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06.04.18 / Thank you for travelling... / Wenn einer eine simple Reise tut: Erlebnisse mit der Deutschen Bahn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-18 vom 06. April 2018

Thank you for travelling...
Wenn einer eine simple Reise tut: Erlebnisse mit der Deutschen Bahn
Jürgen Rath

Das Reisen im ICE ist angenehm. Ich steige in Leipzig ein und meine Reiseauskunft sagt mir, dass ich in drei Stunden in Frankfurt bin. Und von dort in einer Stunde und vierzig Minuten in Offenburg. Nein, nicht Offenbach, sondern Offenburg im Schwarzwald, eine hübsche Stadt an der Strecke nach Basel. Für den Zugwechsel stehen mir 14 Minuten zur Verfügung. Das müsste ausreichen, denn der Frankfurter Bahnhof ist ein Sackbahnhof, da schlendert man gemütlich an den Gleisen entlang und muss sich nicht durch diese schrecklichen Fußgängertunnel quälen wie demnächst auch bei Stuttgart 21.

Ich lehne mich also zurück, hier im ICE, und vertiefe mich in das Buch, auf das ich mich schon seit Tagen freue. Irgendwann werde ich abgelenkt, etwas irritiert mich. Die Landschaft fliegt nicht mehr vorbei, wir bewegen uns eher mit Postkutschentempo, ich könnte während der Fahrt Blumen pflücken.

Und schon kommt sie, die gefürchtete Durchsage: „Liebe Fahrgäste, wegen einer Baustelle mussten wir die Geschwindigkeit reduzieren. Unsere Verspätung beträgt zurzeit 15 Minuten.“ Nicht lange danach sind es 17 Minuten.

Und was ist jetzt mit meinem Anschlusszug?

Ich werde den Kollegen Bescheid sagen, dass sie warten sollen, sagt der Zugbegleiter.

Beruhigt mich das jetzt?

Natürlich bin ich dafür, dass das Gleisbett und die Gleise erneuert werden, ich will ja sicher am Bestimmungsort ankommen. Aber warum gibt mir DIE BAHN eine Reiseverbindung, die überhaupt nicht funktionieren kann? Kennen die ihre eigenen Baustellen nicht?

Kurz vor Frankfurt die nächste Durchsage: Der ICE nach Basel wartet leider nicht. Die Stimme des Zugbegleiters klingt, als wäre er in einen Krieg gezogen und würde jetzt schwer verletzt auf dem Schlachtfeld verbluten.

Die Dame in der Reiseauskunft in Frankfurt ist schnell und kompetent.

Der nächste Zug nach Basel geht in zwei Stunden, erklärt sie.

Ich will nicht nach Basel, sage ich, ich will nach Offenburg.

Das macht sie Sache einfacher, sagt sie.

Ich bekomme eine neue Reiseverbindung und zwei Sitzplatzreservierungen, vielen Dank auch. 

Sie müssen allerdings in Mannheim umsteigen, sagt sie noch.

Das kenn ich schon. Kaum hat DIE BAHN meinen Anschluss verpasst, wird man mit spitzen Fingern von einem Provinzbahnhof zum nächsten weitergereicht, als hätte man die Maul- und Klauenseuche.

Der nächste ICE kommt pünktlich, nun ja, mit fünf Minuten Verspätung. Meine Umsteigezeit in Mannheim beträgt acht Minuten. Ich weise den Zugbegleiter darauf hin, dass es knapp werden könnte. 

Kein Problem, sagt er, ich melde das dem Anschlusszug, der wird warten. Das ist das letzte, was ich von ihm höre. Die Verspätung beträgt inzwischen zehn Minuten. Als ich in Mannheim aussteige, ist da kein Anschlusszug weit und breit.

Die Reiseauskunft Mannheim residiert in einem offenen Schalter in der zugigen Bahnhofshalle.

Der nächste Zug nach Basel geht in zwei Stunden, sagt der freundliche junge Mann in Bahnuniform.

Ich will nicht nach Basel! Ich will nach Offenburg. Es muss kein ICE sein, ich stell mich auch auf eine Rangierlock. Hauptsache ich komm weg von hier.

Das macht die Sache einfacher, sagt er.

Er klickt ein paar Mal auf der Tastatur herum. 

Ich hab da was für Sie, sagt er dann, Sie müssen allerdings in Baden-Baden umsteigen.

Ja, ja, ich weiß, ich bin ein Aussätziger, an Lepra erkrankt.

Mit einem Mal blickt er kritisch an mir herunter. Sind Sie gut zu Fuß?, fragt er.

