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20.04.18 / Museale Wundertüten / Wenn Museen anfangen, sich mit sich selbst zu beschäftigen – Eine Ausstellung über Ausstellungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-18 vom 20. April 2018

Museale Wundertüten
Wenn Museen anfangen, sich mit sich selbst zu beschäftigen – Eine Ausstellung über Ausstellungen
Nike U. Breyer

Ausstellungen seien ein Relikt des 19. Jahrhunderts, heißt es häufig. Statt lehrmeisterhaft zu wirken, sucht man – wie beim künftigen Berliner Humboldt-Forum – neuerdings nach Konzepten, um mit den Besuchern zu interagieren. Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden widmet dem Präsentieren von Kunstwerken im Wandel der Zeit jetzt sogar eine große Son­derausstellung.

Bei den alten Griechen war das Museion ein Tempelheiligtum, in dem den Musen als den Schutzgöttinnen der Künste geopfert wurde. Seit 200 Jahren verstehen wir unter einem Museum eine öffentlich zugängliche Sammlung, in der Kunstwerke oder andere sehenswerte Dinge zusammengetragen und einem Publikum präsentiert werden. Warum eigentlich? Und wie wird das Zeigen organisiert? Das Museum er­scheint uns so selbstverständlich, dass wir diese Frage kaum mehr stellen. Wobei das erste öffentlich zugängliche Kunstmuseum dieser Art, was nur wenige wissen, nicht etwa in Paris, sondern in Kassel stand. 

Nun hat sich also die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden die kulturhistorische Annäherung an eine Grundbedingung des modernen Museums vorgenommen und zeigt noch bis zum 17. Juni die Ausstellung „Ausstellen des Ausstellens. Von der Wunderkammer zur kuratorischen Situation“. Be­trachtet man ähnlich ausgerichtete Ausstellungen der letzten Monate in Frankfurt und Hamburg – das dortige Museum für Kunst und Gewerbe eröffnete erst vor wenigen Tagen eine Schau über „Das Museum unserer transkulturellen Gegenwart“, in der sich der Museumsfundus aus neuer Perspektive erschließen lassen soll –, so scheint das neue Forschungsinteresse an den Be­ziehungen zwischen Kunstwerk und Betrachter sowie deren Vermittlung durch die Institutionen Museum und Kunstmarkt gewissermaßen in der Luft zu liegen. 

Die Baden-Badener Ausstellung empfängt den Besucher in der zentralen Museumshalle  zu­nächst mit einem gerafften Überblick über die Anfangsgeschichte der Präsentation von Bildern vom späten 18. Jahrhundert bis zur vorletzten Jahrhundertwende. Gezeigt werden einige Gemälde, viele Zeichnungen und Radierungen und ein sehr frühes Foto von 1858, die alle teils reale, teils idealisierte Ansichten historischer Museumsräume darstellen. Sie werden ergänzt durch Hängepläne und Notizen, die sich in alten Nachlässen erhalten haben. Historische Tischvitrinen und schwere Bilderrahmen illustrieren diese 100 Jahre Museumsgeschichte weiter und verdeutlichen zugleich den Wandel des Selbstverständnisses, den die Kunstmuseen durchlaufen haben, die ihre Präsentationen von der geordneten und ökonomisch ar­rangierten Bildersammlung hin zum Prinzip des genreübergreifenden „Epochenraums“ entwickelten, so wie ihn die Museumsreformbewegung um 1900 als neuen Erlebnisraum erfunden hat. 

Im 20. Jahrhundert veränderten Künstler und Kuratoren die Strategien der Präsentation noch weitergehend, die nun durch wechselnde Avantgarden geprägt waren und immer stärker didaktisch auf die Wahrnehmung des Besuchers einwirken wollten. Marksteine waren die radikal nackte Präsentation von Bildern vor kahlen Betonwänden, wie sie die erste Documenta von 1955 praktizierte, oder Verfremdungsmaßnahmen, wie sie der belgische Künstler Marcel Broodt­haers in den 1970er Jahren erprobte. 

In einem weiteren Raum wird die historische Ausstellungskonzeption von Friedrich Kiesler für Peggy Guggenheims Gallerie „Art of this century“ von 1942 rekonstruiert, um in den letzten Räumen – unter einem Bruch der titelgebenden Logik – die Arbeiten zeitgenössischer Künstler zu zeigen, die das Thema „Zeigen“ zum Thema von Kunstwerken machen.

Nach dem informativen historischen Eingangsteil vermag das eher weniger zu überzeugen. Das gilt auch für einen experimentellen Teil der Ausstellung, der künstlerische Interventionen au­ßerhalb der Museumsmauern im Baden-Badener Stadtbild ansiedelt, die den Charakter von Zugaben kaum wesentlich überragen, oder sogar die Realsatire streifen. 

Insgesamt vermisst man aber einen dezidierteren Kommentar zur politisch-ideologischen „An­fälligkeit“ von kuratorischen Konzepten, die etwa in den auf Überwältigung angelegten Propaganda-Schauen der Ära des Kalten Krieges mit Händen zu greifen war, aber auch im asketischen „white cube“-Konzept eine sich unaufdringlich gebende „de­mo­kratische Transparenz“ feiert. Ideologisch sind immer die anderen. 

Doch ungeachtet dieser überschaubaren Schönheitsfehler ist die Ausstellung durchaus ansprechend gemacht, wirft interessante Schlaglichter auf eine 200-jährige Geschichte des Kuratierens und regt auch zu eigenen Überlegungen an.

Staatliche Kunsthalle, Lichtentaler Allee 8 a, 76530 Baden-Baden, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 7 Euro. Der Katalog kostet 45 Euro, www.kunsthalle-baden-baden.de