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13.04.18 / Gegenwind / Wurden die Skripals Opfer eines Unfalls?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-18 vom 13. April 2018

Gegenwind
Wurden die Skripals Opfer eines Unfalls?
Florian Stumfall

Der Fall Skripal ist in eine erstaunliche Phase getreten. Je mehr Einzelheiten von Belang ans Licht kommen, umso weniger erscheint davon in den Medien. So hat man von der Tochter Julia, die inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen wurde, weiter nichts mehr gehört, seit sie mit einem ausgeliehenen Mobiltelefon mit ihrer Cousine Victoria, die sich in Russland aufhält, gesprochen hat. Victoria teilte ihren Eindruck mit, dass Julia steif und unsicher gesprochen habe, als wäre ihr vorgegeben worden, was sie zu sagen habe. Dieses Telefonat wurde von jemandem in Julias Umgebung offenbar gegen deren Willen beendet.

Julia ist seitdem nicht mehr erreichbar, auch hat sie keinen Zugang zum Internet, zu ihrem Vater kann man ebenfalls keinen Kontakt aufnehmen. Bislang ist es auch russischen Diplomaten verwehrt, Julia, die russische Staatsbürgerin ist, aufzusuchen, was gegen alle internationalen diplomatischen Gepflogenheiten verstößt. Auch haben sich die Sicherheitsorgane beeilt, Julia unmittelbar nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus an einen „sicheren Ort“ zu bringen, der nicht näher benannt wurde. Dass dieser Ort der Sicherheit dient, steht zweifelsfrei fest, allerdings dürfte es sich dabei um die Sicherheit nicht Julias, sondern der offiziellen Darstellung handeln.

Mehr als erstaunlich sind auch Meldungen verschiedener britischer Medien, denen zufolge nicht nur das Haus der Skripals, sondern auch die Lokale abgerissen werden sollen, in denen sie sich am Tag ihrer Vergiftung angeblich aufgehalten haben. „Wir bekommen den Eindruck“, so ein Diplomat der russischen Botschaft, „dass die britische Regierung absichtlich versucht, alle möglichen Beweise zu zerstören, alle erhaltenen Materialien zu geheim zu erklären und damit die Möglichkeit einer unabhängigen und transparenten Ermittlung auszuschließen.“

Zu diesem Kontext gehört auch, dass die britische Regierung Russland einerseits vorwirft, sich nicht an der Aufklärung des Falles zu beteiligen, ihr Außenminister Boris Johnson auf der anderen Seite alle Anerbieten der russischen Seite mitzuwirken als „pervers“ zurückgewiesen hat. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat daher die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) aufgefordert, eine sachliche Untersuchung der Vorfälle in Salisbury durchzuführen.

Naheliegenderweise war es Victorias Wunsch gewesen, ihre Base und ihren Onkel zu besuchen, darum ging es auch bei dem einzigen Gespräch. Victoria betreut die 90-jährige Mutter Skripals und wollte dieser unmittelbar vom Gesundheitszustand ihres Sohnes berichten können. Doch Julia erklärte ziemlich unverhohlen, dass sie, Victoria, kein britisches Visum bekommen werde. Das hat sich auch als zutreffend erwiesen. Ein Antrag Victorias bei der britischen Botschaft in Moskau wurde abschlägig beschieden. Er habe „den Einreiseregeln nicht entsprochen“. Auch bestünden Zweifel daran, dass Julia ihre Cousine zu sehen wünsche. Die Behörden, so Victorias Vorwurf, wollten Julia von ihren Verwandten fernhalten, wie sie auch den Nachbarn Skripals, dem Ehepaar Cassidy, jeden Besuch verboten haben, mit einer Begründung, die Cassidy „Falschinformation“ nannte. Jetzt probiert es Victoria mit einem Gesuch bei der Regierungschefin Theresa May.

Auf der anderen Seite wurde von britischen Behörden die Möglichkeit erörtert, die beiden Skripals in die USA zu bringen und sie dort mit einer neuen Identität auszustatten. Der Sinn des Unterfangens sei der, die beiden vor ihren Mördern in Sicherheit zu bringen. Mag sein. Es wäre aber auch eine Möglichkeit, die Isolation, in der sie sich derzeit befinden, auf Dauer aufrechtzuerhalten. Victoria jedenfalls versichert, dass ihre Cousine nichts als nach Russland zurück wolle, dort habe sie ihren Lebensgefährten, eine Wohnung, einen Beruf und einen Hund – mit anderen Worten, ihren Lebensmittelpunkt.

