in den Hauptstädten der EU-Mitgliedsländer rutscht man in einen diplomatischen Zielkonflikt. Einerseits ist man Gefangener der 1000 Treueschwüre, die man den USA geleistet hat und immer wieder leistet, andererseits ist der Traum von einer Groß-EU, die bis in der Vorderen Orient reicht, noch nicht ausgeträumt. In dieser Lage ist die EU nicht einmal im Stande, ihr eigenes politisches Interesse auch nur zu definieren, geschweige denn zu verfolgen.

Wer die EU nicht liebt, muss ihr die schnelle Mitgliedschaft der Türkei in dem Bündnis wünschen. Denn der Beitritt keines anderen denkbaren Kandidaten wird die jetzt schon brüchige Brüsseler Allianz mit derartiger Sicherheit so gründlich überfordern wie derjenige der Türkei. Da aber Brüssel sich dem Tod durch Wachstum verschrieben zu haben scheint, mag sie trotz aller Einwände des gesunden Menschenverstandes den Beitritt der Türkei weiter betreiben. Dann tritt er nämlich ganz gewiss ein.