24.04.2024

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27.04.18 / Berlin-Plötzensee

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-18 vom 27. April 2018

Berlin-Plötzensee
Vera Lengsfeld

Dieser Teil Berlins ist nicht (mehr) wegen seines schönen Badesees bekannt, sondern als Hinrichtungsanstalt der Nationalsozialisten. Namhafte Vertreter des bürgerlichen Widerstands befanden sich unter den 2891 Menschen, die hier in den zwölf Jahren des nationalsozialistischen Terrors ermordet wurden.

Am 14. Mai 1941 wurde der aus Neuenburg (Schweiz) stammende Maurice Bavaud in einem Geheimprozess vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und durch das Fallbeil hingerichtet. Bavaud gestand, nach Deutschland eingereist zu sein, um den Führer am 9. November 1938 beim Gedenkmarsch zum Münchner Hitlerputsch zu erschießen. Er erklärte beiläufig, der neue Wilhelm Tell zu sein. Dass sich ein neuer Tell an Hitler vergreifen könnte, war den Schweizer Behörden, die sich nie durch besonderen Mut ausgezeichnet hatten, sehr peinlich und sie unternahmen nichts, um den jungen Helden vor seiner Hinrichtung zu bewahren. Es wurde von der Schweiz kein Begnadigungsgesuch an die NS-Behörden gerichtet. Bavaud gehört zu einer Linie von Helden wie Georg Elser (Attentatsversuch vom 8. November 1939) und von Claus Schenk Graf von Stauffenberg (misslungenes Attentat vom 20. Juli 1944), die ihren Mut mit ihrem Leben bezahlten.

Mit der Verurteilung Bavauds fielen auch Friedrich Schiller und dessen Werk bei den Nationalsozialisten in Ungnade. War Wilhelm Tell für sie früher ein Freiheitsheld (der Sage nach war Tell ein Klimaflüchtling aus dem vor Überflutungen bedrohten Nordsee-Raum) so betrachteten sie ihn plötzlich als einen Terroristen. Als Reaktion auf Bavauds Attentatsversuch wurde auf persönlichen Befehl Hitlers die Aufführung von Schillers Drama Wilhelm Tell in Deutschland sowie dessen Behandlung im Schulunterricht verboten. Eine Assoziation zwischen dem Schweizer Freiheitskämpfer und dem Attentäter sollte so vermieden werden. Der Schriftsteller Niklaus Maienberg setzte dem jungen Neuenburger ein Denkmal.

Die deutsche Justiz hatte sich auch nach 1945 mit Maurice Bavaud zu befassen: Ein durch seinen Vater angestrengter Versuch zur Rehabilitation endete am 12. Dezember 1955 mit einem Urteil des Landgerichts Berlin-Moabit, das seine Todesstrafe aufhob. Aber es blieb eine Verurteilung wegen versuchten Mordes zu fünf Jahren Zuchthaus und zu fünf Jahren Verlust der bürgerlichen Ehre bestehen. In der Urteilsbegründung hieß es: „Das Leben Hitlers ist … in gleicher Weise als geschütztes Rechtsgut anzuerkennen, wie das Leben eines jeden anderen Menschen. Ein Rechtfertigungsgrund im Sinne einer etwa erlaubten Diktatorentötung ist dem Strafrecht fremd.“

Die Justiz sollte den bevorstehenden Jahrestag der Hinrichtung Bavauds zum Anlass nehmen, dieses Urteil zu revidieren!