20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.04.18 / Warum die Garnisonkirche gesprengt wurde / Vor 50 Jahren beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung die Zerstörung des Gotteshauses

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-18 vom 20. April 2018

Warum die Garnisonkirche gesprengt wurde
Vor 50 Jahren beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung die Zerstörung des Gotteshauses
Klaus J. Groth

Zwei Jahrhunderte lang war die Garnisonkirche das Wahrzeichen Potsdams. Beim Bombenangriff auf Berlin wurde sie stark beschädigt. Am 14. Mai 1968 erfolgte auf Anordnung der SED-Führung die erste Sprengung der Ruine. Zwei weitere waren später notwendig, um auch den Turm vollständig zum Einsturz zu bringen.

Niemand habe die Absicht, die Garnisonkirche zu sprengen. Diese Botschaft an die Potsdamer war eine Lüge wie vieles, was die Machthaber der DDR verbreiten ließen. Sie sollte Proteste empörter Bürger im Keim ersticken. Überfallartig rückte der Sprengtrupp des VEB Verkehrsbau Magdeburg an diesem Maitag an. Die Umgebung der Kirche wurde eilig abgesperrt und Dynamit am Turm angebracht. Doch der Plan, die Sache in Sekundenschnelle mit möglichst wenigen Augenzeugen zu erledigen, ging nicht auf. Das dicke Mauerwerk erwies sich als wehrhaft. Beim erneuten Versuch am 19. Juni blieb die eine Hälfte des 90 Meter hohen Turms stehen. Die andere ragte wie anklagend in den Himmel. Am 23. Juni wurde auch sie dem Erdboden gleichgemacht.

Anfang der 60er Jahre hatten Optimisten noch geglaubt, dass die Kirche, in der Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich der Große zu letzten Ruhe gebettet worden waren, aus ihrer Ruine auferstehen könnte. Ein Wettbewerb unter Architekturstudenten befasste sich mit dem Wiederaufbau. Tatsächlich war die Sprengung der Ruine zu diesem Zeitpunkt längst beschlossen. „Warum steht die denn immer noch?“, soll Walter Ulbricht bei einem Besuch im Sommer 1967 in Potsdam gesagt haben. Nicht nur die Ruine stand, die evangelische Heilig-Kreuz-Gemeinde hatte sich dort eine Kapelle für 150 Gottesdienstbesucher eingerichtet. Die Kirche sollte nach dem Willen der SED-Führung Platz machen für eine neue Architektur im sozialistischen Stil und eine verbesserte Verkehrsführung. Die Ruine, so lautete der Vorschlag Ulbrichts, könne man fotografieren und auf Postkarten an ausländische Touristen verkaufen.

Am frühen Morgen des 6. März 1968 erschienen Mitarbeiter der staatlichen Bauaufsicht und vom Rat des Bezirks Potsdam bei Pfarrer Uwe Dittmar und gaben vor, das Stützgerüst in Augenschein nehmen zu wollen. Als sie begannen, die Dicke und Höhe der Mauern zu vermessen, schöpfte der Pfarrer Verdacht. Wenig später kam ein Spezialist für Sprengungen hinzu. Da wusste Dittmar, dass das Schicksal der Kirche besiegelt war. Ein Kompromissvorschlag seiner Gemeinde, der Erhalt und Sicherung des Turms als Mahnmal gegen den Krieg, fand keine Gnade. Die Sprengung wurde von der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung am späten Abend des 26. April durchgewinkt.

Vorausgegangen war ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Kirchenleitung. Ein Briefwechsel zwischen Superintendent Konrad Stolte und Stadtrat Heinz Nutbohm dokumentiert die perfide Strategie der DDR-Oberen. Die Zuständigkeit wurde zwischen der Stadt Potsdam und den Berliner Ministerien hin- und hergeschoben. Alle Eingaben bis hin zum Staatratsvorsitzenden Ulbricht liefen ins Leere.

