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13.04.18 / Spannender Island-Krimi mit Lokalkolorit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-18 vom 13. April 2018

Spannender Island-Krimi mit Lokalkolorit
Britta Heitmann

Island im Zweiten Weltkrieg: Nachdem die Deutschen im April 1940 Dänemark besetzt hatten, besetzten die Engländer im Mai 1940 Island unter dem Vorwand, es vor einer deutschen Okkupation zu schützen. Ab Juli 1941 übernahmen dann die Amerikaner die Besatzung. 

War Island vor dem Krieg noch ein armes Land, das vom Fischfang lebte, brachte der alliierte Bedarf an Arbeitskräften Wohlstand und führte zu Veränderungen in der abgeschieden lebenden isländischen Bevölkerung. Vor dieser historischen Kulisse lässt der mehrfach preisgekrönte isländische Krimiautor Arnaldur Indriðason in „Der Reisende“ seinen Kriminalkommissar Flóvent, unterstützt von dem jungen kanadischen Militärpolizisten Thorson, dessen Eltern aus Island emigrierten und der als „West-Isländer“ gilt, auf Mördersuche gehen.

Als ein Handlungsreisender mitten in Reykjavik mit einem Colt erschossen wird, fällt der Verdacht auf die Soldaten der Besatzungsmächte. Wer war „der Reisende“? Indriðason spielt gekonnt mit verschiedenen Identitäten, denn es sind mehrere Vertreter in die Handlung verwickelt, und er lässt den Leser im Dunkeln tappen. Auch die Hintergründe sind verschlungen, führen doch viele Spuren zu einem aus Deutschland eingewanderten Arzt, dem Kontakte zu den Nationalsozialisten nachgesagt werden, der aber nicht wie andere Deutsche interniert wurde. Der Originaltitel – übersetzt „das deutsche Haus“ – weist hier schon auf Zusammenhänge hin und der Verdacht auf Spionage und Gegenspionage besteht. Aber auch in den Erlebnissen in der frühen Jugend einiger Charaktere finden sich Motive für die grausame Hinrichtung, der weitere Todesfälle folgen. Das Leben der isländischen Frauen, die Kontakte zu den Besatzern haben, spielt ebenfalls eine Rolle, konnte doch eine solche Beziehung als Fahrkarte aus Armut und Eintönigkeit gelten, jedoch um den Preis, von weiten Teilen der isländischen Bevölkerung verachtet zu werden. 

Flóvent und Thorson ermitteln in alle Richtungen, entdecken tiefe Verstrickungen der Protagonisten untereinander und versuchen, in einem Sumpf aus Unmoral, Missbrauch und Manipulation die Wahrheit zu entdecken. 

Indriðason ist ein Meister der langsamen, detailreichen Erzählungen, die er auch hier voll auskostet. Im Gegensatz zu seinem schwermütigen Ermittler Erlendur aus seiner bekanntesten Krimi-Reihe, dessen private Probleme sich durch alle Bände ziehen, ist hier ein junges Team ohne belastenden Hintergrund am Werk, das sich, obwohl unfreiwillig zusammengefügt, sehr gut ergänzt und unter schwierigen Umständen erfolgreich ermittelt. Den Leser erwartet ein spannendes Lesevergnügen mit viel isländischem Lokalkolorit in einer interessanten historischen Zeit.

Arnaldur Indridason: „Der Reisende. Island-Krimi“, Bastei Lübbe Verlag, Köln 2018, gebunden, 415 Seiten, 22,90 Euro