16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.03.18 / Aufschlussreiches über den Korea-Konflikt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Aufschlussreiches über den Korea-Konflikt
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Fast täglich erwähnen unsere Me­dien den nordkoreanischen Diktator. Unser Wissen über die Demokratische Volksrepublik Korea ist gering, obwohl sie den gefährlichsten Krisenherd der Welt darstellt. Umso mehr muss man das neue Buch „Der Wahnsinn und die Bombe“ des ZDF-Studienleiters für Ostasien, Thomas Reichart, begrüßen. Er konnte den bisher wichtigsten Flüchtling aus dem Nordteil der Halbinsel inter­viewen, der zur dortigen Führungselite gehörte und Vize-Botschafter in London war. Motiv seines Überlaufens war, dass seine Söhne „nicht in dieser  Sklaverei leben sollen“. Nach seiner Ansicht führen die meisten Nordkoreaner ein Doppelleben: Selbst die Elite glaube nicht mehr an das Kim-Regime, doch der Verlust von Privilegien für Träger des Systems drohe, und eine Terrorherrschaft sei die Garantie für dessen Weiterbestehen. Außenpolitisch sei die atomare Aufrüstung Kims Lebensversicherung. 

Mit Hochdruck arbeitet Pjöngjang an der Entwicklung von Trägerraketen. Letztes Jahr testete es Interkontinentalraketen und dürfte heute knapp 40 Atomwaffen besitzen. Ziel ist die noch gefährlichere Wasserstoffbombe. Ein Präventivschlag der USA birgt die Gefahr, nicht zugleich alle Raketen-Abschussbasen zu vernichten. Zudem könnte Pjöngjang die grenznahe südkoreanische 25-Millionen-Hauptstadt Seoul in wenigen Minuten völlig zerstören. 

Ein tieferer Einblick des Autors in das Innenleben des nordkoreanischen „Paradieses“ anhand seriöser Unterlagen gibt das dortige jährliche Pro-Kopf-Einkommen mit umgerechnet 1100 Euro an. Es zählt damit zu den ärmsten Ländern der Welt. Zum Verlgeich: Südkorea hat ein Pro-Kopf-Einkommen bon 23000 Deutschland von 38000 Euro. Dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zufolge verfügen über 80 Prozent der Bevölkerung über keine ausreichende Ernährungsvielfalt. 

Der Autor erinnert an die „Sonnenschein-Politik“ Südkoreas, mit der es vor Jahren den Norden wirtschaftlich unterstützte und so eine Annäherung zu erreichen suchte. Dort indes hielt man sich nicht an Versprechen, bald erfolgten neue Angriffe Pjöngjangs. Der jetzige Präsident in Seoul strebte anfangs erneut eine solche Politik an, doch angesichts der Nuklear-Aufrüstung im Norden erklärte er die Gespräche für „sinnlos“ und baute wegen der Bedrohung ein eigenes Raketenabwehr-System auf. 

Der Leser erfährt Einzelheiten über die vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen Pjöngjang, deren Ziel es sei, Nordkorea an den Verhandlungstisch zu zwingen. Zweifellos haben die Sanktionen Auswirkungen, doch immer wieder findet das Land Möglichkeiten, jene zu umgehen. Die Aufrüstung der Demokratischen Volksrepublik Korea jedenfalls geht ungestört weiter.

Man dürfe die koreanische Halbinsel nicht allein sehen, meint der Verfasser des Buches: Hinter die­sem Konflikt stehe letztlich das Ringen der USA und Chinas um die militärische wie auch die wirtschaftliche Vorherrschaft in der gesamten Region, primär um den Pazifik. Als eine der wichtigsten US-Basen gilt Okinawa. Interessanterweise sind in Japan weitaus mehr amerikanische Soldaten stationiert als im gefährdeteren Südkorea. Wer immer diese japanische Insel beherrscht, hat den Zugang zum Ostchinesischen Meer. Von militärischer Bedeutung ist ebenfalls die zum Territorium der Vereinigten Staaten gehörende Insel Guam als „festinstallierter Flugzeugträger“, von wo die USA mit ihren atomwaffenbestückten Tarnkappenbomber Northrop B2- Spirit in weniger als vier Stunden den Nordteil Koreas erreichen können. 

Auch die  chinesische Führungsspitze betrachte die Nuklear-Bestrebungen Pjöngjangs mit großer Sorge. Die von ihr ausgehenden Risiken könnten allzu leicht die Politik Pekings stören. Es sei daher kaum ein Zufall, dass Kim Jong-un bis zum Erscheinen des Buchs niemals nach China eingeladen wurde – im Gegensatz zum südkoreanischen Präsidenten. Pe­king werte Nordkorea lediglich als eine strategische Pufferzone gegenüber den USA. Ohne Chinas heimliche Öllieferungen an Pjöngjang und ohne seine strikten Abwehrmaßnahmen gegen einen andernfalls zu erwartenden Flüchtlingsstrom von dort würde das Kim-System sehr schnell einen Zusammenbruch erleiden. Den aber fürchte Peking, denn ein Vorrücken der US-Truppen über den 38. Breitengrad, um die nordkoreanischen Atombomben und Raketen zu sichern, könnte leicht zu einem Zusammenstoß mit der Armee Chinas sowie zu einem Aufflammen des Handelskrieges zwischen beiden Großmächten führen. 

Am Ende seines Buches macht Reichart einige Vorschläge zur Entspannung der Lage in der Region. Voraussetzung bei allem sei indes ein Mindestmaß an Vertrauen. Das herzustellen dürfte gegenwärtig fast unmöglich sein. 

Thomas Reichart: „Der Wahnsinn und die Bombe. Wie Nordkorea und die Großmächte unsere Sicherheit verspielen“, Econ-Verlag, Berlin 2018, broschiert, 213 Seiten, 16 Euro