24.04.2024

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11.05.18 / Frisch lackiertes »Schloss«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-18 vom 11. Mai 2018

Frisch lackiertes »Schloss«
H. Tews

Seien wir ehrlich: Die Neuausgabe von Franz Kafkas „Das Schloss“ im Manesse Verlag ist hübsch verpackte Ware, deren Verfallsdatum bereits abgelaufen ist. Die Ausgabe beruht auf den zwei von Kafkas Nachlassverwalter Max Brod herausgegebenen Erstausgaben, die dieser in eigenwilliger Weise ediert hat und die sich längst überlebt haben.

Die drei Romane „Der Proceß“, „Der Verschollene“ (von Brod als „Amerika“ veröffentlicht) sowie „Das Schloss“ hat Kafka alle als unfertige Fragmente hinterlassen. Das „Schloss“-Manuskript bricht sogar mitten im Satz ab. Unter Ignorierung von Kafkas Verfügung, nach seinem Tod sämtliche Handschriften zu verbrennen, publizierte Brod Ausgaben, die Kafkas „Pragismen“ („Schupfen“ für „Schuppen“) und dessen gewöhnungsbedürftige Interpunktion in ein leserfreundliches Deutsch übersetzten. Erst 1982 erschien eine textkritische Ausgabe, die sich an der Originalhandschrift orientiert. In Taschenbuchausgaben sind die Lesefassungen dieser kritischen Ausgabe beim Fischer Verlag erschienen und inzwischen als Standard anerkannt. Basierend auf den Manuskripten enthält die Neufassung von „Das Schloss“ zum Beispiel auch Kapitelüberschriften, die Brod aus unerfindlichen Gründen durch Ziffern ersetzt hat.

Der Manesse Verlag wärmt nun die veraltete Brod-Fassung neu auf. Das aber in einem hübschen Gewand: gebunden, handlich und mit einem Nachwort versehen, in dem erklärt wird, warum der Landvermesser „K.“ einfach nicht den Weg in das bürokratisch verschlossene Schloss schafft.

Franz Kafka: „Das Schloss“, Mit einem Nachwort von Norbert Gstrein, Manesse Verlag, München 2018, 608 Seiten, gebunden, 25 Euro