Junger Mann! Ob Sie es glauben oder nicht: Wenn es mir hilft, von hier weg zu kommen, kann ich sogar fliegen.

Gut, sagt er, während sein Drucker die Reiseinformation ausspuckt, der ICE nach Chur hat fünf Minuten Verspätung, der fährt gerade ein, wenn Sie schnell sind, erwischen Sie den noch.

Ich reiße ihm die Zugverbindung aus der Hand und sprinte los. Runter die Rolltreppe, den Tunnel entlang gehastet, die Rolltreppe wieder hoch – und da steht er vor mir, mein Zug. Ich könnte ihn küssen.

Ich bin allerdings nicht der einzige, der einsteigt. Die Leute strömen geradezu hinein, es werden immer mehr. Dieser ICE scheint ein Lumpensammler-Express zu sein, der all die Mühsamen und Beladenen in sich aufnimmt. Ich habe keine Platzreservierung bekommen, sie hätte auch nichts genützt, denn die Leute stehen und sitzen überall: In den Gängen, im Bistro, auf dem Klo, nur in der ersten Klasse ist noch Platz. Die drei Privilegierten, die dort residieren, starren manisch auf ihren Laptop. Wahrscheinlich ist ihnen der Anblick der Abgehängten des Bahnbetriebs zu peinlich.

Meine Reisehinweise sagen mir, dass ich in Baden-Baden in den Regionalzug nach Offenburg umsteigen muss und dass ich dazu fünf Minuten Zeit habe. Das dürfte eigentlich reichen, ist ja auf der gleichen Plattform. Doch leider sitze ich in einem ICE, der inzwischen neun Minuten Verspätung hat. Der Zugbegleiter gibt über Lautsprecher bekannt, dass der Regionalzug wahrscheinlich auf uns warten wird. Sofort presst sich ein hysterisches Gelächter aus mir heraus, wie peinlich. Regionalzüge sind wohl die einzigen Züge, die heutzutage noch pünktlich ankommen, und das funktioniert nur, wenn sie auch pünktlich abfahren. Und weil das so ist, ist der Anschlusszug natürlich weg.

Ich könnte jetzt die Stunde des erzwungenen Aufenthalts nutzen und mir Baden-Baden ansehen. Das berühmte Casino, die warmen Quellen. Das Problem ist jedoch, dass der Bahnhof von Baden-Baden gar nicht der Bahnhof von Baden-Baden ist. Er liegt in Baden-Oos, einer Ödnis, es ist das outback von Baden-Baden. Während ich also warte, drängen sich düstere Gedanken, DIE BAHN betreffend, in mein Gehirn und dann überschwemmt mich ein genialer Gedanke, wie man dieses Übel ein für alle mal beseitigen könnte. Das werde ich Ihnen aber später erzählen, denn gerade kommt der Regionalexpress.

Er fährt nicht nur pünktlich in Baden-Oos ein, er erreicht auch auf die Minute genau Offenburg. Was mir allerdings nichts nützt, weil niemand mehr auf mich wartet. Ich addiere meine Verspätungen und komme auf zwei Stunden und drei Minuten. In Worten: ZWEI STUNDEN UND DREI MINUTEN!

Das ist länger als sonst üblich. Wahrscheinlich hat meine Frau eine Vermisstenanzeige aufgegeben oder das Couvert mit dem Testament geöffnet. Und weil ich jetzt hier in Offenburg hilflos und sinnlos herumstehe, kann ich Ihnen von meiner genialen Idee berichten.

Vor nicht allzu langer Zeit haben sich RWE und e.on darauf verständigt, dass nicht jeder Konzern alles machen muss, sondern dass es effektiver ist, wenn sich jeder auf seine Kernkompetenz konzentriert. Also macht in Zukunft die RWE den Strom und e.on betreibt das Netz. Geniale Konstruktion, darauf muss man erst einmal kommen, 250 Jahre nach Adam Smith, dem Erfinder der Arbeitsteilung.

Und dann gab es noch die Meldung, dass Flixbus der Bahn Konkurrenz machen will und einen eigenen Zug unter dem Namen Flixtrain ins Rennen schickt. 

Also, das finde ich blöd! Das mit der Konkurrenz. Ich fände es besser, wenn Flixtrain gleich die gesamte BAHN übernehmen würde. Die können das sicherlich besser, denen traue ich es zu, die haben das mit den Bussen ja auch ganz gut in den Griff bekommen. 

Und DIE BAHN? Die könnte sich endlich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Auf die Reiseauskunft, da sind sie richtig gut.