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11.05.18 / Bayern plant Erweiterung der Polizeiaufgaben / Starke Kritik seitens der Opposition – Andere Bundesländer haben ähnliche Pläne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-18 vom 11. Mai 2018

Bayern plant Erweiterung der Polizeiaufgaben
Starke Kritik seitens der Opposition – Andere Bundesländer haben ähnliche Pläne
Peter Entinger

In Bayern wird im Herbst ein neuer Landtag gewählt. Und Beobachter bekommen derzeit den Eindruck, im Freistaat sei die Demokratie in ernster Gefahr. Da gibt es Vertreter der Grünen, die sprechen von einem „Polizei- und Gesinnungsstaat“. Die CSU, die um ihre absolute Mehrheit fürchten muss, keilt zurück und bezichtigt die Opposition der Zusammenarbeit mit Verfassungsfeinden. 

Hintergrund des erbitterten Streits ist die geplante Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG), die derzeit nicht nur in Bayern diskutiert wird. Sicherheitspolitiker halten viele Regelungen für überholt und nicht mehr zeitgemäß. Kritiker der geplanten Neufassung befürchten, der Polizei könnten zu viele Rechte eingeräumt werden. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit diesem Thema wird beschäftigen müssen. Denn nach der fraktionslosen Landtagsabgeordneten Claudia Stamm erwägt auch die bayerische FDP eine entsprechende Klage. „Wir prüfen, ob eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht zulässig und begründet ist“, sagte der Vize-Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der „Augsburger Allgemeinen“. 

Zwar gibt es regional einige Unterschiede, doch im Kern geht es bei den neuen Gesetzen um eine Ausweitung polizeilicher Befugnisse. „Damit sind Grundrechtseingriffe in erheblich größerem Umfang möglich. Das gilt insbesondere in den Bereichen der technischen und heimlichen Überwachung wie etwa Videoüberwachung, Gesichtserkennung, automatischer Kennzeichenabgleich oder Telekommunikationsüberwachung“, so der Kriminologe Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum gegenüber dem ZDF. Weiterhin sehe man eine deutliche Vorverlagerung der Eingriffsbefugnisse, was unter dem Begriff der „drohenden Gefahr“ firmiere. „Drittens werden bestimmte Einheiten mit militärischen Mitteln ausgestattet, etwa mit Maschinengewehren und Handgranaten.“ Tatsächlich soll die Polizei im Kampf gegen Kriminalität und Terror künftig schon bei einer „drohenden Gefahr“ eingreifen können – wie es das Bundesverfassungsgericht bereits 2016 gebilligt hat. „Die Polizei braucht konkrete Hinweise, dass Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkungen absehbar sind“, beschwichtigt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gegen­über dem von der CSU herausgegebenen „Bayernkurier“. Erst dann wäre es den Beamten etwa erlaubt, Post sicherzustellen, Telefone abzuhören, Daten auszulesen, mit Drohnen Verdächtige zu filmen oder verdeckte Ermittler einzusetzen.

Im Freistaat sind die Auseinandersetzungen besonders erbittert. Die CSU hatte vor zwei Wochen eine Dringlichkeitssitzung des Landtags beantragt und eine „beispiellose Desinformationskampagne“ beklagt. Dem Bündnis „NoPAG“ warf er vor, mit linksradikalen Gruppierungen zusammenzuarbeiten, die im Verfassungsschutzbericht aufgeführt sind. Neben der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und dem „Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus“ sind in dem Bündnis „NoPAG“ auch die Grünen, die SPD und der Bayerische Journalistenverband vertreten sowie die Freie Deutsche Jugend – Gruppe München, die Interventionistische Linke und die Rote Hilfe. Es sei „absurd, dass SPD und Grüne immer wieder behaupten, dass die PAG-Novelle eine Gefahr für unseren Rechtsstaat darstellt, wenn sie nun Seite an Seite mit Linksextremisten und anderen verfassungsfeindlichen Organisationen gegen das PAG kämpfen“, erklärte die CSU. 

Einen Gesetzesentwurf nach bayerischem Modell gibt es auch im schwarz-gelb regierten Nordrhein-Westfalen. Dort gehört die oppositionelle SPD zwar ebenfalls zu den Kritikern, aber dafür kann sich CDU-Innenminister Herbert Reul der Unterstützung des Koalitionspartners FDP sicher sein. „In Bayern dagegen, in NRW dafür. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen“, schimpfen CSU und SPD gleichermaßen.

Doch auch die Genossen haben keine einheitliche Linie. In Bayern stehen sie an der Spitze des Widerstands, in Niedersachsen hat ihr Innenminister Boris Pistorius eine etwas liberalere Novelle auf den Weg gebracht. Ähnliche Vorgänge sind auch aus den ebenfalls einen SPD-Regierungschef besitzenden Bundesländern Bremen und Brandenburg zu hören. 

Experten warnen vor zu großem Aktionismus. Baden-Württembergs oberster Datenschützer, Stefan Brink, fürchtet eine Überforderung der Polizei: „Es gibt inzwischen den Anspruch, Straftaten im großen Umfang zu verhindern, möglichst alle Straftäter abzuschrecken und Straftaten zu einer absoluten Ausnahmeerscheinung werden zu lassen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart, „die Sicherheitsbehörden sagen uns aber: Wir fühlen uns davon überfordert.“