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04.05.18 / Thomas Mann ante portas / Das Buddenbrookhaus und die Stadt Lübeck präsentieren sich als »Herzensheimat«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-18 vom 04. Mai 2018

Thomas Mann ante portas
Das Buddenbrookhaus und die Stadt Lübeck präsentieren sich als »Herzensheimat«
Andreas Guballa

Düsterer kann eine Familiengeschichte kaum ausfallen: Das stolze Patriziergeschlecht der Buddenbrooks, im Getreidehandel zu Geld und Macht gelangt, wird binnen dreier Generationen fast vollständig ausgelöscht. Lange zögert Thomas Manns Verleger, bevor er das Buch Anfang 1901 in den Druck gibt. Nach anfänglich schleppendem Verkauf waren Kritik wie Leser von dem Roman immer begeisterter. Nur in Lübeck, wo der Roman spielt, fühlte man sich von der bedrückenden Verfallsgeschichte beleidigt. Mann wurde fünf Jahrzehnte lang zur Persona non grata. Das Buddenbrook-Haus zeichnet nun in einer großen Jubiläumsausstellung zum 25-jährigen Bestehen als Literaturmuseum die lebenslange Be­schäftigung des Schriftstellers mit der eigenen Herkunft nach.

„Er war in Lübeck; ein Dichter, der Heimweh hatte. Ganz aus eigenem Entschluß, aus einer Herzensregung und ohne eine offizielle Einladung ist er in seine Vaterstadt gekommen, nur für ein paar Stunden. Der große alte Thomas Mann ...“ – das schrieben die „Lübecker Nachrichten“ über den Besuch des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers in seiner Heimatstadt Lübeck am 10. Juni 1953. 

Das Verhältnis der Stadt und der Lübecker zu Mann war über viele Jahrzehnte durchaus wechselvoll. Das Erscheinen der „Buddenbrooks“ hatte heftige Kritik und Anfeindungen gegen den Autoren ausgelöst. „Es kursierte eine Liste, die die lebenden Vorbilder identifizierte und die eine Lübecker Buchhandlung ihrer Kundschaft auslieh“, so Birte Lipinski, Leiterin des Buddenbrook-Hauses. 

Die Stadt und ihre Bürger – vom Kontor-Angestellten über den Pastor bis zum Zahnarzt – sahen sich im Buch verunglimpft und lächerlich gemacht. Da half es wenig, dass Lübeck im Roman nie explizit genannt wird – und schon gar nicht halfen Thomas Manns Beteuerungen von 1906, es handle sich nur um die „Äußerungen eines Künstlers“, dessen Freiheit man nicht stören möge „mit Klatsch und Schmähungen“. 

Das daraus resultierende Verhältnis der Anspannung überdauerte sogar die Nobelpreisverleihung und währte alles in allem immerhin gut fünf Jahrzehnte. „Am Ende eines mühsamen Prozesses der Wieder-Annäherung und der Aussöhnung, die von beiden Seiten Zugeständnisse erforderte, stand im Jahr 1955 die Verleihung der Ehrenbürgerwürde, die aber trotz aller Aussöhnung noch immer von erheblichen politischen und gesellschaftlichen Kontroversen begleitet war“, erklärt Lipinski, die seit 2014 die Verantwortung für das Heinrich- und Thomas-Mann-Zentrum trägt. Seitdem sei deutlich Entspannung eingetreten, und heute sähen die Lübecker „ihren“ Mann mit Stolz, Respekt, Bewunderung und Liebe. 

An der Mengstraße 4 verwischen heute die Grenzen zwischen Realität und Roman. „Man saß im Landschaftszimmer, im ersten Stockwerk des weitläufigen alten Hauses an der Mengstraße, das die Firma Johann Buddenbrook vor einiger Zeit käuflich erworben hatte“, heißt es zu Beginn der „Buddenbrooks“. Hier setzt die Handlung des Romans an einem Donnerstag im Oktober 1835 ein. Genau in jener Etage, welche Mitte des 19. Jahrhunderts die Großeltern des Autors bewohnten. 

Hinter der weißen Ba­rock­fassade aus dem Jahr 1758 mit ihren vier hochgezogenen Parterrefenstern verbirgt sich seit 25 Jahren eines der er­folgreichsten Literaturmuseen der Welt, in dem nicht nur die Ge­schichte der Buddenbrooks le­bendig wird, sondern auch das Leben der noch heute faszinierende Dichterfamilie Mann. Das soll vom 7. Mai an mit der großen Jubiläumsausstellung „Herzensheimat. Das Lübeck von Heinrich und Thomas Mann“ ausgiebig gefeiert werden. 

Die bis zum 18. November laufende Ausstellung zeigt die le­benslange Beschäftigung Manns mit der eigenen Herkunft. An­schließend wird das Buddenbrookhaus, in dem bis 1990 eine Bank untergebracht war, baulich um sein Nachbargrundstück erweitert und er­hält eine völlig neue Dauerausstellung. Hinter den beiden historischen Fassaden soll ein moderner Museumsbau mit rund 2500 Quadratmetern Nutzfläche entstehen. Der Baubeginn ist für das Jahr 2019 geplant, die Kosten werden auf rund 18 Millionen Euro geschätzt. 

Der Entwurf zeichne sich durch viel Gefühl für den Standort und die Tradition des Hauses, aber auch durch einen Blick in die Zukunft aus, so Museumsleiterin Lipinski. Thomas Mann wäre heute stolz auf seine Heimatstadt.

Besonders in diesem Jahr lohnt sich ein Besuch an der Trave. Denn Lübeck wird 875 Jahre alt  und feiert ein Jahr lang das Stadtjubiläum. Mehr als 100 Veranstaltungen rund um Kunst, Kultur und Geschichte stehen auf dem Jubiläumsprogramm und laden Gäste aus nah und fern zu einem Städtetrip in die Hansestadt ein. Be­sondere Höhepunkte sind das „HanseKulturFestival“ (8. bis 10. Juni) und die „Lange Nacht der Lübeck Literatur“ am 29. Juni. Herzstück aber ist die Ausstellung „875 Jahre – Lübeck erzählt uns was“, die Lübecks Stadtgeschichte im Museumsquartier St. Annen und im Europäischen Hansemuseum vorstellt (9. September bis 6. Januar).


Ausführliche Infos unter www.luebeck-hat-geburtstag.de