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04.05.18 / Mischung aus Lehrbuch und sarkastischer Polemik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-18 vom 04. Mai 2018

Mischung aus Lehrbuch und sarkastischer Polemik
Dirk Klose

Die Welt steht am Abgrund. Der Aufschwung seit der Krise von 2008 ist lediglich ein Aufschwung auf Pump. Das Euro-Experiment ist gescheitert, die krisengeschüttelten Staaten Südeuropas werden nie aus der Krise kommen, wenn sie im Euro-Raum verbleiben. Das allein von der Gier nach dem Geld getriebene Finanzkapital benötigtdringend wieder eine staatliche Regulierung, andernfalls wird die nächste Krise noch härter ausfallen als die von 2008. Und in der Dritten Welt gehören paradoxerweise einige der rohstoffreichsten Länder wie der Kongo oder Nigeria wegen der Gier ihrer Herrschenden und der sie stützenden internationalen Großkonzerne zu den ärmsten der Welt. 

Das sind nur einige Thesen aus dem fulminanten Buch „Kapitalfehler. Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen“ von Marc Friedrich und Matthias Weik. Die beiden Wirtschaftswissenschaftler hatten schon in den vergangenen Jahren Bücher mit ähnlich zugespitzten Thesen veröffentlicht, die längere Zeit auf den Bestsellerlisten standen, wohl ein Zeichen, dass doch viele Menschen ein Unbehagen in Sachen Wirtschaft und Finanzen spüren. Auf YouTube sind Fried-rich und Weik in mehreren Auftritten zu sehen, zwei sympathische junge Männer, die klug und genau argumentieren, und man nimmt ihnen ab, dass auch dieses Buch aus Sorge um unsere Zukunft geschrieben wurde.

Hier sehen beide in der Tat dunkle Wolken. Sie konzentrieren sich vor allem auf die Finanzwelt in den westlichen Industriestaaten. Der Finanzkapitalismus ist für sie geprägt durch eine „pathologisch übersteigerte Liebe zum Geld“, die jedes rationale wirtschaftliche Handeln nahezu ausschalte. Speziell auf Europas Finanzen eingehend, sagen sie dezidiert, das Experiment mit der gemeinsamen Euro-Währung sei gescheitert.  

Heftig kritisieren Friedrich und Weik auch die Politik der Europäischen Zentralbank und den „geldpolitischen Amoklauf des Mario Draghi“. Erinnert man sich an die Auslassungen des früheren IFO-Präsidenten Hans-Werner Sinn oder auch an manche kritischen Kommentare großer Zeitungen, dann liegen beide keineswegs daneben. Die Nullzinspolitik der EZB hat mittlerweile zu massiven Blasen an den Aktien- und Immobilienmärkten sowie zu erheblichen Krisen bei Lebensversicherern, Bausparkassen und in toto bei allen Sparern geführt. Wie eine Altersarmut heutiger Normal- oder gar Geringverdiener aufgefangen werden kann, weiß derzeit niemand. 

Beide Autoren verfolgen in „ruhigeren“ Abschnitten den Verlauf wirtschaftlicher Krisen, analysieren die sogenannten Kondratjewschen Wellen, wonach alle sieben Jahre Abschwung auf Aufschwung folgt, der nur aufgefangen wird, indem immer wieder Neues aufgesattelt wird, prangern die Verschwendungssucht der „Superreichen“, Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft und, wie schon erwähnt, die paradoxe Lage rohstoffreicher Entwick-lungsländer an. 

In der Summe ist das Buch eine Mischung aus volkswirtschaftlichem Lehrbuch und sarkastischer Polemik gegen Spekulanten und „kriminelle Elemente“ im Geldwesen, gegen die Untätigkeit der Politik und gegen die obszöne Geldgier in der Finanz- und Wirtschaftswelt. Ein mehrseitiger Forderungskatalog fasst alles Gesagte noch einmal konzentriert zusammen, ihm folgt ein hilfreiches Glossar finanztechnischer Fachausdrücke.

Mitunter kann einem beim Lesen angst und bange werden. Aber das bezwecken Friedrich und Weik gerade nicht, im Gegenteil, sie wollen aufrütteln: „Von oben wird sich nichts verändern, der Wandel muss von unten kommen... Was wir brauchen, ist ein neues System, das wieder auf den ethischen Werten basiert, die seit Generationen die Säulen der Zivilisation sind: Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Vertrauen, Nächstenliebe, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit und Demut. Das mag altmodisch und moralisierend anmuten, ist aber notwendig.“ Nur eine Utopie?

Matthias Weik/ Marc Friedrich: „Kapitalfehler. Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen“, Bastei Lübbe Verlag, Köln 2017, broschiert, 363 Seiten, 11 Euro