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13.04.18 / Wer wird die Drehscheibe? / Polen will Deutschland Konkurrenz bei der Gasversorgung machen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-18 vom 13. April 2018

Wer wird die Drehscheibe?
Polen will Deutschland Konkurrenz bei der Gasversorgung machen
Norman Hanert

Deutsche Behörden haben vor Kurzem die Genehmigungen für einen rund 30 Kilometer langen Abschnitt der Erdgasleitung Nord Stream 2 im Bereich der deutschen Teils der Ostsee erteilt. Mit dem Projekt soll sich die Kapazität der schon bestehenden Nord-Stream-Leitung von 55 auf 110 Milliarden Kubikmeter verdoppeln. Deutschland, schon bislang der weltgrößte Importeur von Erdgas, wird mit Nord Stream 2 immer stärker zu einer zentralen Drehscheibe des europäischen Erdgashandels. 

Die polnische Regierung gehört zu den schärfsten Kritikern von Nord Stream. Aus Warschau werden hierfür lieber sicherheitspolitische Bedenken angeführt als die eigenen Wirtschaftsinteressen. In Warschau verfolgt man das Ziel, selbst zu einer wichtigen Größe auf dem europäischen Energiemarkt zu werden. In Swinemünde ist Ende 2015 ein Terminal zum Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) in Betrieb gegangen. Die Kapazität der Anlage auf der Osthälfte Usedoms soll in den kommenden Jahren von fünf Milliarden Kubikmeter auf 7,5 Milliarden erweitert werden. Die Polen setzen bislang vor allem auf LNG-Lieferungen aus Katar und Norwegen. 

Zum Import norwegischen Gases plant Polen eine Leitung namens Baltic Pipe. Die Pipeline ist als Abzweigung von einer bereits bestehenden Leitungen geplant, die von Norwegen nach Deutschland führt. Die Rohrleitung soll von einem Abzweigpunkt in der Nordsee über Dänemark bis nach Swinemünde führen. Die Planungen für Baltic Pipe laufen bereits seit 2001 und wurden schon mehrmals eingestellt, inzwischen ist ein neuer Anlauf gestartet. Im Februar unterzeichneten der staatliche polnische Netzbetreiber Gaz-System und Energinet aus Dänemark einen Vertrag zur Buchung von Leitungskapazitäten. Eine endgültige Investitionsentscheidung für Baltic Pipe soll allerdings erst im Laufe dieses Jahres fallen. 

Der staatlich kontrollierte polnische Energieversorger PGNiG hat im vergangenen Jahr aber auch einen Vertrag über den Kauf von Flüssiggas aus den USA abgeschlossen. Dafür hat es verlauten lassen, den 2022 auslaufenden Vertrag mit dem russischen Lieferanten Gazprom nicht verlängern zu wollen. Nach einem Treffen mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Donald Trump sagte der polnische Präsident Andrzej Duda im vergangenen Jahr, sein Land sei in der Lage, schon bald als Drehscheibe für Energieträger Mitteleuropa mit US-Gas zu versorgen. 

Die Chancen für das polnischen Vorhaben, sich als Größe im europäischen Erdgashandel zu etablieren, hängen nicht zuletzt von der Entwicklung beim deutsch-russischen Konkurrenzprojekt Nord Stream ab. Pluspunkte der russischen Erdgaslieferungen sind die niedrigen Kosten im Vergleich zu den Flüssiggasimporten aus Übersee, aber auch ein zeitlicher Vorsprung. Bereits seit Mitte 2011 verbindet die OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) die schon bestehende Nord-Stream-Pipeline von der deutschen Ostseeküste aus mit dem europäischen Erdgas-Fernleitungsnetz. Mittlerweile sind in Deutschland bereits die Vorbereitungen für den Bau einer weiteren Verlängerungsleitung für Nord Stream 2 angelaufen. Diese neue Europäische Gas-Anbindungsleitung (EUGAL) soll von Greifswald aus die Weiterverteilung von Erdgas nach Südeuropa ermöglichen.