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13.04.18 / ABM in neuem Gewande / SPD-Politiker fordern »solidarisches Grundeinkommen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-18 vom 13. April 2018

ABM in neuem Gewande
SPD-Politiker fordern »solidarisches Grundeinkommen«
Peter Entinger

Mit den Hartz-IV-Reformen hat der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Sozialgesetzgebung reformiert. Wirtschaftsverbände sprechen von einem Riesenerfolg, doch Sozialpolitiker sehen das anders, und ein Großteil der Bevölkerung sieht Reformbedarf bei den Hartz-IV-Reformen.

60,4 Prozent der Befragten haben in einer unlängst veröffentlichten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey für grundsätzliche Änderungen am bestehenden System ausgesprochen. Naheliegenderweise ist die Ablehnung bei den Wählern der Linken mit 90,3 Prozente am größten. Bei den Wählern von Schröders Partei wollen drei von vier ein Ende von Hartz IV in der jetzigen Form. Bei den Grünen sind es rund zwei Drittel. Hingegen wollen die Wähler von CDU, CSU und FDP mit einer knappen Mehrheit am Arbeitslosengeld II in der jetzigen Form festhalten. 

Seit 2007 haben insgesamt 18,2 Millionen Menschen Hartz IV bezogen, davon waren 5,47 Millionen unter 15 Jahre alt. Die Statistik umfasst alle Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren mindestens einmal auf staatliche Hilfe angewiesen waren. Viele davon nahmen die Leistung vorübergehend in einer persönlichen Übergangszeit in Anspruch, etwa weil sie keine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung hatten. Im Februar 2018 bezogen laut Bundesagentur für Arbeit insgesamt 5,95 Millionen Menschen Hartz IV, von denen 4,26 Millionen erwerbsfähig sind. Insgesamt bekommt derzeit fast jeder zehnte Haushalt Hartz IV. Bei den Kindern ist es sogar jeder siebte. Im Juni 2017 lebten rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Familien, die wegen Arbeitslosigkeit oder zu geringen Lohns Anspruch auf Hartz IV hatten. Das waren 5,2 Prozent mehr als im Juni des Vorjahres und sogar acht Prozent mehr als vor fünf Jahren – und das bei einer angeblich immer prosperierenderen Wirtschaft. 

Experten führen die Steigerung der Hartz-IV-Zahlen auf die wachsende Zahl ausländischer Familien zurück, die von Jobcentern betreut werden und von der sogenannten Stütze leben. Die Bundesagentur für Arbeit bestätigt, dass hierfür die wachsende Zahl von Asylsuchern von großer Bedeutung ist. Wenn diese nach dem Abschluss ihres Asylverfahrens und dem Absolvieren von Integrations- und Sprachkursen nicht gleich eine Arbeit finden, müssen meistens die Jobcenter für deren Lebensunterhalt aufkommen. Die Zahl derer, auf die dies zutreffen könnte, werde in den kommenden Jahren eher noch ansteigen, glaubt man bei der Bundesagentur. 

Die neue große Koalition ist nun übereingekommen, möglichst viele Hartz-IV-Empfänger in den regulären Arbeitsmarkt zurückführen zu wollen. Der gerade ins Amt gekommene Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte, dass dies „Voraussetzung für ein freies und selbstbestimmtes Leben“ sei. 

Kurz vor seinem Amtsantritt hatte der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gesagt, dass mit Hartz IV jeder bekomme, „was er zum Leben braucht“, und damit eine heftige Debatte über die Zukunft der Sozialgesetzgebung ausgelöst. Diese Aussage wurde von vielen Seiten kritisiert. So bezeichnete der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) die Äußerungen als „herzlos“. 

Prominente Vertreter der SPD drängen auf eine komplette Kurskorrektur. „Schluss mit Hartz IV“, forderte der Berliner SPD-Regierungschef Michael Müller und sein Parteifreund Ralf Stegner ergänzte: „Wir brauchen eine Alternative zu Hartz IV.“ Eine solche haben sie auch vorgeschlagen in Form des sogenannten solidarischen Grundeinkommens, nicht zu verwechseln mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Beim solidarischen Grundeinkommen finanziert der Staat sozialversicherungspflichtige, mindestens mit dem Mindestlohn dotierte Vollzeitarbeitsplätze für Langzeitarbeitslose. 

Die Idee ist nicht unumstritten. Kritiker verweisen auf die durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) geschaffenen Stellen für Arbeitslose in der Ex-DDR in den 90er Jahre. Die „beschafften Arbeitsplätze“ erwiesen sich als wenig zielführend. Nur wenige Nutznießer von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen fanden  den Weg zurück in den regulären Arbeitsmarkt. „Der Vorschlag ist nicht neu und es ist kein Grundeinkommen“, sagt der neue Grünen-Vorsitzende Robert Harbeck, „Eher ist es ein geförderter staatlicher Arbeitsmarkt, der der Wirtschaft Konkurrenz macht und nebenbei das Ehrenamt zu einem staatlich subventionierten Job macht – was absehbar jedes Ehrenamt schreddern wird.“ 

Die Arbeitgeber sind entsetzt. „Die Kernidee des solidarischen Grundeinkommens ist nichts anderes als der massive Aufbau künstlicher Beschäftigung, die im unternehmerischen Wettbewerb keine Chance hat“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der Wochenzeitung „Die Zeit“. Dies sei in Zeiten von Rekordbeschäftigung und Wirtschaftswachstum ein Irrweg.

David Zülow, Vorsitzender der Kommission „Arbeitsmarkt und Soziales“ beim Wirtschaftsverband „Die Familienunternehmer“, bezeichnete die Idee, „Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu fördern“, zwar als richtig, allerdings gebe es dafür bereits bestehende Instrumente wie Lohnkostenzuschüsse, die optimiert werden könnten. „Da gibt es noch viel Spielraum. Ein solidarisches Grundeinkommen hingegen ist lediglich die Vorstufe für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Da soll wohl eine Hintertür aufgestoßen werden.“