Es ging nicht nur um Wohnungsbau und Verkehrsplanung. Auch aus ideologischen Gründen war der DDR-Führung die zerbombte Kirche ein Dorn im Auge. Am sogenannten Tag von Potsdam, dem 21. März 1933, hatten sich dort die nicht der SPD oder KPD angehörenden Abgeordneten des am 5. März neu gewählten Reichstages zu einem Festakt versammelt, an dem auch Reichspräsident Paul von Hindenburg teilnahm. An dem Ort, an dem die beiden großen Preußenkönige begraben lagen, sollte die Verbindung von „alter Größe und der jungen Kraft“ des Nationalsozialismus sichtbar gemacht werden. Der Handschlag zwischen dem 43-jährigen Reichskanzler und NSDAP-Vorsitzenden Adolf Hitler sowie dem doppelt so alten Reichspräsidenten und kaiserlichen Feldherren Hindenburg ging in die Geschichte ein. Die Garnisonkirche sollte quasi für die Verbrechen der Nationalsozialisten haften.

Bis zur Bombardierung am 14. April 1945 durch die Briten begleitete das Glockenspiel im Turm das Leben in Potsdam mit Chorälen und Volksweisen, zur vollen Stunde erklang „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“. Zu Ehren Gottes, für den Hofstaat und die Garnison hatte der Soldatenkönig den Architekten Philipp Gerlach mit der Errichtung der Kirche beauftragt. Der Bau dauerte von 1730 bis 1735. Das Bauwerk aus 2,5 Millionen Ziegelsteinen wurde Zeuge preußischer und deutscher Geschichte. Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I. bekräftigten am 5. November 1805 in der königlichen Gruft ihr Bündnis gegen Napoleon. Ein Jahr später besuchte der siegreiche französische Kaiser den Sarg Friedrichs des Großen. „Wenn dieser noch lebte, wäre ich nicht hier“, soll der Franzose gesagt haben. Ab 1809 tagten die ersten frei gewählten Stadtverordneten in der Garnisonkirche. Unter den Widerstandskämpfern des 20. Juli befanden sich Offiziere des Infanterieregiments 9, das zur Gemeinde der Garnisonkirche gehörte.

Viele Bürger Potsdams konnten sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass dieses Kulturdenkmal für immer vom Erdboden verschwunden sein sollte. Im Juni 2004 gründete sich die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam und im Juli 2008 die Stiftung Garnisonkirche Potsdam. Gleichzeitig formierten sich Aktionsbündnisse, welche die Wiedererrichtung der „Soldatenkirche“ als Rückkehr eines militaristischen Geistes von Potsdam und als sinnlose Geldverschwendung ablehnten. Nach der Einstufung als national bedeutendes Kulturdenkmal bewilligte die Bundesregierung zwölf Millionen Euro für die Rekonstruktion. Die evangelische Kirche stellte zinslose Darlehen in Höhe von 4,75 Millionen Euro in Aussicht. Mäzene wie der in Potsdam ansässige Fernsehmoderator Günther Jauch spendeten weitere Millionenbeträge. Im Herbst vergangenen Jahres hat der Wiederaufbau des Turms mit Aussichtsplattform und Glockenspiel nach dem historischen Vorbild begonnen. Für den ersten Bauabschnitt sind 38 Millionen Euro veranschlagt. Die Kirche soll als Ort der Versöhnung und des Friedens genutzt werden.

Friedrich der Große, der nicht neben seinem ungeliebten Vater, sondern neben seinen Hunden begraben werden wollte, ruht seit 1991 dort, wo er es gewünscht hatte: auf der oberen Terrasse von Schloss Sanssoucis. Die Gebeine Friedrich Wilhelm I. fanden in einiger Entfernung, im Mausoleum der Potsdamer Friedenskirche im Marlygarten, ihre letzte Ruhestätte.