Es gibt eine Szene, in der die Brüder Jakob und David durch den Regen laufen, miteinander witzeln und sich kameradschaftlich balgen. Zwei auf gleichem Weg. Ein Trugbild. Denn wohin Jakob abdriftet, ist nicht abzusehen.
Der Film „Macht euch keine Sorgen“ (11. April um 20.15 Uhr, ARD) trifft mitten hinein in ein Land, das durch Hunderttausende von Immigranten aus dem arabischen Raum verstört ist, ein Land, das mit fanatischen Glaubenskriegern konfrontiert wird, und in dem viele junge Menschen dem Lockruf des Islamischen Staates erliegen. 940 Männer und Frauen sind bisher nach Syrien oder in den Irak ausgereist, um sich dem IS anzuschließen, so das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer Meldung vom September 2017. Ein Drittel ist mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt, 145 sind im Kampfgebiet ums Leben gekommen.
Und Jakob Schenk, der zum Islam konvertiert ist, aber in einer christlichen Familie aufwächst? Die Eltern wähnen ihn im Urlaub in Spanien, als plötzlich Beamte des Landeskriminalamtes vor der Tür stehen und den Eltern eröffnen, der Schüler sei nach Syrien gereist, um sich dort zum IS-Kämpfer ausbilden zu lassen. Was nun folgt, ist die verzweifelte Suche nach dem verlorenen Sohn. Der Vater und Jakobs Bruder David reisen auf eigene Faust bis ins syrische Grenzgebiet, recherchieren, zahlen Bestechungsgelder. Wie durch ein Wunder stoßen sie tatsächlich auf den verloren Geglaubten und holen ihn zurück. Er habe Heimweh gehabt, beteuert Jakob, und wird von nun an doch ein Fremder bleiben.
Das Vertrauen, das eine Familie zusammenhalten soll, bröckelt, die Liebe auch. Wie ein Spaltpilz breitet sich Misstrauen aus, genährt von argwöhnischen Nachbarn, Lehrern und Kollegen. Das LKA behält den in sich gekehrten jungen Mann weiter im Visier. Ist Jakob nur zurückgekehrt, um als Schläfer einen Anschlag vorzubereiten? „Können wir in seinen Kopf sehen?“, fragt der Beamte den Vater und gibt sich gleich die Antwort: „Ich kann es nicht – und Sie auch nicht.“
Dass ein Jugendlicher dem Lockruf eines martialischen Männerbundes folgt, um dann geläutert in sein friedliches Umfeld zurückzukehren – kann das sein? Langsam und unaufgeregt führt der Film in ein Spannungsfeld, in dem zwei Welten aufeinanderprallen – die wohlbehütete, gut bekannte. Und die andere. Wie Jörg Schüttauf den Vater spielt, der zwischen Hilflosigkeit und Sorge schwankt, wie Ulrike C. Tscharre als Mutter den fremd gewordenen Sohn halten will und still an seinem Bett sitzt so wie früher, als er klein war – das beeindruckt. Der liebevoll gedeckte Geburtstagstisch mit den brennenden Kerzen für den Bruder David, der von Jakob ignoriert wird – ein Symbol dafür, dass nichts mehr zählt, wenn erst das Gift der Verblendung wirkt. Ein Film, der die Verwerfungen im Deutschland von 2018 aufgreift. Ein wichtiger Film.