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11.05.18 / Das westliche Pendant zur Marienburg im Osten / Vor 110 Jahren wurde die heutige, rekonstruierte Fassung der Hohkönigsburg im Beisein des Kaisers eingeweiht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-18 vom 11. Mai 2018

Das westliche Pendant zur Marienburg im Osten
Vor 110 Jahren wurde die heutige, rekonstruierte Fassung der Hohkönigsburg im Beisein des Kaisers eingeweiht
Sibylle Luise Binder/PAZ

Während im französischen Zentralstaat traditionell die Provinz für die Pracht und Herrlichkeit der Hauptstadt bluten muss, hat das deutsche Kaiserreich Geld in die Hand genommen, um an den Grenzen Flagge zu zeigen. Da in der Kaiserzeit die Romantik mit ihrer Verherrlichung des Mittelalters mit seinen Burgen noch nachwirkte, erfolgte dieses Flaggezeigen gerne in Form der Errichtung, Rekonstruktion oder Restaurierung von Burgen beziehungsweise mehr oder weniger imponierenden Gebäuden im Burgenstil. 1896 bis 1918 wurde die Ordensburg Marienburg renoviert, 1901 bis 1908 die Hohkönigsburg rekonstruiert, 1907 bis 1910 die Marineschule Mürwik errichtet und 1905 bis 1913 das im neoromanischen Stil gehaltene Residenzschloss Posen errichtet. Ein kleines Jubiläum hat die Hohkönigsburg im Reichsland Elsass-Lothringen, wurde die heutige, rekonstruierte Fassung doch vor 110 Jahren im Beisein des Kaisers Wilhelm II. bei Regenwetter eingeweiht. 

Ein knappes Jahrzehnt zuvor, im Jahre 1899, hatte Wilhelm II. das als Ergebnis des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 zu­rück­gewonnene Elsass-Lothringen besucht. Zu seinem Besuchsprogramm gehörte auch das elsässische Schlettstadt (Sélestat). Viel vorzuführen gab es dort nicht, aber immerhin konnte man den Kaiser zu einem hoch aufragenden Buntsandsteinfelsen führen, der, am Ostrand der Vogesen gelegen, einen traumhaften Blick über die Rheinebene bis zum Kaiserstuhl und sogar zu den knapp 200 Kilometer entfernten Berner Alpen bot. Auf dem langestreckten Felsen aber war noch etwas: die Trümmer einer Burganlage. Es waren die Reste des einstmaligem Castrum Estufin, einer staufischen Reichsburg, von der aus man die Orte und vor allem Handelswege im Oberrheingraben kontrollieren konnte. 

Wie die meisten Burganlagen dieser Zeit erlitt auch die ab 1192 „Kinzburg“ (Königsburg) genannte Anlage ein wechselhaftes Schick­sal, bis sie 1479 als Lehensgut von Kaiser Friedrich III. an die Schweizer Grafen von Thierstein übergeben wurde. 1517 starb die Familie Thierstein aus. Als Folge des Dreißigjährigen Krieges wurde die Burg 1633 52 Tage lang von den Schweden belagert und schließlich im Sturm genommen und abgebrannt. Es blieb nur eine Ruine.

Das änderte sich, nachdem die die Stadt Schlettstadt die Burg Wilhelm II. 1899 zum Geschenk gemacht hatte. Der Großneffe des „Romantikers auf dem Königsthron“ beauftragte den Berliner Architekten und Burgenforscher Bodo Ebhardt mit dem Wiederaufbau. Vorlagen und alte Baupläne gab es nicht mehr. Aber wenigstens Teile des Grundrisses sowie ein Fenster und ein Tor mit Stauferwappen waren erhalten. Ebhardt ging für die damalige Zeit vergleichsweise respektvoll mit den Resten der Burg um. Er übernahm den ursprünglichen, unregelmäßigen Grundriss. An der höchsten Stelle ließ er einen quadratischen, hochaufragenden Bergfried errichten, an den sich südlich der Palas, das Wohngebäude, anschloss. Über zwei Millionen Mark wurden insgesamt verbaut, wobei eine Mark um die Jahrhundertwende ungefähr die heutige Kaufkraft von 6,70 Euro besaß.

Am 13. Mai 1908 wurde Einweihung gefeiert. Wilhelm II. hielt bei dieser Gelegenheit eine Rede, bei der er das von ihm repräsentierte Deutsche Reich in die Tradition des Heiligen Römischen Reiches stellte: „Die Geschichte nennt uns eine ganze Reihe von Namen aus erlauchten Fürstenhäusern und edlen Geschlechtern als Eigentümer, Pfandbesitzer und Lehensträger, zuvörderst die Kaiser aus dem Hause Hohenstaufen und dem Hause Habsburg, dann die Herzöge von Lothringen und Unterelsaß, die Landgrafen von Werd, die Herren von Rathsamhausen, von Oettingen und von Berckheim, die Grafen von Thierstein, deren großartiger Bau nun wiedererstanden ist, die Ritter von Sickingen, deren Einzug in die Burg uns heute so trefflich vorgeführt ist, und die Freiherren von Bollweiler und Fugger. Nun ist die Burg wieder Eigentum des Deutschen Kaisers geworden.“ Es folgten der Wunsch: „Möge die Hohkönigsburg hier im Westen des Reiches, wie die Marienburg im Osten, als ein Wahrzeichen deutscher Kultur und Macht bis in die fernsten Zeiten erhalten bleiben.“

Geblieben ist dem von Berlin aus regierten keindeutschen Nationalstaat keine der beiden Burgen. Heute liegt die Hohkönigsburg in der Französischen Republik wie die Merienburg in der Republik Polen. Das „Château du Haut-Kœnigsbourg“ ist das einzige „Monument national“ (Nationaldenkmal) im Elsass sowie mit jährlich etwa einer halben Million Besuchern die meistbesuchte Burg der Region und einer der am häufigsten frequentierten Touristenattraktionen der gesamten Republik.