Malerei, Architektur, Design: Ohne Klimt, Schiele, Wagner und Moser ist Wien um 1900 nicht vorstellbar. Sie alle starben vor 100 Jahren.
Das Jahr 1918 hatte es in sich, auch in der Kunst. Mit dem jähen Tod der Maler Gustav Klimt und Egon Schiele, des Architekten und Städteplaners Otto Wagner sowie des Universalkünstlers Koloman Moser endete eine wichtige Phase des Auf- und Umbruchs, der Kreativität und Erneuerung in der österreichischen Kunst, kurz die Wiener Moderne.
Die Wiener Ausstellung „Klimt ist nicht das Ende. Aufbruch in Mitteleuropa“, die im Unteren Belvedere bis zum 26. August läuft, zeigt mit rund 80 Werken, unter anderem von Klimt, Schiele, Kokoschka, Moser und Egger-Lienz, welche Änderungen dieser gravierende historische Einschnitt nach sich zog, welche Einschränkungen er mit sich brachte, welche neuen Perspektiven sich eröffneten und welche Kontinuitäten bestehen blieben.
Geburtsstunde der Wiener Moderne ist 1897, als Klimt
(*14. Juli 1862) und andere Künstler aus dem konservativen Künstlerhaus austreten, um – nach Münchner Vorbild – unter dem Namen Secession eine neue Künstlervereinigung zu gründen. Das 1898 eröffnete, von Wagner-Schüler J. M. Olbrich erbaute Ausstellungsgebäude gleichen Namens am Karlsplatz ist eines der Wahrzeichen der Stadt.
„Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit“ steht über dem Eingang. Keiner setzt den Leitspruch so radikal um wie Egon Schiele (*12. Juni 1890). Bleibt Klimt dem Jugendstil verhaftet, bricht der
28 Jahre jüngere Schiele mit dessen Schönlinigkeit und Eleganz und wendet sich dem Expressionismus zu. Vereint bleiben beide in der Faszination für Frauendarstellungen. Mit seiner entblößenden Erotik und Sexualität bricht Schiele in der Umsetzung jedoch jedes Tabu.
Neben dem Malerfürsten wird Schiele zum Enfant terrible seiner Zeit. Kunst oder Pornografie? Die Frage ist geklärt. Auf dem Kunstmarkt erzielen Schieles Bilder heute Millionenpreise, im Museum sind sie das Zugpferd für Kunstfreunde aus der ganzen Welt. Vor 100 Jahren traut man dem vom Exhibitionismus getriebenen Maler dagegen das Schlimmste zu. 1912 wird er wegen Verführung Minderjähriger angeklagt, kommt in Untersuchungshaft, wird rehabilitiert und dennoch wegen Verbreitung unsittlicher Zeichnungen zu 24 Tagen Haft verurteilt.
Am 8. Mai desselben Jahres notiert Schiele: „Bei der Verhandlung wurde ein Blatt von den beschlagnahmten vom Richter im Talar feierlich an der Kerzenflamme verbrannt! – Autodafé! Savonarola! Inquisition! Mittelalter! Kastratentum, heuchlerisches! – Geht doch in Museen und zerstückelt die besten Kunstwerke. Wer das Geschlecht verleugnet, ist ein Unflat und beschmutzt niedrigst die eigenen Eltern!“
Schieles Vita bietet Stoff en masse: ein leidenschaftliches Leben für die Kunst, inspiriert von immer neuen schönen Frauen, die ihm Modell stehen; eine wilde Ehe mit der rothaarigen Wally, die der Kollege Klimt ihm als Modell überlassen hat und mit der ihn bald schon eine ebenso stürmische wie wahrhaftige Beziehung verbindet, die sich fortan durch sein Schaffen zieht und in dem Gemälde „Tod und Mädchen“ unsterblich geworden ist; eine dramatische Trennung, um seine Freundin Edith zu heiraten; und ein früher Tod, als beide kurz vor Kriegsende innerhalb von wenigen Tagen an der Spanischen Grippe in Wien sterben. Schiele wird nur 28 Jahre alt.
1981 erscheint unter der Regie von Herbert Vesely die Filmbiogafie „Egon Schiele – Exzesse“ mit Starbesetzung. Mathieu Carrière spielt den Maler, Jane Birkin Lebensgefährtin Wally und Christine Kaufmann Ehefrau Edith. 2016 erscheint „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ unter der Regie von Dieter Berner mit den preisgekrönten Nachwuchsschauspielern Noah Saavedra als Maler, Valerie Pachner als Wally und Maresi Riegner als Schieles Schwester Gerti. Interessierte finden beide Filme im Internet.
Die „Jubiläumsschau“ im Leopold Museum zeigt bis 4. November in Gemälden, Papierarbeiten und zahlreichen Archivalien (Dokumente, Urkunden und mehr) die wichtigsten Themen in Schieles Schaffen: sein Heraustreten aus der Tradition, seine Findung als Ausdruckskünstler, Tabubrüche, Spiritualität und Verwandlung sowie die speziellen Porträtdarstellungen. Schwerpunkt der Ölbilder und Zeichnungen sind die expressionistischen Jahre (1910–1914). Dabei wird der Sammlungsbestand durch bedeutende Leihgaben ergänzt.
Mit jedem einzelnen Werk der permanenten Schiele-Sammlung im Oberen Belvedere setzt sich die Ausstellung „Egon Schiele – Wege einer Sammlung“ (19. Oktober bis 17. Februar 2019) in der Orangerie-Unteres Belvedere auseinander und konfrontiert die Gemälde mit Vorstudien oder verwandten Werken.
In dem „Kleeblatt“ der 1918 Verstorbenen ist Otto Wagner (*13. Juli 1841) der Senior. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts löst er sich aus den Fesseln des Historismus und tritt für einen ausschließlich durch Zweck, Material und Konstruktion bestimmten „Nutzstil“ ein. Das Wien-Museum widmet dem Star unter den Architekten seiner Zeit die erste umfassende Ausstellung seit mehr als 50 Jahren und macht bis zum 7. Oktober seine internationale Strahlkraft anhand einzigartiger Objekte aus der Museums-Sammlung anschaulich.
Koloman Moser (*30. März 1868), einer der Begründer des Wiener Jugendstils, war hingegen vom Gedanken des Gesamtkunstwerks beflügelt und auf vielen Gebieten tätig. 1903 gründete er gemeinsam mit dem Architekten und Designer Josef Hoffmann und anderen Gleichgesinnten die Wiener Werkstätte (WW), um kostbares Kunstgewerbe für eine exklusive Klientel zu erzeugen. Ähnliche Ziele verfolgte später auch der 1912 in München ins Leben gerufene Deutsche Werkbund. Die Ausstellung im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst präsentiert ab Jahresende umfassend sein umfangreiches Werk (19. Dezember bis 22. April 2019).
Alle Ausstellungen unter: www.wienermoderne2018.info