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27.04.18 / Gegenwind / »Weiterhin in Richtung staatlicher Zensur«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-18 vom 27. April 2018

Gegenwind
»Weiterhin in Richtung staatlicher Zensur«
Florian Stumfall

Die Politikerin, Publizistin und PAZ-Kolumnistin Vera Lengsfeld hat mit ihrer „Gemeinsamen Erklärung 2018“ eine Lawine losgetreten. Sie fordert in kurzen und moderaten Worten die Wiederherstellung rechtstaatlicher Verhältnisse an Deutschlands Grenzen, und mit ihr tun das mittlerweile an die 150000 Unterzeichner. Unter diesen war auch der Verleger des LIT-Verlages, Dr. Wilhelm Hopf. War – denn er hat seine Unterschrift zurückgezogen.

Der Grund für den Widerruf muss zu denken geben: Hopf hatte sich wegen seiner Unterschrift Pressionen ausgesetzt gesehen, die seine wirtschaftliche Grundlage zu zerstören drohten. Der bekannte Historiker Jörg Baberowski äußerte dazu: „Noch vor Jahren hätte ich es für unmöglich gehalten, dass in Deutschland Menschen, die anderer Meinung sind, öffentlich gedemütigt und zu entwürdigender Selbstkritik gezwungen werden. Diese Hetzkampagne gegen einen Verleger, der eine harmlose Erklärung unterschrieben hat, erinnert mich an finstere Zeiten.“ Baberowski weiß, wovon er spricht, er ist als Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Experte für den Stalinismus.

Dies ist nur ein prominentes Beispiel für den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland im Jahr 13 der Ära Merkel, wenn auch ein sehr eindringliches. Doch auch scheinbar kleine Anzeichen lassen erkennen, dass die freie Meinungsäußerung nicht mehr so hoch im Kurs steht, wie das einmal war. So befand vor Kurzem die Kanzlerin, es sei an der Zeit, die Debatte über den Islam zu beenden. Verständlich – da ist die Rede von ihren Gästen und das nicht immer mit freundlichem Unterton. Bloß: Wie kommt Merkel dazu vorzugeben, worüber gesprochen werden darf und worüber nicht? Die Kanzlerin sollte wissen, dass zur Meinungsfreiheit nicht nur gehört, dass man inhaltlich nicht beeinträchtigt wird, sondern auch, dass man selbst entscheiden kann, worüber man spricht.

Allerdings ist spätestens seit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz des unseligen Heiko Maas, dem Merkel in der Zwischenzeit die Repräsentation Deutschlands anvertraut hat, klar, dass der einschlägige Grundgesetzartikel 5, der das Recht der freien Meinungsäußerung garantiert, in seiner Substanz beschädigt ist. Wer gesetzlich festschreibt oder es auch nur zulässt, dass private, mit der Rechtspflege nicht betraute Stellen verbindliche Urteile darüber fällen, was im Internet veröffentlicht werden darf und was nicht, hat die Axt an die Wurzel der Meinungsfreiheit gelegt. 

So hat noch bevor das Gesetz in Kraft getreten ist, der Sonderbeauftragte der UN für die Meinungsfreiheit, David Kayne, öffentlich Bedenken gegen das Machwerk geäußert. Die Eingriffe in die Meinungsfreiheit verstießen eindeutig „gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“. Diesem Pakt ist auch Deutschland beigetreten, doch das bleibt Formalie: Das Gesetz ist in Kraft, und die Regierung wendet sich anderen Dingen zu.

Maas und Merkel, die das in gemeinschaftlicher Täterschaft vollbracht haben, lassen so erkennen, dass ihnen eine der fundamentalen Grundfreiheiten des Menschen nicht viel bedeutet; aktuelle Zweck-mäßigkeit geht über grundsätzliches Recht, taktisches Kalkül über ordnungspolitische Vorgaben. Überflüssig fast zu bemerken, dass die Regierung Merkel darin Gesinnungsgenossen bei der EU-Bürokratie findet.

