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20.04.18 / Nicht alle jubeln / Rückkehr der Luchse löst Debatte aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-18 vom 20. April 2018

Nicht alle jubeln
Rückkehr der Luchse löst Debatte aus
D. Jestrzemski

Der Luchs schleicht wieder durch unsere Wälder. Für die Rückkehr des faszinierenden Waldbewohners in seinen einstigen Lebensraum gibt es in der Öffentlichkeit eine breite Zustimmung. Die Luchsforschung läuft auf Hochtouren. Doch die schäferhundgroßen Wildkatzen mit den Pinselohren haben auch Feinde. Wer genau das ist, bleibt einstweilen ungeklärt.

Nachdem die Bestände in Deutschland vor rund 150 Jahren ausgelöscht worden waren, ist der  Eurasische Luchs (Lynx lynx) mit Hilfe des Menschen wieder in Mitteleuropa heimisch geworden. Die deutschen Mittelgebirge sind Teil seines riesigen Verbreitungsgebietes, das sich von den Pyrenäen über Skandinavien und die gesamte Taiga bis nach Kam­tschatka erstreckt. 

Wie der Wolf ist der Luchs durch nationale und internationale Gesetze streng geschützt. Einst wurde er wegen seines Pelzes gejagt. Seine Fellfarbe ist gelbbraun bis rotgrau mit dunklen Flecken, Kinn- und Bauchfell sind creme-weiß. Das verschafft ihm eine gute Tarnung im Unterholz des Waldes. Da der Luchs gelegentlich auch Herdentiere reißt, war er als Schädling verrufen. Heute weiß man um seine positiven Wirkungen auf die Ökosysteme des Waldes. So schöpfen Luchse die hohen Nachwuchsraten bei häufigen Arten wie Rehwild ab. 

Luchse sind Einzelgänger. Nur während der Ranzzeit im Februar und März finden Männchen und Weibchen zusammen. Dann bekommt man auch tagsüber aktive Luchse zu Gesicht. Gleich nach der Paarung gehen Luchs und Luchsin wieder eigene Wege. Nach knapp drei Monaten bringt die Luchsin in ihrem Bau zwei bis drei Jungtiere zur Welt. Einige Wochen werden diese von der Mutter gesäugt, bevor sie gemeinsam mit ihr in der Dämmerung und nachts auf Schleichjagd gehen. 

Nach einem Jahr müssen sich die Jungluchse ein eigenes Revier suchen. Luchse jagen überwiegend mittelgroßes Wild wie Reh, Gämse und Mufflon,  erbeuten daneben aber auch alles, was sie überraschen können, wie junges Rotwild, Hasen, Füchse, Marder, Wild- und Hauskatzen, Kleinsäuger und Vögel. Wildschweine meiden sie.

Zwar bevorzugen die scheuen Raubtiere Waldareale mit dichtem Unterholz als Lebensraum, nutzen aber auch offene Landschaften in der Nähe von Siedlungen. Immer wieder sterben Luchse im Straßenverkehr, wenn sie auf der Suche nach Beute große Streifgebiete durchwandern. Da sie zu Menschen Distanz halten und ihre Territorien oft und großräumig wechseln, ist es schwierig, ihre Verbreitung genauer einzugrenzen. 

Im Mai 2015 tauchte ein aus der Schweiz zugewanderter männlicher Luchs im Mittleren Schwarzwald auf. Experten gelang es, das „Friedl“ genannte Tier mit einem Halsbandsender auszustatten. Zunächst durchstreifte „Friedl“ monatelang eine Fläche von gut 200 Quadratkilometern, danach wandte er sich nach Osten. Von der Schwäbischen Alb zog er in Richtung Ulm, machte kehrt und wanderte entlang der  A 8 bis Weilheim unter Teck. Ein Jahr, nachdem sich sein Sender wie vorgesehen abgelöst hatte, wurde „Friedl“ Anfang 2017 nochmals von der Forschung erfasst. Im Oberen Donautal bei Sigmaringen hatte er insgesamt fünf Schafe und Ziegen gerissen, wie Gentests erwiesen. Experten versichern zwar, dass sich der Luchs nur sehr selten an Nutztieren vergreife. Allerdings sehen sich immer mehr Weideviehhalter gezwungen, kostspielige und aufwendige Maßnahmen zum Schutz ihrer Herden vor Luchs und Wolf vorzunehmen.

Den Harz besiedeln inzwischen 90 Luchse flächendeckend. Ab dem Jahr 2000 waren im Nationalpark Harz 24 Tiere aus Nachzuchten europäischer Wildparks in die Freiheit entlassen worden. 2010 wurden im hessischen Teil des Kaufunger Waldes erstmals junge Luchse außerhalb des Harzes gesichtet. Auch im Solling, im Leinebergland, in Sachsen-Anhalt und Thüringen sind sie wieder ansässig geworden. Jagdrevierinhaber im Altkreis Wernigerode meldeten 2015, dass die früher 400 Stück umfassende Muffelwildpopulation unter dem Einfluss des Luchses erloschen sei. Solche unerwünschten Auswirkungen lösen einigen Unmut aus.  

15 bis 25 Luchse, die gegenwärtig durch den Bayerischen Wald streifen, gehören zu einer bayerisch-tschechisch-österreichischen Luchspopulation von bis zu 60 Tieren. Ihre Anfänge reichen in die 1950er Jahre zurück. Aus den Karpaten waren die ersten Tiere zugewandert. In den 70er Jahren wurden im Nationalpark Bayerischer Wald weitere Luchse vermutlich karpatischen Ursprungs ausgesetzt. 

Seit Jahren stagniert die Population im Bayerischen Wald. Immer wieder verschwinden einzelne Tiere jenseits der Nationalparkgrenzen spurlos. Einige gewilderte Luchse wurden grausam verstümmelt aufgefunden. Offenbar sind gewisse Personen daran interessiert, die Verbreitung der noch immer vom Aussterben bedrohten Tierart über die Staatsforste hinaus zu verhindern. Über die Täter kann bislang nur spekuliert werden. 

Die Bauern sorgen sich um ihre Herdentiere und melden wegen der Luchse Gesprächsbedarf an. Der Bayerische Jagdverband unterstützt zwar die Rückkehr der Großkatze, will sich aber zu Einzelfällen nicht äußern. Manche Jäger hätten durchaus ein Problem mit dem Luchs als Jagdkonkurrenten, weiß Markus Schwaiger vom Luchsprojekt Bayern. 

Pro Woche benötigt ein Luchs ein Stück Rehwild, um satt zu werden, das sind 50 bis 60 Rehe im Jahr. Wird seine bevorzugte Beute knapp, weicht er auf das schwieriger zu jagende Rotwild aus. In staatlichen Forstbetrieben ist die Anwesenheit des Luchses durchaus erwünscht, da man dort aus Forstschutzgründen an minimalen Rehwildbeständen interessiert ist. Anders sieht es in den privaten Eigenjagd- und gemeinschaftlichen Jagdbezirken aus. 

Ein Luchsrevier kann bis zu 30 Jagdreviere abdecken. Bei deutlich zurückgehenden Wildbeständen sinkt der Jagdwert der Reviere, sodass die Grundeigentümer keine Pachtinteressenten mehr finden. Sollten die kriminellen Taten weiterhin nicht aufgedeckt werden, könnte dem Luchs in Bayern auch zukünftig ein eisiger Wind entgegenschlagen.