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20.04.18 / Moskau zeigt Zähne / In seiner Rede zur Lage der Nation präsentierte Putin der Öffentlichkeit neue Waffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-18 vom 20. April 2018

Moskau zeigt Zähne
In seiner Rede zur Lage der Nation präsentierte Putin der Öffentlichkeit neue Waffen
Friedrich List

Der US-amerikanische Science-Fiction-Autor William Gibson sagt: „Die Zukunft ist längst hier. Sie ist nur ungleich verteilt.“ Wie viel von einer eher problematischen Zukunft bereits Wirklichkeit ist, bleibt angesichts neuer Waffenentwicklungen in Russland jedoch im Unklaren. 

Am 1. März hielt der russische Präsident Wladimir Putin eine aufsehenerregende Rede über neue Waffensysteme der russischen Streitkräfte. Einmal eingeführt, würden diese neuen Waffen zu einem beachtlichen Fähigkeitszuwachs speziell der strategischen Streitkräfte Russlands führen. Allerdings sind viele Experten von den neuen Waffen weniger überrascht, weil einige von ihnen schon seit Längeren getestet werden. Außerdem tut sich Russland bei der Entwicklung und Produktion neuer Waffensysteme eher noch schwerer als die Staaten der NATO. 

Putin präsentierte sechs neue Waffen für Russlands strategisches Waffenarsenal sowie Bilder einer mobilen Laserwaffe zur Lenkwaffenabwehr. Wohl das spektakulärste Projekt ist die „9M730“, ein Marschflugkörper mit Atomantrieb. Die genaue Typenbezeichnung ist nicht bekannt. „9M730“ soll in großer Höhe und mit hoher Überschallgeschwindigkeit einen Kernsprengkopf ins Ziel tragen. Nukleare Flugzeugantriebe wurden in den 1950er und 1960er Jahren von beiden Supermächten erforscht, aber als zu teuer und nicht machbar aufgegeben. Im Prinzip wird dabei die angesaugte Luft nicht durch eine Brennkammer geführt, sondern durch den mehrere tausend Grad heißen Reaktorkern. Dann wird sie wie bei einem Düsentriebwerk ausgestoßen. Zwar kann so ein Flugkörper hohe Geschwindigkeiten erreichen und fast unbegrenzt in der Luft bleiben. Aber er verstrahlt auch die Umgebung, denn der Schubstrahl ist radioaktiv. Putin sprach von einem erfolgreichen Testflug im Dezember 2017, während das US-Verteidigungsministerium nur ein paar fehlgeschlagene Starts vermeldete. Test- und Einsatzgebiet war und ist vermutlich die Arktis. 

Der Nukleartorpedo „Status-6“, der bereits in einer Putin-Rede von 2015 erwähnt wurde, hat beides: Atomantrieb und einen nuklearen Gefechtskopf. Mit ihm will das russische Militär Marinestützpunkte bedrohen. Er erreicht Tiefen um 1000 Meter und Geschwindigkeiten um 100 Knoten (185 Kilometer in der Stunde). Experten bezeichnen ihn als Drittschlagswaffe, die ihr Zielgebiet erst erreichen würde, nachdem beide Seiten ihre Raketen bereits verschossen haben. Russland baut außerdem spezielle U-Boote, die diesen Torpedo sowie neuartige Unterwasserdrohnen einsetzen können. Diese Drohnen der „Klavesin“-Reihe können sowohl für zivile Forschung als auch für militärische Aufklärung genutzt werden.

Hinter Projekt „4202“ oder „Avangard“ verbirgt sich ein unbemannter Hyperschall-Gleiter mit einer Nuklearladung im Megatonnenbereich. „Avangard“ ist wahrscheinlich schon seit 2004 in der Entwicklung. Die Waffe startet als oberste Stufe einer Interkontinentalrakete und steigt bis in 100 Kilometer Höhe auf. Von dort aus gleitet sie mit fünf bis sieben Kilometern pro Sekunde oder rund Mach 15 in Richtung Ziel. Die ballistische „Kinzhal“-Rakete wird von MiG-31-Kampfflugzeugen abgefeuert. „Kinzhal“ ist eine Abwandlung der obersten Stufe der taktischen „Iskander“-Nuklearrakete, die auch in Ostpreußen stationiert ist. Allerdings richtet sich diese primär gegen Seeziele wie Flugzeugträger und deren Begleitschiffe. Sie erreicht Mach 10 und fliegt, je nach Quelle, entweder 1800 oder sogar 2000 Kilometer weit. Die strategischen Raketentruppen bekommen mit der R-28 „Sarmat“ eine neue Interkontinentalrakete, die seit 2011 in der Entwicklung ist und zurzeit erprobt wird. R-28 kann mehrere Sprengköpfe ins Ziel bringen. Außerdem ist sie mit Störsystemen ausgerüstet, welche die US-Abwehrsysteme irreführen sollen. 

Experten wie der US-amerikanische Politikwissenschaftler Michael Kofman erwarten, dass die meisten dieser Waffen im Laufe des nächsten Jahrzehnts in Dienst gestellt werden. „Kinzhal“ soll bereits im Einsatz sein.