Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/header.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 25
27.04.18 / Wo das Gangstertum zur Ikone wurde / Weil sie meist »Minderheiten« angehören, werden Gewalt und Frauenverachtung bei »Gangsta-Rappern« hingenommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-18 vom 27. April 2018

Wo das Gangstertum zur Ikone wurde
Weil sie meist »Minderheiten« angehören, werden Gewalt und Frauenverachtung bei »Gangsta-Rappern« hingenommen
Dirk Pelster

Groß war die Aufregung über die „Echo“-Verleihung an zwei Rapper, die Auschwitz-Opfer verhöhnt haben. Eine Auseinandersetzung damit, was „Gangsta-Rap“ im Ganzen bedeutet und wofür er steht, bleib jedoch abermals aus.

Am 12. April gab sich die selbsternannte kulturelle Elite der Bundesrepublik anlässlich der alljährlichen Verleihung des Musikpreises „Echo“ wieder mal ein pompös ausgerichtetes Stelldichein in der Messe Berlin. Das öffentliche Interesse an dieser aufdringlich inszenierten Veranstaltung hatte zuletzt spürbar nachgelassen. Bis vor wenigen Jahren sahen sich mehr als vier Millionen Zuschauer die Preisvergabe im Fernsehen an. 2017 war es nur noch etwas mehr als eine Million.

Im Kampf gegen ihre wachsende Bedeutungslosigkeit sind Musikindustrie und etablierte Medien daher spürbar darum bemüht, im Vorfeld der Echo-Verleihungen die öffentliche Aufmerksamkeit anzufachen. War es 2017 ein Eklat um die publikumswirksam zelebrierte Ausladung der angeblich politisch zu weit rechts stehenden Band „Frei.Wild“, so wurde dieses Jahr ein vermeintlicher Antisemitismusskandal aufgeblasen. 

Die unter den Künstlernamen „Farid Bang“ und „Kollegah“ firmierenden Rap-Interpreten hatten in einer Textzeile ihres aktuellen Sprechgesanges ihren Körper als besser definiert beschrieben als der eines Auschwitzinsassen. Speziell gegen Juden selbst richtete sich der Text zwar überhaupt nicht, jedoch setzten im Blätterwald schon kurz nach Bekanntgabe der Nominierung der beiden Rapper die erwartbaren Reflexe einer immer angestrengter wirkenden Political Correctness ein. 

Für die Einschaltquoten erwies sich der inszenierte Knall in der Echokammer des Mainstreams als förderlich. Rund eine halbe Millionen Zuschauer mehr als im vergangenen Jahr verfolgten die Preisverleihung am Bildschirm.

Wer sich jedoch über die inkriminierte Wortwendung hinaus näher mit dem Text des Liedes „0815“ von „Farid Bang“ und „Kollegah“ befasst, wird feststellen, dass es bei weitem nicht die geschmackloseste Passage dieses ansonsten von Gewalt-, Sexual- und Allmachtsphantasien strotzenden Stückes ist. Auch für alle anderen Werke der beiden und eigentlich für das gesamte Genre des sogenannten Gangsta-Rap ist die Beschwörung von Gewalt und die Reduzierung von Frauen auf schnell verfügbare Sexobjekte kennzeichnend. Präsentiert werden diese Inhalte meist mit äußerst vulgären Begriffen und in einer reduzierten Sprache, wie sie typischerweise bei Immigranten oder ethnischen Minderheiten in Gebrauch ist.

Entwickelt hat sich die Musikrichtung in den Ghettos der USA. Der Rap, ein rhythmischer Sprechgesang, kann auf eine lange Tradition unter der schwarzen Bevölkerung Amerikas zurück­blicken. Seine Wurzeln reichen möglicherweise schon auf westafrikanische Ursprünge zurück. Während Sprechgesänge in schwarzen Kirchengemeinden seit den 1920er Jahren überliefert sind, findet eine Verbindung von Rap mit dem kriminellen Milieu erst ab den 70er Jahren statt.

Mit dem Aufkommen der Hip-Hop-Kultur in US-Großstädten werden Kriminalität, Drogen und Gewalt zunehmend die prägenden Inhalte der Rap-Musik. In dieser Subkultur wurden auch eigene Tanzformen und ein besonderer Dresscode entwickelt. Turnschuhe, Baseballmützen, bunte und weit geschnittene Sportbekleidung gehören zum typischen Kleidungsstil schwarzer und seit den 80er Jahren zunehmend auch weißer Jugendlicher in den USA und weltweit. Teilweise findet sich in diesen modischen Erscheinungen auch eine Reminiszenz ans kriminelle Milieu, aus dem die Hip-Hop-Kultur einst entstand. So erklärt sich das Tragen der bei Rappern beliebten tiefsitzenden Hosen ursprünglich damit, dass Straftätern von der Polizei zur Abwendung eines möglichen Selbstmordversuches bei ihrer Verhaftung der Gürtel abgenommen wird, was dann meist zu einem Herabrutschen des Beinkleides führt.

