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11.05.18 / Versiegende Lebensquelle / Ägypten und Äthiopien streiten über ein Staudammprojekt am Nil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-18 vom 11. Mai 2018

Versiegende Lebensquelle
Ägypten und Äthiopien streiten über ein Staudammprojekt am Nil
Bodo Bost

Der Assuan-Staudamm, mit dem Präsident Nasser den Nil einst aufstauen ließ, versorgt fast ganz Ägypten mit Trinkwasser. Nun wollen auch die beiden Nachbarländer Äthiopien und Sudan ihren Nutzen aus dem wasserreichen Nil ziehen.

In Äthiopien nähert sich mit europäischer Beteiligung ein riesiger Staudamm seiner Fertigstellung. In der Zeit der Aufstauung, die zwischen zwei und sechs Jahren liegen wird, werden 100 Millionen Ägypter mit viel weniger Wasser auskommen müssen als in sonstigen Jahren. Verhandlungen über die Aufstauungsfrist sind gescheitert, weil keines der Länder von seinen Maximalforderungen heruntergehen wollte. Deshalb ist ein Vertrag trotz diverser Anläufe noch immer nicht in Sicht. Die Ägypter fürchten, bei zu rascher Befüllung des Stausees durch Äthiopien deutlich weniger Wasser zu bekommen, als für ihre wachsende Bevölkerung nötig wäre. 

Äthiopien hingegen will mit dem rund vier Milliarden Euro teuren Projekt seine Stromproduktion um ein Vielfaches steigern. Das Land braucht den Nil weniger als Wasserversorger, denn als Energielieferant. Für viele Äthiopier ist Elektrizität bislang ein Fremdwort. Mit den zusätzlichen 6000 Megawatt Strom will die Regierung in Addis Abeba ihr Land modernisieren. Kein Staat ist jedoch derart abhängig vom Nil wie Ägypten, das 95 Prozent seines Wasservorrats aus dem Nil gewinnt und dessen Wasser bis in die Wüste Sinai hineinpumpt.

Der Sudan, das zweite vom Projekt betroffene Land, hat im Gegensatz zum nördlichen Nachbarn noch die Wasser des Weißen Nils als Ausgleich. Dieser vereinigt sich erst hinter Khartum, der Hauptstadt des Sudan, mit dem Blauen Nil. Aufgestaut wird jedoch nur der Blaue Nil in Äthiopien. Der Stausee in Äthiopien soll 74 Milliarden Kubikmeter fassen. Das entspricht annähernd der Menge, die jährlich den Nil hinabfließt. 

Äthiopien will in einem Zeit­raum von drei Jahren diese Menge Wasser aufgestaut haben. Bei diesem Aufstau-Rhythmus würde Ägypten aber drei Jahre lang rund die Hälfte seiner landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verlieren. Bei einer Aufstauzeit von sechs Jahren würde Ägypten noch rund 17 Prozent seiner landwirtschaftlich nutzbaren Fläche, diese allerdings für sechs Jahre, verlieren. Erst bei einer Aufstauphase von zehn Jahren könnten die landwirtschaftlichen Erträge weitgehend gehalten werden, aber solange will Äthiopien nicht warten. 

Rund 95 Prozent der gut 100 Millionen Einwohner Ägyptens leben immer dichter gedrängt an den Ufern des Nils. Ägypten hat sogar Pläne, weitere Wüstengebiete mit Nilwasser zu bewässern, die jetzt entweder gestrichen oder zeitlich verschoben werden.

Ein Abkommen aus dem Jahr 1959 hatte Ägypten 55,5 Milliarden Kubikmeter und dem Sudan 18,5 Milliarden Nilwasser zugestanden. Darauf bestehen beide Staaten, obwohl der Sudan durch die Abspaltung des Südsudan vor einigen Jahren viel kleiner geworden ist. Die Äthiopier sind grundsätzlich bereit, sich an dieses Abkommen zu halten – im langfristigen Durchschnitt, nicht während der Aufstauphase. Deshalb sind die Drei-Staaten-Gespräche in Khartum ergebnislos verlaufen. 

Trotz Kenntnis der auf sich zukommenden Wasserknappheit hat Ägypten es versäumt, anders als Israel, früh genug auf Meerwasserentsalzungsanlagen als Ersatz zu setzen. Vielmehr hatte man eine Drohkulisse gegen Äthiopien aufgebaut. Aber mit Drohungen kann man keinen Durst stillen.