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30.03.18 / Polizei irritiert mit Diebstahlsvergleich / Die Mordakte Przedwdzing ist geschlossen – mit verheerender Wirkung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Polizei irritiert mit Diebstahlsvergleich
Die Mordakte Przedwdzing ist geschlossen – mit verheerender Wirkung
Chris W. Wagner

Im Oktober 2017 haben die deutschen Leitmedien im Grunde täglich über den Mordfall Daphne Caruana Galizia auf Malta informiert. Der Mord an der Journalistin wurde im Angesicht der Panama-Papers-Affäre mit dem Sturz der Regierung Maltas in Verbindung gebracht und die linksliberalen deutschen Medien hatten wochenlang ihr Futter. Welch ein Unterschied zur Ignoranz gegenüber dem Mordfall Dieter Przedwdzing, bei dem es ebenfalls ein naheliegendes Mordmotiv gibt. Genau vier Jahre ist es her, dass am Abend des 18. Februar 2014 dem 40 Jahre amtierenden Bürgermeister der oberschlesischen Kleinstadt Deschowitz aus der deutschen Minderheit in seinem Haus in Krempa die Kehle durchgeschnitten wurde. Nun werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oppeln ohne jede Ergebnisse eingestellt.

Diese suchte vier Jahre lang vergebens nach dem oder den Tätern, ja selbst klare Verdachtsmomente wurden nicht festgestellt. „Für mich war es ein politischer Mord“, sagt Przewdzings Freund, Josef Kulosa, gegenüber der Nachrichtensendung von TV Opole. Kulosas Vermutung ist naheliegend, da sich der Deschowitzer Bürgermeister seit vielen Jahren für eine wirtschaftliche Selbstverwaltung seiner Gemeinde und für subsidiäre Strukturen in Oberschlesien aussprach. Für viele im zentralistischen Denken verhaftete Polen wurde dies reißerisch als Sezessionsbestrebung verteufelt – schon die sprachliche Feinjustierung zwischen Subsidiarität und Autonomie ist in der polnischen Sprache schwer greifbar. Im ländlichen Oberschlesien war Przewdzing letztlich der einzige Politiker aus der Minderheit, der ohne Angst das Wort Autonomie in einer Diskussion überhaupt in den Mund nahm. Er habe keine Angst, denn er wisse zu viel, ließ Przewdzing oft durchblicken – war er doch bereits zu kommunistischen Zeiten Bürgermeister und kannte sich auch in Warschau bestens aus.

Für Stanislaw Bar, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oppeln, war das zusammengetragene Beweismaterial schon für Verdachtsmomente zu dürftig, auch wenn die Ermittlungen 27 Aktenbände füllten. „Wir sind mehr als 200 Spuren nachgegangen, haben über 200 Zeugen befragt, einige mehrmals“, so Bar, der die Öffentlichkeit am 23. März über die Ermittlungseinstellung informierte. „Für mich ist es unerhört, dass jemand, der einen solch bestialischen Mordes verübte, nicht zur Rechenschaft gezogen wird“, so Sybila Zimerman, Przewdzings Stellvertreterin, die das Bürgermeisteramt seit Przewdzings Tod innehat. Die Sprecherin der Polizeidirektion der Woiwodschaft Oppeln, Marzena Grzegorczyk, hofft darauf, dass der oder die Täter wegen eines anderen Deliktes doch noch zur Verantwortung gezogen werden. „Es war oft schon der Fall, dass zum Beispiel bei einem Diebstahl das Verfahren eingestellt wurde und die Täter mit einem anderen Verfahren in Verbindung gebracht worden sind“, so Grzegorczyk – als ob es sich bei diesem Tötungsdelikt um einen simplen Diebstahl handeln würde.

Für Przewdzings Kollegen Piotr Pakosz ist es bedenklich, dass man 200 Zeugen verhört hat und keine Verdächtigen fand. „Der oder die Täter waren Dieter bekannt, sonst würde er sie oder ihn doch nicht einfach so über seine Türschwelle treten lassen“, wundert sich der Vorsitzende der Regionalen Sektion für Bildung und Erziehung der „Solidarnosc“. Noch am 17. Februar organisierte Pakosz einen „Dieter-Przewdzing-Lauf“ in Deschowitz zum Gedenken an den beliebten Aktivisten. „Wir können uns einfach nicht damit abfinden, dass Dieter auf diese Weise von uns ging. Wir sind ihm sehr dankbar, weil er immer ein offenes Ohr für Menschen hatte, die Hilfe brauchten. Wir wollen mit diesem Lauf an die Ereignisse vor vier Jahren erinnern. Wir werden so lange laufen, bis die Täter gefunden werden“, so Pakosz im Radio Oppeln sechs Tage vor der Bekanntgabe der Ermittlungseinstellung.

Rafal Bartek, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in der Woiwodschaft Oppeln, findet es erschreckend, dass ein Mensch unter dramatischen Umständen sein Leben verlor und die Öffentlichkeit nicht weiß warum. „Wir kennen weder die Täter noch die Beweggründe für diesen Mord. Es häufen sich unzählige Geschichten und Mythen um dieses Ereignis und das ist ein sehr negatives Signal. Dieter Przewdzing war eine unkonventionelle und schillernde Gestalt, ein engagierter Politiker für das soziale und wirtschaftliche Wohl seiner Gemeinde“, so Bartek im Radio Oppeln.

Mit dem Wort schillernd kann man natürlich auch eine Debatte umschiffen und den Akteur mit Verweis auf Lokalpolitik fast schon degradieren. Dabei hat der Mord in der gesamten ländlichen Region eine verheerende und vielleicht ja beabsichtigte psychologische Wirkung entfaltet – eine stetige Angst, überhaupt über echte Selbstverwaltungsstrukturen zu sprechen oder sich als Deutscher zu bekennen.