28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.04.18 / Realsatire: Michael Butter über Verschwörungstheorien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-18 vom 20. April 2018

Realsatire: Michael Butter über Verschwörungstheorien
Nike U. Breyer

So viel vorneweg: Wer bei dem neuen Buch von Michael Butter „Nichts ist, wie es scheint“ ein Vademecum zum schlaueren Trennen von Verschwörungen und den sogenannten Theorien dazu erwartet, wird enttäuscht. Zwar will Butter mit dem inkriminierten Gegenstand wissenschaftlich aufräumen. Doch er scheitert bereits an der erforderlichen sachlichen Neutralität. Denn da „die Guten“ – die Butter nach dem Aschenputtelprinzip den „bösen“ Konspirationisten gegenüberstellt – in tiefem Glauben von der unendlichen Komplexität der Welt überzeugt sind, bräuchte es nach ihrer Logik eigentlich gar keine Verschwörungstheorien. Die „natürliche“ Unübersichtlichkeit der Welt vernebelt diese nämlich bereits hinreichend. So tickt ganz offensichtlich auch Butter selbst. Weshalb er sich genötigt fühlt, diese Haltung durch den Zeitgeist-Philosophen Karl Popper zu veredeln, indem er diesen mit den Worten zitiert: „Verschwörer genießen nur selten die Früchte ihrer Verschwörung.“ Oder anders gesagt: Verschwörungen führten deshalb nur selten zum Ziel, weil Handlungen immer zu Gegenhandlungen führten, die ihrerseits nicht vorhergesehen werden könnten. 

Mit diesem Muster beschreibt Butter auch den Putsch von 1953 gegen den iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh, der letztlich gescheitert sei, weil er 1979 „indirekt“ die Iranische Revolution herbeigeführt habe. Nun kann niemand, auch kein Verschwörer, die Zukunft vorhersehen. Das gilt auch für die CIA, die mit dem Sturz Mossadeghs den Zugang zum Öl der Perser erzwingen wollte – und damit auch ausgesprochen erfolgreich war. 

Die Auffassung, dass Verschwörungen nur gelungen seien, wenn sie ohne „Nebenwirkungen“ abliefen, ist bizarr. Eine Theorie von solchen Ideal-Verschwörungen nach dem Muster eines Billardspiels vertreten nicht einmal die „bösen“ Verschwörungstheoretiker selbst. 

Als regelrechte Realsatire muss man auch die Auslassungen zur Watergate-Affäre lesen, wenn Butter feststellt, dass es vor den ersten Verhaftungen auch keinerlei Theorien gegeben habe, „die sich gegen Nixon oder seine Mitarbeiter richteten“. Vor dem Zweifel an einer offiziellen Darstellung stehen bekanntlich zunächst das Phänomen selbst und das Nachdenken darüber. Ähnliche Kurzschlüsse durchziehen leider das ganze Buch – auch wenn Butter versucht, die Vorgehensweisen der „Verschwörungstheoretiker“ filigran zu dekonstruieren. 

So ist der vom RBB gefeuerte Ken Jebsen auch kein unbequemer investigativer Journalist, sondern natürlich ein Konspirationist. Dem Schweizer Historiker Daniele Ganser, der seinen Lehrauftrag an der Universität Basel durch die Intervention des amerikanischen Botschafters in der Schweiz verlor, wirft Butter vor, sich zu „inszenieren“ und „Deutungshoheit“ zu beanspruchen. Besonders perfide: „sein ruhiger Stil“ und seine „präzisen Formulierungen“, die ihn von „gewöhnlicheren“ Verschwörungstheoretikern unterschieden. Auch Butters Kollege, der emeritierte Kieler Professor Rainer Mausfeld wird „demontiert“, indem Butter dem Kognitionswissenschaftler keine besondere Kompetenz auf den Gebieten attestiert, zu denen Mausfeld sich „immer wieder medienwirksam geäußert“ hat. Der österreichische Politikwissenschaftler John Bunzl wird dagegen für seinen Status als „Konsenshistoriker“ gelobt – ironiefrei. Konsensproduktion ist für Butter offenbar wahre Wissenschaft. 

Nun, die Psychopathologisierung von Kritikern war immer schon ein probates Mittel, um unliebsame Zeitgenossen unschädlich zu machen. So saß, während ein Sir Karl Popper feinsinnig über die „Offene Gesellschaft und ihre Feinde“ philosophierte, der amerikanische Dichter Ezra Pound, der zeitgleich für den Literaturnobelpreis nominiert war, in der „Geschlossenen“ ein – leider keine Verschwörungstheorie. Dass bei Butter das Wort Macht kein einziges Mal vorkommt, geschenkt. Warum aber Akten zu vermeintlichen oder realen Verschwörungen nicht zugänglich sind, Sperrfristen immer wieder verlängert werden, Asservate verschwinden, sich Ermittlungspannen auftürmen und Zeugen massenhaft sterben, auch das wird mit keiner Silbe erwähnt. 

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring hat recherchiert, dass Butter selbst nicht nur Professor, sondern auch Vizechef von „Comparative Analysis of Conspiracy Theories“ ist, einem Projekt zur Analyse von Verschwörungstheorien, finanziert von der EU. Hundert dieser „Konsensanalytiker“ treffen sich im Mai im holländischen „Hotel Bilderberg“. Na dann Wohlsein! In Talkshows wird Butter demnächst bestimmt Dauergast, wetten, dass?

Michael Butter: „Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien“, Edition Suhrkamp, Berlin 2018, broschiert, 271 Seiten, 18 Euro