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04.05.18 / Südafrikas Aborigines begehren auf / Weder die Weißen noch die Schwarzen waren zuerst am Kap – Die Khoi-San wollen nicht länger im Schatten stehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-18 vom 04. Mai 2018

Südafrikas Aborigines begehren auf
Weder die Weißen noch die Schwarzen waren zuerst am Kap – Die Khoi-San wollen nicht länger im Schatten stehen
Wolfgang Reith

Vertreter der schwarzen Bevölkerungsmehrheit in Südafrika inszenieren ihre Volksgruppe gern als die Urbevölkerung der Region. Doch dieser Anspruch sei ohne Grundlage, entgegnen die Sprecher der Khoi-San, einst Hottentotten genannt. Sie pochen nun auf ihre Rechte. 

Als im Jahre 1652 die Niederländer am Kap der Guten Hoffnung landeten, war das Kapland keineswegs menschenleer, wie man später in der südafrikanischen Geschichtsschreibung oft lesen konnte. Wahr ist wohl, dass zu jener Zeit noch keine Schwarzen die Regionen an der Südspitze Afrikas bevölkerten. 

Stattdessen lebten in den dünn besiedelten Landstrichen die hellhäutigen Ureinwohner des Kontinents, nämlich die als Jäger und Sammler umherstreifenden San, damals Buschleute genannt. Außerdem zogen die viehhaltenden Khoikhoi oder Khoekhoe (in der Übersetzung „eigentliche Menschen“) als Wanderhirten durch die Gegend. 

Die Niederländer tauften die Ureinwohner wegen der Schnalz- und Klicklaute  in deren Sprachen „Hottentotten“. Doch nicht bloß die Sprachen beider Völker sind sehr ähnlich, sie sind auch sonst eng verwandt. Die Schnalz- und Klicklaute wurden später sogar von einzelnen schwarzen Ethnien übernommen, die sich nach ihrer Einwanderung ins südliche Afrika mit der Urbevölkerung vermischten.

Die San verteilen sich vornehmlich auf drei Gruppen, die Khomani, die !Xun und die !Khwe. Die Khoikhoi bestanden ursprünglich aus vier Gruppen, nämlich den Griqua, den Nama, den Koranna und den Cape Khoi. Heute werden beide Volksgruppen, welche sozusagen die Aborigines Südafrikas bilden, unter der Bezeichnung Khoi-San (auch Khoisan oder Khoesan) zusammengefasst, eine Wortschöpfung des Anthropologen Leonhard Schultze, der das Wort 1928 erstmals verwendete. 

Doch obwohl vereinzelt noch die alten Sprachen existieren, verständigen sich die Khoi-San untereinander auf Afrikaans, weil sie über Jahrhunderte hinweg Kontakte zu den Niederländern pflegten, aus deren Sprache Afrikaans entstand. Während der Zeit der Apartheid galten die Khoi-San ethnisch als Farbige oder Mischlinge, und auch heute noch werden sie als solche klassifiziert, wogegen sie sich immer wieder wehren. 

Die Zahl der südafrikanischen Farbigen beträgt derzeit rund vier Millionen (8,9 Prozent der Gesamtbevölkerung). Die Mehrheit davon besteht aus einer Mischbevölkerung, die sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hat. Eingeschlossen sind etwa 200000 Kapmalaien, Nachkommen von Arbeitssklaven, welche die Niederländer ab dem 17. Jahrhundert aus ihren ostasiatischen Besitzungen importierten und die fast ausnahmslos muslimischen Glaubens sind. 

Die tatsächliche Zahl der Khoi-San allein in Südafrika ist nicht bekannt und wird statistisch auch nicht erfasst, doch soll es sich nach inoffiziellen Schätzungen um etwa 2400 Khoi und 4500 San handeln, die vornehmlich im Westkap und im Nordkap leben. Im südlichen Afrika insgesamt dürfte es dazu noch ungefähr 100000 Khoi-San geben, die sich hauptsächlich auf Botswana, Namibia und Angola verteilen. Der Lebensraum aller südafrikanischen Farbigen beschränkt sich weitgehend auf die Provinz Westkap, wo sie fast die Hälfte der Einwohner ausmachen und damit die stärkste Bevölkerungsgruppe bilden.

