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30.03.18 / Mehr als Pleiten, Pech und Pannen / Welche systematischen Schwächen zu den Fehlleistungen der bundesdeutschen Geheimdienste seit 1949 geführt haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Mehr als Pleiten, Pech und Pannen
Welche systematischen Schwächen zu den Fehlleistungen der bundesdeutschen Geheimdienste seit 1949 geführt haben
Wolfgang Kaufmann

Die drei bundesdeutschen Geheimdienste stehen schon seit Längerem in der Kritik. Verantwortlich hierfür sind allerlei Fehlleistungen, die in ganz wesentlichem Umfang aus einer falschen Personalauswahl resultieren.

Im September 2015 behauptete der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, vom unkontrollierten Zustrom der „Flüchtlinge“ aus den nahöstlichen Krisenregionen gehe keinerlei Gefahr für die Sicherheit unseres Landes aus. Der Bundesnachrichtendienst (BND) wiederum, der seit Jahrzehnten von einer blamablen Affäre zur nächsten stolpert, manipulierte systematisch die Einträge im Online-Lexikon Wikipedia, um gegenüber der Öffentlichkeit besser dazustehen. Allerdings tat er dies so dilettantisch, dass die Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks aufdecken konnte, von welchen Rechnern in welchen BND-Dienststellen die entsprechenden „Korrekturen“ vorgenommen worden waren. 

Und der Militärische Abschirmdienst (MAD) verschlief total, dass ein aktiver Bundeswehroffizier ein Jahr lang den syrischen Flüchtling mimte – dieses Possenspiel endete erst durch das Eingreifen der österreichischen Behörden. Das sind drei typische Fehlleistungen der Geheimdienste hierzulande, die aus der mangelnden Eignung der jeweils Beteiligten für ihre Aufgabe resultieren. Hierfür verantwortlich ist eine überaus ignorante Personalpolitik, die von Anbeginn an das größte Manko von BfV, BND und MAD war, wie der Blick in die Vergangenheit zeigt. 

So wurden in der Gründungsphase der drei Dienste mehr als 1000 „Experten“ aus dem Sicherheitsapparat des Dritten Reiches übernommen, darunter auch am Holocaust beteiligte SS-Angehörige. Das stellte natürlich nicht nur ein moralisches Problem dar, sondern barg auch enorme Sicherheitsrisiken, deren sich die Verantwortlichen aber offenbar kaum bewusst waren. Jedenfalls schlug dann bald die Stunde der „Maulwürfe“, weil die gut informierten gegnerischen Dienste so manchen bundesdeutschen Schlapphut mit brauner Vergangenheit erpressen und als Doppelagenten verpflichten konnten. Ein typisches Beispiel hierfür ist der frühere SS-Obersturmführer Heinz Felfe, der später im BND reüssierte und ab 1950 für den sowjetischen KGB spionierte. Auf sein Konto gingen allein schon die Weitergabe von mehr als 15000 Geheimdokumenten sowie die Enttarnung von knapp 100 Auslandsagenten der Bundesrepublik.

Ebenso verpflichtete man Männer mit offenkundigen Charakterschwächen, die niemals Mitarbeiter eines Geheimdienstes hätten werden dürfen. Das gilt unter anderem für den früheren stellvertretenden MAD-Chef Oberst Joachim Krase. Der war ein notorischer Spieler und verkaufte der Haupt­ab­tei­lung II des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit hochsensible Informationen – enttarnt wurde er dann erst nach seinem Tode im Jahre 1988.

Ansonsten krankte vor allem der BND auch an massiver Vetternwirtschaft, für die insbesondere Gründungspräsident Reinhard Gehlen verantwortlich zeichnete. Der ehemalige Wehrmachtsgeneral brachte nicht weniger als 16 seiner Angehörigen im bundesdeutschen Auslandsnachrichtendienst unter und ermöglichte ihnen so ein sorgenfreies Leben auf Staatskosten. Zu den dergestalt Begünstigten gehörten unter anderen die Gehlen-Töchter Katharina, Maria-Theresia und Dorothea sowie der Gehlen-Sohn Felix Christoph samt Gattin Gisela, Schwiegersohn Alfred Dürrwanger und Schwager Brinkhard von Seydlitz-Kurzbach. Besonders kompetent war keiner davon – so ging Katharina Gehlen einer Stasi-Agentin auf den Leim und von Seydlitz-Kurzbachs Unfähigkeit als BND-Personalchef erleichterte das Doppelspiel von Felfe.

