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13.04.18 / In Edelmetall und hoch zu Ross verewigt / Die »Mode« der Reiterstandbilder wurde auch in Preußen mitgemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-18 vom 13. April 2018

In Edelmetall und hoch zu Ross verewigt
Die »Mode« der Reiterstandbilder wurde auch in Preußen mitgemacht
Sibylle Luise Binder/PAZ

Beim Militär galt über Jahrhunderte: Der einfache Soldat marschierte, der Offizier ließ sich von einem Pferde tragen. Dieses spiegelt sich auch in der darstellenden Kunst in Form diverser Reiterstandbilder von Herrschern und Heerführern wider. Aus der italienischen Renaissance sind uns zwei Muster überliefert, die das Erscheinungsbild für die Zukunft vorgaben. 

Nummer eins ist das erste im Monumentalformat gegossene Reiterstandbild seit der Antike, das 1447 von Donatello gefertigte Reiterdenkmal des Gattamelata in Padua. Die Bronzeplastik ist das Modell schlechthin für Reiterstandbilder, welche die Komponenten „Beherrschung“ und „Harmonie“ verbinden sollen. Gattamelata trägt zwar martialische Sporen, aber er setzt sie nicht ein. Damit sind sie dem Pferd nicht unangenehm. Das Tier hat ein Ohr aufmerksam in Richtung des Reiters gewandt, es scheint auf Kommandos zu warten. Dabei geht es aber locker in einem stolzen Trab vorwärts. Der Reiter führt die Zügel einhändig und hat ein durchaus scharfes Gebiss eingelegt – es sieht nach einer Kandare mit langen Anzügen aus –, doch der Zügel hängt durch. Gattamelata, der eigentlich Erasmo de Nami hieß, doch wegen seiner Verschlagenheit „Gattamelata“ (gefleckte Katze) genannt wurde, hat sein Pferd im Griff, ohne Gewalt ausüben zu müssen. 

Der Kontrapunkt steht in Venedig auf dem Campo dei Santo Giovanni e Paolo. Das von Andrea del Verrocchio 1488 geschaffene Reiterstandbild des Bartolomeo Colleoni verkörpert den Typus „wilder Rossebändiger“. Colleoni, wie Gattamelata ein Condottiere, also ein Söldnerführer, wie ihn die italienischen Stadtstaaten vom späten Mittelalter bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts beschäftigt haben, hatte bei seinem Tod 100000 Dukaten für die Errichtung eines Reiterdenkmales hinterlassen. Er kommt auf seinem Pferd „herrisch“ rüber, als ein Reiter, dessen Pferd keinen Mus­kel ohne seine Erlaubnis bewegt. Dementsprechend verkrampft wirkt das Tier dann auch. 

Kleinere Kopien und Bilder von beiden Reiterstandbildern verbreiteten sich über ganz Europa. Vor allem als Dekoration für das Herrenzimmer von Reitern waren sie sehr gefragt. Reiterstatuen italienischer Stadtfürsten folgten. Der Herrscher zu Pferd wurde auch in der Malerei zu einer Standardformel, die bis ins 19. Jahrhundert vielfach variiert wurde. 

Einer, der sich besonders gerne hoch zu Ross darstellen ließ, war Kaiser Napoleon, ein Meister der Imagepflege. Dabei galt der vormalige Artilleriegeneral als ausgesprochen lausiger Reiter. Das hielt ihn nicht davon ab, auf entsprechenden Darstellung den wilden Rossebändiger zu geben. Besonders bekannt geworden ist „Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard“. Das Ölgemälde schuf der französische Historienmaler zwischen 1800 und 1802 in gleich fünf Versionen. Auf der Basis des Ölgemäldes gab es dann Statuen aus Holz, Bronze, Porzellan und Elfenbein, Geschirr mit diesem Motiv, Kästchen mit Emaille-Einlagen. Napoleon auf dem steigenden Ross war absolut Mode und schmückte die Salons in halb Europa. 