In der Darstellung Südafrikas bleibt leider immer wieder unberücksichtigt, dass es zunächst die Weißen waren, die am Kap auf die Ureinwohner trafen und sich zum Teil mit ihnen vermischten, während die Masse der Schwarzen erst ab 1770 von Norden her ins Land einwanderte. 

Die Forderung der Khoi-San nach Gleichberechtigung ihrer Kulturen ist daher durchaus verständlich. Trotzdem hatte man sie in der Verfassung von 1996 schlichtweg „vergessen“, denn unter „traditionellen Völkern“ verstand man ausschließlich die Schwarzen, was auch darin zum Ausdruck kam, dass neben Englisch und Afrikaans nur neun Sprachen schwarzer Völker offiziell anerkannt wurden. 

Präsident Nelson Mandela gründete erst 1999 den National Khoi-San Council (NKC) als Vertretung der Urbevölkerung. Doch im Volksgruppengesetz (Traditional Leadership and Governance Framework Act) von 2003 fanden die Ureinwohner wieder keine Berücksichtigung. So kämpften sie weiter um die – in der Verfassung garantierten – Rechte, und erst im September 2015 wurde ein entsprechendes Gesetz in die Nationalversammlung eingebracht (Traditional and Khoi-San Leadership Bill), das den Vorläufer von 2003 ersetzte. 

Danach sollen auf nationaler Ebene alle Volksgruppen der Schwarzen und der Khoi-San Repräsentanten in die südafrikanische Volksgruppenvertretung „National House of Traditional and Khoi-San Leaders“ entsenden, außerdem gibt es entsprechende Vertretungen in den Provinzen sowie auf kommunaler Ebene. Es dauerte dann mehr als zwei Jahre, bis das Gesetz am        7. November 2017 endgültig verabschiedet wurde, doch steht noch die Zustimmung der zweiten Parlamentskammer, des Nationalrats der Provinzen aus.

Obwohl der damalige südafrikanische Vizepräsident und heutige Präsident Cyril Ramaphosa im Dezember 2017 erklärte, dass mit dem Gesetz das Recht der Khoi-San auf ihr Erbe respektiert werde, geben diese sich nicht damit zufrieden, sondern fordern darüber hinaus den Status als „First Nation“ oder „First Citizens“ („Erstes Volk“ oder „Erste Bürger“), wie ihn die „UNO-Deklaration über die Rechte indigener Völker“ von 2007 beschreibt. Um schließlich auch eine Rück­gabe von Land einzuklagen, wandten sich die Vertreter der Khoi-San im Dezember 2015 an die Südafrikanische Menschenrechtskommission, die eine zweitägige Anhörung anberaumte. Unterstützung kam dabei von einem südafrikanischen Institut, das sich der Wiedereinsetzung von Ureinwohnern in deren Rechte widmet.

Weil ihm der Gesetzgebungsprozess zu lange dauerte und die Regierung in Pretoria weitere Zugeständnisse nach wie vor ablehnt, entschloss sich König Khoebaha Calvin Cornelius III, Oberhaupt des Königshauses der Khoi-San, im September 2017         zu einem außergewöhnlichen Schritt: Er rief im Kapstädter Kastell feierlich den „United State of Good Hope“ aus und erklärte damit die Abspaltung von der Republik Südafrika. 

Das Territorium dieses Gebildes soll die gesamte Westhälfte Südafrikas umfassen, also die ursprünglichen Siedlungsgebiete der Khoi-San bis zur Ankunft der Weißen und der Schwarzen. Sogar eine eigene Flagge existiert schon. In diesem Zusammenhang sei übrigens daran erinnert, dass das Motto des Staatswappens der Republik Südafrika aus dem Jahre 2000 bereits in einer der San-Sprachen, nämlich der /Xam-Buschleute, formuliert wurde. Es lautet: „!ke e: /xarra //ke“, was in etwa „Verschiedenartiges, vereintes Volk“ bedeutet.