Die Interpreten Schooly und  Ice-T verhalfen dem Gangsta-Rap Mitte der 80er Jahre schließlich zum Durchbruch. Sie besangen ihr Leben als Gangmitglied oder verherrlichten die Zuhälterei. Ab da begann auch die Kommerzialisierung. Immer wieder wurde versucht, dem Gangsta-Rap eine sozialkritische Note zu verleihen und ihn in Zusammenhang mit der Schwarzenbewegung in Amerika zu stellen. Tatsächlich dürfte heute die Mehrheit der Konsumenten der Rapmusik aus Jugendlichen der weißen Mittelschicht bestehen, was unter Afroamerikanern immer wieder zu heftigen Kontroversen führt.

Mitte der 90er Jahre verbreitete sich das Phänomen Gangsta-Rap dann in Deutschland. Beliebt war dieses Genre vor allem bei Jugendlichen aus binationalen Familien. Sieht man sich die typischen Biographien hierzulande erfolgreicher Rapper an, so fällt auf, dass die Mehrzahl ohne Vater aufwuchs. Meist verließ der aus dem Ausland stammende Vater seine deutsche Frau und das gemeinsame Kind schon kurz nach dessen Geburt. 

Kennzeichnend für deutsche Gangsta-Rapper ist auch, dass sie – anders als ihre schwarzen US-Vorbilder – in der Regel selbst über keine nennenswerte kriminelle Vergangenheit verfügen. Eine der wenigen Ausnahmen dürfte der unter dem Namen Deso Dogg bekannte Kleinkriminelle Denis Cuspert sein. Nach Erfolgen um das Jahr 2005 ließ ihn sogar die ARD seine Lieder für einen ihrer Filme vortragen. Damals rappte er noch Lieder mit dem Titel „Kanaken regieren Deutschland“. Nach mehreren Aufenthalten in Psychiatrien und Haftanstalten schloss er sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ an und verließ die Bundesrepublik in Richtung Naher Osten.

Die Inhalte vieler Stücke des Gangsta-Raps lassen sich daher durchaus aus dem Lebenslauf ihrer Interpreten erklären. Die offene Zurschaustellung einer völlig übertriebenen und ungeerdeten Männlichkeit kann zumeist auf das Fehlen eines realen väterlichen Vorbildes zurückgeführt werden. Auch das Beschwören von Gewalt- und Allmachtsphantasien, als Kompensation für erfahrene Zurückweisung, kann als Beleg hierfür gelten. Doch in diesen Biographien liegt nicht nur die Erklärung für ihren musikalischen Werdegang, sondern zugleich das Geheimnis ihres Erfolges und den ihres Genres. 

Während in Deutschland ansonsten alles dem Bannstrahl der gesellschaftlichen Ächtung unterfällt, was allzu maskulin daherkommt, Gewalt beschönigt und im Verruf steht, frauenfeindlich zu sein, sieht man hierüber nicht nur gezielt weg, sondern man wertet das Phänomen Gangsta-Rap in den Mainstream-Medien bewusst und positiv auf. 

Wer Herkunft und Kindheit prominenter Gangsta-Rapper, wie Sido, B-Tight, Bu­shido, Deso Dogg und zahlreicher anderer, mit denen von Profifußballern, wie Boateng oder Owomoyela, vergleicht, der kommt einer Erklärung für diesen doch bemerkenswerten Umstand vielleicht etwas näher. Während medial verwertbare Integrationserfolge von in Deutschland geborenen Immigrantenkindern im wissenschaftlichen, ökonomischen oder schriftstellerischen Bereich nach wie vor Mangelware sind, lassen sich beim Profisport und in der Musikindustrie zahlreiche Beispiele finden, wie man es selbst aus den zerrüttetsten Verhältnissen noch bis zum gefeierten Massenidol schaffen kann. Seitdem in der Fußballnationalmannschaft eine gehörige Anzahl von Spielern mit Migrationshintergrund kickt, können sich plötzlich auch solche gesellschaftlichen Kreise für ein Länderspiel begeistern, denen das ausgelassene öffentliche Zeigen der Nationalfarben ansonsten immer ein Gräuel war. Anders als bei Sportlern, bedarf es bei Gangsta-Rappern sogar überhaupt keiner besonderen Talente, um kommerziell erfolgreich zu sein. Selbst eine kriminelle Vergangenheit oder unzureichende Deutschkenntnisse können hier – anders als allgemein bei Einwanderern – für die Karriere eher förderlich sein. Die reine Höhe der Verkaufszahlen von Tonträgern eines Interpreten aus einem subkulturellen Genre kann daher so doch noch als Ausweis von dessen gelungener gesellschaftlichen Integration umgedeutet werden.