Wird jemand von Sicherheitsorganen derart von der Außenwelt abgeschirmt, so regt sich sehr schnell der Verdacht, dies geschehe, damit der Betreffende keine Gelegenheit bekomme, über Sachverhalte zu sprechen, welche die Sicherheitsorgane geheim halten wollen. Im Falle Skripal kann es sich durchaus so verhalten, wenn sich eine neue Lesart der Ereignisse bewahrheiten sollte, die von nicht-öffentlichen Quellen angedeutet wird. Danach haben Vater und Tochter Skripal am Morgen das Haus verlassen und sich den Tag teilweise in der Stadt vertrieben. Nachmittags um 17.30 Uhr kam noch die Freundin Cassidy auf einen Sprung vorbei. Sie erlitt keinerlei Vergiftungen. Abends gingen die Skripals in ein Restaurant zum Essen. Soweit besteht Einigkeit in allen Schilderungen. Doch abweichend von anderen sollen die beiden kein italienisches, sondern ein japanisches Lokal aufgesucht haben, von denen es in Salisbury einige gibt, so etwa das „Wagamama“, unweit des Parks, in dem Vater und Tochter aufgefunden wurden.

Das ist insofern von Belang, als die bewusste Quelle versichert, die beiden hätten Fugu gegessen, den Kugelfisch, der bei unsachgemäßer Zubereitung schwere Vergiftungen bis hin zum Tod hervorrufen kann. Tatsächlich sind nach japanischen Statistiken die Todesfälle eher selten, sie liegen bei etwa zehn Prozent der Vergiftungen. Auffallend bei dem Lokalbesuch der Skripals ist nun, dass die Polizei die Rechnung als Geheimsache konfisziert hat.

Bei einer Fugu-Vergiftung, die nicht zum Tode führt, erfolgt die Erholung erstaunlich schnell, so wie das jedenfalls bei Julia der Fall war. Eine Vergiftung mit dem in Frage stehenden Nervengift A234, gemeinhin als „Nowitschok“ bezeichnet, ist hingegen in jedem Fall tödlich. Auch ist die offizielle Erklärung nicht schlüssig, wie dieses Gift den Skripals beigebracht worden sei. Nach verschiedenen, einander widersprechenden Erklärungen hat man sich jetzt darauf geeinigt, dass das Gift an der Klinke der Haustür angebracht worden sei. Allerdings hätte sich der Attentäter zu diesem Zweck mit einem der Schutzanzüge durch Salisbury bewegen müssen, die dann so oft im Fernsehen mit leichtem Grusel zu sehen waren. Sonst wäre er sein eigenes Opfer geworden. 

Auch hätte die kurze Berührung der kontaminierten Klinke kaum die gewünschte Wirkung gehabt, denn das Gift wird durch Körperöffnungen und Schleimhäute aufgenommen, die Epidermis dagegen bildet bei flüchtigem Kontakt einen Schutz. Abgesehen davon pflegt, wenn zwei Menschen das Haus verlassen, nur einer die Klinke zu betätigen, wie können sich also alle beiden Skripals an der Türklinke vergiftet haben?

Dagegen entspricht der Zustand, in dem Skripal und seine Tochter aufgefunden wurden, den Symptomen einer Fugu-Vergiftung mit Lähmungserscheinungen, Benommenheit und Krämpfen. Das Bewusstsein dagegen bleibt erhalten. Zwar widerspricht das der offiziellen Darstellung, die beiden seien bewusstlos gewesen, doch in einer Äußerung Julias, die von Scotland Yard geprüft und ins Netz gestellt wurde, spricht sie ihren Dank den Bürgern von Salisbury aus, die „zu Hilfe gekommen sind, als mein Vater und ich hilflos waren“. Hilflos, nicht bewusstlos.

Die japanische Variante vorausgesetzt, kann es sein, dass der gerade diensthabende Bewacher Skripals, der ihm auf den Fersen folgte, wie das bei allen Ex-Spionen üblich ist, im Zusammenbruch der beiden eine willkommene Gelegenheit sah, einen Türken zu bauen. Allerdings musste, da es keine Vorbereitungszeit gab, improvisiert werden, was die vielen Widersprüche und Ungereimtheiten der offiziellen Darstellung erklären könnte. Man verließ sich wohl zu sehr auf die Wirkung des üblichen „Putin war’s“.