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06.04.18 / Königin der Belle Epoque / Kaiser Wilhelm II. war einer ihrer Bewunderer – Die Sizilianerin Franca Florio und ihr berühmtes Porträt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-18 vom 06. April 2018

Königin der Belle Epoque
Kaiser Wilhelm II. war einer ihrer Bewunderer – Die Sizilianerin Franca Florio und ihr berühmtes Porträt
Helga Schnehagen

Als Kulturhauptstadt Italiens präsentiert Palermo 2018 über 800 zusätzliche Kulturereignisse, darunter bis 20. Mai eine Ausstellung von Giovanni Boldinis berühmtem Porträt der Franca Florio.

Die Sizilianer nannten sie „Königin von Sizilien“, Kaiser Wilhelm II. „Stern von Italien“ und der Schriftsteller Gabriele D’Annunzio „l‘ Unica“, was vielleicht am besten mit die Einzigartige zu übersetzen ist. Die Rede ist von Franca Florio, geboren am 27. Dezember 1873 in Palermo als Francesca Paola Jacona della Motta dei Baroni di San Giuliano. 

Donna Franca, wie sie allgemein genannt wurde, entstammte einer verarmten, aber prestigeträchtigen Familie des sizilianischen Hochadels. Mit 19 Jahren heiratete sie Ignazio Florio jun., den reichsten Mann Siziliens und einen der wohlhabendsten Unternehmer und Reeder seiner Zeit. An seiner Seite wurde Franca Florio zu einer Ikone der Belle 

Epoque. Mit ihren stattlichen 1,73 Metern, den grünen Augen und dem bernsteinfarbenen Teint war sie für die damalige Zeit von faszinierender Schönheit und Eleganz, der auch der deutsche Kaiser schwärmerisch verfiel. Zu­sammen mit Augusta Victoria besuchte er die Florios mehrmals in ihrem Palast in Palermo. 

Franca Florio war nicht nur schön, sie war auch intelligent, sprach fließend vier Sprachen und galt damit als Stütze des Familienimperiums. Nach dem Erdbeben von 1783 war die Familie Florio von Bagnara Calabra in Kalabrien nach Sizilien gezogen, wo Paolo Florio (1772–1807) kurz nach 1800 einen bald sehr erfolg­reichen Gewürzhandel gründete, aus dem die nächsten drei Generationen ein internationales Wirtschaftsimperium machten.

Schon Paolos Sohn Vincenzo (1799–1868) baute die unternehmerischen Tätigkeiten erfolgreich aus, gründete unter anderem ein Kreditinstitut, eine Versicherungsgesellschaft, konzentrierte sich auf die Produktion von Marsala-Weinen sowie die Verarbeitung von Schwefel und kaufte sich eine Schiffsflotte zusammen, die unter seinem Sohn Ignazio Florio sen. (1869–1891) nach der Fusion mit der Genueser Reederei Rubattino zur damals größten Reederei Italiens werden sollte.  

Auch auf anderen Gebieten gelang es Ignazio, das von seinem Vater ausgebaute Unternehmen nochmals mit viel Geschick zu vergrößern. Unter anderem kaufte er 1874 die Inseln Favignia und Formica, erwarb die Fischereirechte und gründete eine Fischfabrik von immensen Ausmaßen, in der er als Erster Thunfisch nicht mehr in Salz, sondern in Öl konservierte. Die Tonnara Florio auf Favignia ist heute ein sehenswertes Beispiel der Industriearchäologie samt kleinem Museum.

Nach dem Tod seines Vaters übernahm Ignazio Florio jun. (1869–1957) traditionsgemäß das Familienunternehmen und konnte das Familienvermögen noch einmal verdoppeln. Damit besaß er genügend Mittel, um zusammen mit Ehefrau Franca als großzügiger Mäzen aufzutreten. Dabei unterstützten die Florios den Bau von Palermos Teatro Massimo, das am 16. Mai 1897 seine Türen öffnete und zu diesem Zeitpunkt nach der Pariser Oper Europas zweitgrößtes Theater war. Nach einem Brand wurde das Theater 1974 „vorübergehend“ geschlossen und erst 22 Jahre später wieder eröffnet. 

Ignazios jüngerer Bruder Vincenzo Florio jun. (1883–1959) hatte zwei Leidenschaften: Luxus­jachten und Automobile. Nachdem er selber Autorennen gefahren war, rief er 1906 die Targa Florio ins Leben, ein anspruchsvolles Sportwagenrennen, das seitdem zu Sizilien gehört. Nur ist die Targa Florio heute kein Wettrennen mehr, sondern eine beliebte Oldtimer-Rallye, die dieses Jahr vom 4. bis 7. Oktober Freunde alter Autos nach Palermo lockt.

1925 brach das Familienunternehmen zusammen. Nicht nur Möbel und Schmuck kamen unter den Hammer, auch Giovanni Boldinis berühmtes Porträt der Franca Florio wechselte den Besitzer. Als Erster erwarb es Baron Mau­rice de Rothschild 1927/28. Nach zwei Auktionen bei Christie’s 1995 und Sotheby’s 2005 hing das Gemälde ab 2006 im Grand Hotel Villa Igiea, der ehemaligen Residenz der Florios in Palermo, die später ein Luxushotel wurde. 

Am 30. April des vergangenen Jahres wurde es erneut versteigert und für knapp 1,5 Million Euro vom Marquis Berlingieri erworben. Bis zum 20. Mai ist Donna Francas Porträt in der Villa Zito ausgestellt. Die auffallend lange Halskette auf dem Gemälde zählt 365 Perlen, eine für jeden Tag des Jahres. Sie soll ein Geschenk des Ehemanns gewesen sein als Entschuldigung für seine vielen geschäftlichen Aktivitäten.

Boldinis meisterhaftes Porträt hatte immer wieder Rätsel aufgegeben. Lange glaubte man, dass der Maler Franca Florio in verschiedenen Kleider-Versionen in drei Bildern porträtiert hatte. Jüngste Untersuchungen ergaben, dass es nur eine Leinwand gibt, die immer wieder übermalt wurde. Die erste Version entstand 1901, die zweite zwischen 1910 und 1918 und die jetzige ist auf 1924 datiert.

„Franca Florio“ in der Villa Zito, Via della Libertà 52, Palermo. Höhepunkte im Jahresprogramm der Kulturhauptstadt: Manifesta 12, europäische Biennale für zeitgenössische Kunst, 16. Juni bis 4. November; Sonderausstellung Antonello da Messina (um 1430–1479), Palazzo Abatellis, Via Alloro 4, Palermo, ab Ende Oktober.