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04.05.18 / Brust oder Keule? / Deutsche Schlösserstiftungen laden »Zu Tisch« – Ehrgeiziges Veranstaltungsprojekt im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-18 vom 04. Mai 2018

Brust oder Keule?
Deutsche Schlösserstiftungen laden »Zu Tisch« – Ehrgeiziges Veranstaltungsprojekt im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres
Silvia Friedrich

„Essen und trinken müssen alle, egal ob Stallbursche oder König“, postulierte Hartmut Dorgerloh, der Generaldirektor der Stiftung  Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) in der Schlossküche zu Sanssouci in Potsdam. Im Kü­chentrakt des Ostflügels eröffnete der zukünftige Intendant des Humboldt-Forums mit „Zu Tisch! Genießen in Schlössern und Gärten“ sein letztes Ausstellungsprojekt als SPSG-Chef. 

Im Fokus dieses Beitrags zum „Europäischen Kulturerbejahr 2018“ steht das Verbindende in der europäischen Kultur. Wobei Fragen wie „Wo erkennen wir das europäische Erbe in unseren Städten, Dörfern und Kulturlandschaften wieder?“, „Was verbindet uns?“ und „Was können wir lernen?“ eine entscheidende Rolle spielen. Der deutsche Beitrag heißt Englisch „Sharing Heritage“, was etwa mit „Teilung des kulturellen Erbes“ zu übersetzen ist.

Allein in Deutschland finden über 1000 Veranstaltungen wie Ausstellungen, Projekttage, Foren und Führungen statt. Es gäbe viele kulturelle Themen, die Menschen interessierten und es wert wären, be­leuchtet zu werden, so Dorgerloh, der auch den Vorsitz führt im Verein Schlösser und Gärten in Deutschland, dem Initiator der Veranstaltungsreihe. 

Bei der Nahrungsaufnahme und allem, was damit verbunden ist,  handelt es sich um ein tief mit unserer Existenz verwobenes, hoch emotionales Sujet, das zudem sowohl mit Heimatgefühlen als auch mit Urlaubserinnerungen verbunden sein kann. „So einen speziellen Fokus hat es so konzentriert noch nicht ge­geben“, sagte Dorgerloh, „das bringt eine Menge neuer Erkenntnisse, stärkt das historische Be­wusstsein und macht uns im positiven Sinne satter und glücklicher.“ 

Rund 100 Schlösser, Burgen, Herrenhäuser, Klöster und Gärten beteiligen sich an dieser außergewöhnlichen Aktion. Kü­chen, Speise- und Festsäle, Orangerien, Wein- und Eiskeller öffnen die Tore und Pforten. So wird sowohl in fürstlichen Anwesen von Mecklenburg-Vorpommern als auch in solchen von Rheinland-Pfalz, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern gekocht, eingedeckt, getafelt und gespeist.

Auch die Partnerländer nehmen unter dem Motto „A Place at the Royal Table“ fast gleichzeitig an königlichen Tischen Platz. Im übertragenen Sinne, versteht sich. Das Publikum wird eingeladen, die Ursprünge herrschaftlicher Ge­nusskultur zu ergründen. Wie schlemmten die Herrschaften und mit welchem Geschirr? Was hatten Küche und Keller zu bieten? Wie waren die Tischsitten? Wer durfte mit wem am Tisch sitzen?

Quer durch Deutschland kann man so Einblicke ins „Eingemachte“ gewinnen. Hierzu werden auch Silberkammern geöffnet, die Geschichte des Speiseeises er­zählt, Modegetränke aus längst vergangenen Zeiten präsentiert und natürlich die oft dazu gehörende Tafelmusik nicht vergessen. 

Einen zentralen Höhepunkt bildet das „Europäische Picknick“ rund um den 23. Juni. Auf dem Gelände des traditionsreichen Schlosses Sanssouci wird es auf der Wiese unterhalb der Orangerie eine 270 Meter lange, weiß eingedeckte und von Gärtnern reich geschmückte Tafel geben, die zum Picknick unter freiem Himmel einlädt. Essen und Ge­tränke müssen von den maximal 1000 Besuchern, die bei diesem Festgelage Platz finden können, selbst mitgebracht werden. 

In Kooperation mit den Potsdamer Musikfestspielen wird das Pick­nick von fürstlicher Tafelmusik begleitet. So haben Besucher die Möglichkeit, einmal an einer fürstlichen Tafel barocken Ausmaßes Platz zu nehmen. Des Weiteren geben der „Hofkoch“ König Friedrichs Wilhelms IV., Ferdinand Andrea Tamanti alias Mi­chael Adam, und „Hofköchin“ Charlotte Retzloff alias Astrid Heiland-Vondruska mittels Führungen Einblicke in die Welt royaler Gaumenfreuden. 

Der „Romantiker auf dem Thron“ nutzte Schloss Sanssouci ab 1840 zusammen mit seiner Ge­mahlin Elisabeth von Bayern als Sommerresidenz. Ihm ist es zu verdanken, dass im Ostflügel des Schlosses neben anderen Wirtschaftsräumen eine Schlossküche eingerichtet wurde. Die damals als hochmodern geltende Ausstattung mit Warmwasserbereitung, Wärmeschrank und vor allem einer Kochmaschine wurde bis 1873 genutzt. Sein Vorfahr Fried­rich der Große ließ seine Menüs noch im Westflügel Sanssoucis zubereiten. Beide schätzten Au­stern, die hier reichlich auf die Teller kamen. „Bei Friedrich gab es alles, was Küche und Keller hergaben“, so Dorgerloh, denn der König sei ein ganz großer Esser gewesen. Allerdings hätte er immer zu schwer und zu fett gegessen, was dann im Alter in Gichtattacken mündete. „Es ging auch darum, dass man neue Dinge ausprobierte“, fügte der Schlösserdirektor hinzu. 

Friedrich habe in Sanssouci versucht, außereuropäische Delikatessen, vor allem Obst wie Melonen, Bananen und Ananas mit einem unglaublichen personellen und technischen Aufwand zu kultivieren. Des Königs Lieb­lingsobst waren jedoch nachweislich Kirschen. Eine Ausstellung in den Römischen Bädern mit dem Titel „Tischlein deck dich“ rundet das Programm in Potsdam ab. 

Vom 5. Mai bis 15. Juli werden in der Schau ausgewähltes Porzellan und Bestecke verschiedener Epochen zu sehen sein. Das Besondere jedoch ist, dass Menschen hier einen persönlichen Gegenstand einem breiten Publikum zugänglich machen können. Sahnelöffel oder Großmutters Suppenkelle kann man den Ausstellungsmachern leihweise überlassen. Es wird auch die Möglichkeit geben, Besuchern die Ge­schichte rund um den persönlichen Gegenstand zu berichten.

„In Fürstenzeiten sind Köche Spitzenbeamte gewesen, die europaweit wanderten und an den Höfen unterwegs waren“, sagte Dorgerloh. Vielleicht finden wir gerade auch deshalb in ganz Deutschland zentrale Elemente eines gemeinsamen europäischen Kulturerbes.

Alle Termine unter www.sharingheritage.de/veranstaltungen und www.sgd-zu-tisch.de