Das hat es in der Geschichte der Berliner Philharmoniker lange nicht gegeben, dass bei der Vorstellung der kommenden Saison kein Dirigent anwesend war. Aber aktuell sieht die Lage so aus: Der bisherige Chefdirigent Simon Rattle gibt in wenigen Wochen sein Amt ab und war schon weg, doch sein Nachfolger Kirill Petrenko, Chef ab 2019, war noch nicht da. Dabei ist er als designierter Chef schon jetzt in der Verantwortung.
Es sei eine „Zeit des Übergangs“, hatte Intendantin Andrea Zietzschmann gesagt, und die Musiker des Orchestervorstands sekundierten, dass jetzt sowohl jüngeren als auch arrivierten Dirigenten vermehrt das Pult eingeräumt werde. Petrenko selbst wird 13 Konzerte, davon allein sechs auf Tourneen, dirigieren, immerhin auch das Eröffnungskonzert am 24. August. Zu den jüngeren Dirigenten zählen Michael Sanderling von der Dresdner Philharmonie und Jakub Hruša von den Bamberger Sinfonikern, zu den Arrivierten Gustavo Dudamel, Andris Nelsons (Leipzig und Boston) und Tugan Sochijew (Moskau). Das traditionelle Silvesterkonzert wird der unermüdliche Daniel Barenboim mit Werken von Mozart und Ravel leiten. Zur allgemeinen Überraschung fehlt Christian Thielemann, der noch vor zwei Jahren als Favorit für die Rattle-Nachfolger galt.
Intendantin und Orchestervorstand versuchten, die chefdirigentenlose Zeit mit dem Verweis auf einige neue Reihen schmackhaft zu machen. So wird mit mehreren Konzerten auswärtiger Künstler an den vor fünf Jahren verstorbenen Claudio Abbado erinnert, weiter gibt es spezielle Reihen mit Klavier- und Vokalmusik. Das von Simon Rattle so erfolgreich importierte „Education-Programm“, das speziell klassikferne Jugendliche ansprechen soll, kann mit zahlreichen Schul-, Kita- und Familienprogrammen weitergehen.
Kulturinstitutionen, man weiß es, sind Zuschussbetriebe. Zwar ist man verhalten stolz, zwei Drittel der Ausgaben selbst erwirtschaftet zu haben. Das heißt aber auch, dass ein Drittel von der öffentlichen Hand, hier vom Bund und Berliner Senat, beigesteuert werden. Da die Philharmoniker als eines der besten Orchester der Welt gelten, hat daran noch niemand Anstoß genommen.
Unsichtbar anwesend war der scheidende Chefdirigent Sir Simon Rattle. Seinen Abschied unterstreicht er dieser Tage mit einer Fülle von Auftritten. Zwei Dokumentationen auf DVD werden demnächst seine Berliner Zeit filmisch nachzeichnen. In der kommenden Saison kommt er im März 2019 zweimal nach Berlin, davon einmal mit Musik von Helmut Lachenmann. Auch dessen extrem moderne Musik wird vermutlich Rattles viele Anhänger nicht davon abhalten, sich um die wenigen heißbegehrten Tickets zu reißen.