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11.05.18 / Warnung vor falsch verstandenem Wohlstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-18 vom 11. Mai 2018

Warnung vor falsch verstandenem Wohlstand
Dirk Klose

Der Historiker Philipp Blom hatte im vergangenen Jahr eine „Geschichte der Kleinen Eiszeit“ in Europa zwischen 1570 und 1700 vorgelegt. Es waren nicht nur die Jahre der Konfessionskriege, sondern auch Zeiten ungewöhnlich niedriger Temperaturen, Stürme und Missernten, die Hungersnöte, Aufstände und schier endlose Kriege zur Folge hatten. 

So wie sie gekommen war, legte sich damals diese Naturkatastrophe wieder. In unseren Tagen, so sagt Blom in seinem neuesten Buch „Was auf dem Spiel steht“, komme die Menschheit nicht mehr so leicht davon, denn alle sich abzeichnenden Katastrophen seien diesmal „hausgemacht“, von den Menschen selbst verursacht. Die Natur reagiere nur auf de-

saströses menschliches Verhalten. Wolle die Menschheit in toto überleben, sei hier und heute ein radikales Umdenken und Umsteuern nötig. Dabei solle niemand sagen, das gehe nicht mehr: „Unmögliches ist im Lauf der Geschichte immer wieder Wirklichkeit geworden, auch wenn anfangs niemand wusste, wie es möglich sein sollte.“

Blom geht in knappen Skizzen die schwierigsten Themen durch: Umweltbelastung, schwächelnde Demokratien, technologischer Wandel, besonders die anhaltende Digitalisierung. All das ist eigentlich nicht neu, aber wenn, wie hier zusammengefasst, doch eine gleichermaßen bedrückende und anspornende Lektüre. Anspornend, weil man dauernd mit der Frage konfrontiert ist, wo und wie wir mit einer Veränderung ansetzen können. 

Blom hält den reichen Industriestaaten den Spiegel vor: Es sei fraglich, ob der erreichte Wohlstand auf Dauer zu halten, ob die demokratische Staatsform, die nach westlicher Vorstellung die ganze Welt prägen sollte, der Weisheit letzter Schluss sei, und schließlich, ob die alle Lebensbereiche durchdringende Digitalisierung letzten Endes zu einer gefährlichen Entmündigung der Menschen führen werde. Zwei Reaktionen sieht der Autor darauf: Zum einen eine Offenheit für Neues, für kommende Herausforderungen und Probleme, auf der anderen Seite eine Art Wagenburgmentalität, die nach Möglichkeit alles beim Alten lassen will, sich nach außen abschottet und vor kommenden Herausforderungen die Augen verschließt. 

Geld und Konsum, so Blom bitter, prägten heute die reichen Staaten, der Sinn für die Gemeinschaft drohe zu verkommen. Das in der US-amerikanischen Verfassung vorgegebene Ziel der Menschen eines „pursuit of happiness“, des Strebens nach Glück, erfülle sich heute vorrangig im Streben nach Geld und Konsum, eine „Parodie aufgeklärter Ideale“. 

Was das Buch vor ähnlichen „Alarmbüchern“ auszeichnet, ist die enge Verbindung ökologischer und technischer Entwicklungen mit politischen und sozialen Konsequenzen. Und am Ende der Appell, Mut zu haben und immer wieder im Kleinen mit Veränderungen zu beginnen, ein Prozess, der sich über Generationen hinziehen werde. 

Es ist wohl immer die Crux solcher Bücher, dass man am Ende nach der Diagnose nicht ganz zufrieden mit der vorgeschlagenen Therapie ist. Aber wer hat schon die allgemeingültige Weisheit? Demokratie bedeutet Auseinandersetzung und Streit, was nicht das Schlechteste ist; letzten Endes ist sie damit besser als autoritäre Staaten vorangekommen.

Philipp Blom: „Was auf dem Spiel steht“, Carl Hanser Verlag, München 2017, gebunden, 224 Seiten, 20 Euro