Als besonders problematisch erwies sich darüber hinaus das Führungspersonal des Verfassungsschutzes. Der erste BfV-Präsident von 1950 bis 1954, Otto John, verschwand mit „Depressionen“ in die DDR. Der dritte Inhaber dieses Amtes von 1955 bis 1972, Hubert Schrübbers, war ein früherer NS-Jurist, der zahlreiche ehemalige SS-Karrieristen einstellte. Sein Nachfolger bis 1975, Günther Nollau, musste wegen Komplettversagens im Falle des Kanzleramtsspions Günter Guillaume gehen. Der fünfte BfV-Chef Richard Meier raste 1983 gegen einen holländischen Wohnwagen, was seine Geliebte auf dem Beifahrersitz nicht überlebte und ihn den Job kostete. Der nächste Präsident des BfV, Heribert Hellenbroich, der 1985 an die Spitze des BND wechselte, stürzte kurz darauf, weil er den Überläufer Hansjoachim Tiedge trotz massiver Sicherheitsbedenken protegiert hatte. Ihm folgte Ludwig-Holger Pfahls, der nach dem Ende seiner Amtszeit im Jahre 1987 ins Ausland flüchtete, als die deutsche Justiz wegen Bestechlichkeit gegen ihn zu ermitteln begann. Der neunte BfV-Chef von 1991 bis 1995, Eckart Werthebach, sah sich mit dem Vorwurf des Geheimnisverrates konfrontiert. Heinz Fromm schließlich, Verfassungsschutzpräsident Nummer Zwölf ab 2000, verlor seinen Posten 2012 im Zusammenhang mit der NSU-Affäre. 

Unter der Ägide solcher Führungskräfte wurden weitere ungeeignete Mitarbeiter eingestellt. Das gilt vor allem für die Zeit, als die Rote Armee Fraktion das Land in Atem hielt. Nur rekrutierte man nun statt agiler früherer NS-Kader behäbige Bundesbeamte aus anderen Behörden: demotivierte Grenzschützer, ausgebrannte JVA-Bedienstete, überzählige Ministeriums-Pförtner und bürokratieverliebte Sachbearbeiter aus Einwohnermeldeämtern. 

Nicht viel besser sah die Situation bei BND und MAD aus. Insbesondere letzterer gilt unter Geheimdienstexperten wie Erich Schmidt-Eenbohm als „Sammelbecken leistungsschwächerer Kameraden“.

Die Konsequenz aus dieser Personalpolitik waren geradezu irrwitzige Fehlleistungen, welche die Dienste immer wieder der Lächerlichkeit preisgaben. Hierzu zwei abschließende Beispiele: Um Geld zu sparen, ließen die Kölner Verfassungsschützer zur Vernichtung vorgesehene geheime Verschluss-Sachen von Strafgefangenen in der örtlichen Justizvollzugsanstalt verbrennen. Bis der dort einsitzende Erpresser Franz Dieter Schuster 1971 auf die Idee kam, etwas von dem Material abzuzweigen und an das Kölner Blatt „Express“ zu verkaufen, das daraus eine große Enthüllungsgeschichte machte. Und dann wäre da noch die Vorgängerkartei des Nachrichtendienstlichen Informationssystems (NADIS) des BfV, die sicherheitsrelevante Personendaten enthalten sollte. Darin wurde der bereits 1883 verstorbene kommunistische Vordenker Karl Marx als lebende Person geführt, während die Angaben zu hochrangigen bundesdeutschen Politikern kurioserweise unvollständig blieben.