Im Gegensatz zu Napoleon Bonaparte waren die Preußenherrscher keine Kinder der Revolution und wollten auch nicht die Welt erobern. Das spiegelt sich auch in deren Reiterstandbildern wider. 

Das erste preußische Reiterdenkmal überhaupt ist wohl das des ersten Hohenzollernherrschers über ein souveränes Preußen, des Großen Kurfürsten, im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg. Es ist samt Postament 5,6 Meter hoch, von denen 2,9 Meter auf die Bronzefigur des Kurfürsten entfallen, und erinnert an die Reiterstatue Mark Aurels aus dem 2. Jahrhundert im Hof des Konservatorenpalastes der Kapitolinischen Museen. Der Reiter hat sein Pferd im Griff, das mit erhabenen Tritten unter dem hohen Herrn schreitet. 

So ist auch Friedrich der Große auf seinem Denkmal unter den Linden dargestellt. Die ersten Entwürfe dafür stammen von Gottfried Schadow, das endgültige Monument hat sein Schüler Christian Daniel Rauch entworfen und errichtet. Es ist mit Sockel 13,5 Meter hoch und zeichnet sich durch absolute Detailtreue aus. Der König sitzt im Sattel seines Lieblingspferdes, dem Schimmel Condé, und trägt eine Uniform mit dem charakteristischen Dreispitz. Die rechte Hand, von der ein Krück­stock herabhängt, hat er in die Seite gestützt, die linke führt die Zügel. Ganz schulbuchgerecht hat der König auf Kandare mit Unterlegtrense gezäumt. Ebenso schulbuchgerecht ist sein Sitz im Sattel mit nach unten durchgetretenem Bügel und tiefer Ferse. Das Pferd geht im Schritt vorwärts, in Harmonie mit seinem Reiter. Die Enthüllung des Denkmals fand am 111. Jahrestag der Thronbesteigung des Geehrten und damit in der Regierungszeit von dessen Urgroßneffen Friedrich Wilhelm IV. statt. 

Dieser königliche Mäzen und Kunstförderer ist seinerseits hoch zu Ross mit einem Bronzebildwerk auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel in Berlin verewigt. Geschaffen wurde das Werk von Alexander Calandrelli nach einem Entwurf Gustav Blaesers zwischen 1875 und 1886, also in der Regierungszeit Wilhelms I. 

Von Aachen über Arnsberg-Neheim, Berlin, Bernburg, Bielefeld, Düsseldorf, Elberfeld, Erfurt, Geislingen, Glogau, Kiel, Koblenz, Köln, Liegnitz, Saarbrücken, Stettin, Stolp und Weißenfels bis Wriezen – im Deutschen Reich schmückten viele Städte ihre Markt- oder sonstige Plätze mit einer Statue des Siegers der deutschen Einigungskriege und ersten Deutschen Kaisers auf einem in repräsentativem Schritt vorwärts marschierenden Ross. Ein paar jener vielen Denkmäler zeigten unter dem Monarchen der Realität entsprechend keine auf Repräsentation angelegten kompakten Barockpferde, sondern den Typ, der in Preußen damals als Militärpferd eingesetzt wurde. 

Von dem Mann, in dessen Regierungszeit viele dieser Ehrungen entstanden und der seinen Großvater und Vorvorgänger derart verehrte, dass er für ihn den Namenszusatz „der Große“ durchsetzen wollte, gibt es trotz seines Sinnes für Repräsentation nur sehr wenig entsprechende Darstellungen. Im Zeitalter des Automobils sank mit der Bedeutung des Pferdes für das Militär sowie als Fortbewegungsmittel von Herrschern und Feldherren auch die des Reiterstandbildes für die Herrscherdarstellung. Zudem hatte Wilhelm II. durch die Abschaffung der Monarchie in Preußen und Deutschland auch keinen Nachfolger, der ihn durch Reiterstandbilder hätte ehren können und wollen.