Eine neue Richtlinie angeblich zum Verbraucherschutz wird es den nationalen Behörden ab dem Jahr 2020 ermöglichen, den Zugang zu missliebigen Seiten im Internet zu sperren. Dies soll geschehen, so die Erklärung, „um das Risiko einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu verhindern“. Behörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder das Luftfahrt-Bundesamt sollen zu diesem Eingriff legitimiert werden, wenn auch nicht zu ersehen ist, was diese Ämter mit dem Verbraucherschutz zu tun haben. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin meint denn auch: „Dass fachfremde Behörden wie das Eisenbahn-Bundesamt zukünftig über die Einführung von Netzsperren entscheiden können, ist absurd. Mit der EU-Verordnung bewegen wir uns weiterhin in Richtung staatlicher Zensur.“

Ermuntert durch derlei Initiativen der Obrigkeit, hat die Video-Plattform Youtube beschlossen, gewisse Beiträge als „Verschwörungstheorien“ zu kennzeichnen und Texte aus Wikipedia anzufügen, die dem Inhalt des Beitrags widersprechen. Die Entscheidung, welche Texte gebrandmarkt werden sollen, fällt natürlich nicht auf dem Rechtsweg, sondern in der Willkür des Gespanns Youtube/Wikipedia. Meinungsfreiheit? Ja, eigentlich schon, aber nur unter Vorbehalt und auf Widerruf.

Anspruch auf das Recht, die Vertrauenswürdigkeit einer Nachricht festzustellen, beanspruchen auch die „Reporter ohne Grenzen“. Sie haben eine Arbeitsgruppe mit dem Namen JTI (Journalism trust initiative) eingerichtet, die bis 2019 ein Regelwerk ausarbeiten soll, wonach dann die Vertrauenswürdigkeit von Medien bestimmt wird. Das soll bewirken, dass nicht mehr einzelne Nachrichten auf ihre Richtigkeit überprüft und gegebenenfalls mit dem Gütesiegel ausgezeichnet werden, sondern nun fallen ganze Portale, Presseorgane oder Verlage dem Verdikt zum Opfer, wenn sie sich nicht an die vorgegebene Generallinie halten. Die Journalisten, die in der Arbeitsgruppe zusammenwirken sollen, stammen ihrerseits aus den Systemmedien, sodass sich ihre Bemühungen darin erschöpfen werden, diejenigen Autoren oder Organe auszusortieren, die nicht im Gleichschritt marschieren.

Davon, wie so etwas Gestalt annimmt, haben kürzlich die „Welt“ und die „Zeit“ ein Beispiel gegeben. Die „Welt“ titelte: „Rechts? Deutsche Schriftsteller im Schnell-Check“, die „Zeit“ hatte die Vorgabe mit der Frage geliefert: „Was ist heute konservativ?“ Zweck des koordinierten Vorgehens war es, selbständig denkende und arbeitende Autoren zu diskreditieren und mit dem Label „rechts“ abzustempeln. Den Nachweis der Gleichschaltung nicht erbracht = durchgefallen.

Die Methode, Nachrichten, die der allgemeinen, zulässigen Auffassung entgegenlaufen, als „Fake News“ abzufertigen, ist natürlich auch der EU-Bürokratie geläufig. Schließlich eignet sie sich vorzüglich dazu, eine Zensur unterhalb der Schmerzgrenze einzuführen, indem man die Sorge um das geistige Wohl der Bürger als Rechtfertigung vorschützt. Deshalb empfiehlt die EU-Kommission einen Prinzipien-Kodex für soziale Netzwerke. Diese sollen verpflichtet werden, „vertrauenswürdige Informationen herkömmlicher Medien“ zu bevorzugen. Mit anderen Worten: Was nicht Mainstream ist, ist verdächtig und gehört getilgt. 

Eindeutig ist das Menschenbild, das sich hinter solchen Machenschaften verbirgt: das des auch geistig betreuten, seines eigenen Urteils enthobenen und einer risikofreien Kritiklosigkeit anempfohlenen Menschen, der für die Anwendung des Rechts auf freie Meinungsäußerung gar keinen Anlass noch Bedarf sieht.

Antrieb dieser Entwicklung ist die stets und lückenlos wirkende Politische Korrektheit, der eine Reihe von Keulen zur Verfügung steht, die reihum Anwendung finden – der Vorwurf der Rechtslastigkeit, der Islamo- oder Schwulophobie, des Russen-Verständnisses, des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und andres mehr. Kennzeichen des ganzen Komplexes um die Meinungsfreiheit ist, dass, wer vom System abweicht, jede Möglichkeit der Rechtfertigung verliert, und die Anklagen gegen ihn keiner Beweise bedürfen. So wird der Rechtstaat ein weiteres Mal geschädigt.