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30.03.18 / Uneins über Sonntagsöffnung / Neues Gesetz will den Ruhetag schützen – Viele Allensteiner Unternehmen nutzen Sonderregelungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Uneins über Sonntagsöffnung
Neues Gesetz will den Ruhetag schützen – Viele Allensteiner Unternehmen nutzen Sonderregelungen
Dawid Kazanski

Das neue Gesetz über ein grundsätzliches Handelsverbot an Sonntagen sorgt in Allenstein für Dis­kussionen, denn es gibt Gewinner und Verlierer.  

Im November 2017 hat das polnische Parlament einen Gesetzesentwurf angenommen, demzufolge Geschäfte an Sonntagen geschlossen bleiben müssen. 254 Abgeordnete waren dafür, 156 stimmten dagegen, und 23 enthielten sich der Stimme. Das Gesetz ist ab März dieses Jahres in Kraft und wird stufenweise umgesetzt. 2018 dürfen Ladenbesitzer noch am ersten und letzten Sonntag des Monats verkaufen, 2020 soll das Gesetz den Handel an jedem Sonntag  untersagen. 

Gemäß den neuen Vorschriften gibt es jedoch eine Liste von über 30 Ausnahmen, wonach Handel betrieben werden darf. Von der neuen Regelung sind unter anderem  Tankstellen, Blumengeschäfte, Apotheken, Kinos, Restaurants, Konditoreien, Eisdielen, Cafés, Devotionalien- und Souvenirläden, Zeitungskioske, Verkaufsstellen mit Tabakwaren sowie Bäckereien nicht betroffen. Das Handelsverbot bezieht sich auch nicht auf die kleinen Läden, in denen an den Feiertagen der Geschäftsinhaber an der Kasse steht, Kunden bedient und Waren verkauft. 

An der neuen Rechtslage scheiden sich die Geister. Über das neue Gesetz freuen sich vor allem Gewerkschaften und Kirchenvorsteher, welche die Handelsbeschränkungen an Sonntagen forderten. Die Arbeitgeberverbände beklagen die Einführung der verkaufsgeschlossenen Sonntage und warnen vor möglichen Stellenkürzungen und einer Entlassungswelle zum Beispiel in Großflächengeschäften.

Es scheint ein bisschen prekär, aber von der Ausnahme des umstrittenen Gesetzes können manche profitieren. Ein Beispiel dafür ist die bekannte Bäckereikette 

TYROLSKA, die in Allenstein seit 1988 ihren Sitz sowie 40 Verkaufspunkte hat und die auf dem regionalen Markt erfolgreich tätig ist. Mit Brotwaren beliefert das Unternehmen nicht nur die Einwohner Allensteins, sondern auch in anderen Städten Ostpreußens werden die frisch gebackenen Produkte verkauft. 

Obwohl fast alle Bäckereien bisher sonntags immer geschlossen blieben, konnte man an der Tür vieler TYROLSKA-Filialen die Information finden, dass man ab März sonntags immer aufhaben werde. Angesichts der Einführung des Gesetzes vergrößerte die Bäckereikette bereits ihr Sortiment. In den Regalen stehen jetzt außer zahlreichen Brot- und Brötchen­sorten sowie Süßgebäck auch Produkte wie Würstchen, Pasteten, Braten, Marmeladen, hausgemachter Schmalz, Butter, Mineralwasser, Säfte oder Honig. Die Bäckereien verändern sich langsam in Gemischtwarenbetriebe. 

Die verwirrten Kunden, die gewöhnt waren, in einer Bäckerei ausschließlich Backwaren zu kaufen, verbergen ihr Erstaunen nicht. Auf die Frage, warum nun allerlei Lebensmittel angeboten werden, antworten die Verkäuferinnen, dass jeder tue, was er könne, um Profite zu erzielen. Kein Wunder, denn Jaroslaw Goszczycki, der Eigentümer der Bäckereikette, kündigte im Januar in einem Interview mit dem Allensteiner Radiosender an, dass er in zwei Jahren zu den größten und umsatzstärksten Brotwarenbetrieben gehören möchte. Deswegen biete seine Firma immer neue Stellenangebote an und suche Bäcker, Fahrer und Verkäufer.

Bemerkenswert ist, dass auch andere Geschäfte versuchen, wirksame Maßnahmen gegen das unbequeme Gesetz zu treffen. Die populären Supermarktketten verlängern beispielsweise ihre Öffnungszeiten, sodass man bei Biedronka oder Lidl freitags und sonnabends bis 22 Uhr einkaufen kann. 

Ähnlich wie die genannten Discounter verschob das großflächige Einkaufszentrum Galeria Warminska, in dem über 170 Geschäfte untergebracht sind, seine Geschäftszeiten. Zusätzlich erinnert das Kaufhaus auf seiner Internetseite daran, dass Dienstleistungspunkte wie Kino oder Spielplätze für Kinder in der Unterhaltungszone wie auch Lokale geöffnet bleiben, und an den verkaufsgeschlossenen Sonntagen ist das Parken frei.   

Inzwischen ist am 11. März der erste verkaufsgeschlossene Sonntag in Ostpreußen vergangen und vieles deutet darauf hin, dass die Befürchtungen vieler Arbeitgeber, die Belegschaft reduzieren zu müssen, nicht unbegründet sind. Betroffen sind unter anderem Studenten der Allensteiner Universität, die am Wochenende in den Supermärkten als Teilzeitbeschäftigte oder in den Geschäften der größeren Einkaufszentren jobbten und so ihr Budget aufbessern konnten. Keine verkaufsoffenen Sonntage bedeuten für viele Arbeitnehmer des Einzelhandels entweder weniger Geld oder die Notwendigkeit, in der Woche länger zu arbeiten. Die Ängste vor dem Stellenabbau im Handelssektor untermauert eine Umfrage des Meinungsforschungszentrums, die Ende 2017 durchgeführt wurde. Aus der Befragung ergab sich, dass 52 Prozent der Polen sonntags ihre Einkäufe erledigten.