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18.05.18 / Blanke Nerven bei Schwarz-Rot-Grün / In Sachsen-Anhalts »Kenia-Koalition« wird der Ton immer rauer – Knallt es bald?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-18 vom 18. Mai 2018

Blanke Nerven bei Schwarz-Rot-Grün
In Sachsen-Anhalts »Kenia-Koalition« wird der Ton immer rauer – Knallt es bald?
Peter Entinger

Es kriselt in der schwarz-rot-grünen „Kenia-Koalition“ von Sachsen-Anhalt. Was 2016 manchem als „Modell der Zukunft“ erschien, könnte vorzeitig an die Wand fahren.

Im Frühjahr 2016 war die Stimmung rund um den Magdeburger Landtag ziemlich getrübt. Denn die AfD erzielte mit 24,2 Prozent ihr bis heute bestes Ergebnis und führte alle bisher dagewesenen Koalitionsmöglichkeiten ad absurdum. Am Ende einigten sich CDU, SPD und die Grünen auf ein Bündnis des Minimalkonsenses unter Führung des Christdemokraten Rainer Haseloff. 

Siegfried Borgwardt, Fraktionschef der CDU, bewertet das Regierungsbündnis nüchtern „als Zweckverbindung auf Zeit“. Er sei aber davon überzeugt, dass die Koalition zu einem erfolgreichen Ende geführt werde. Die Partner hätten alle sehr unterschiedliche Wahlprogramme gehabt. „Demzufolge musste auch die Erkenntnis reifen, dass es keine Liebesheirat ist“, sagte er dem MDR. Man habe immer nach der Devise gehandelt: in der Sache hart verhandeln, aber persönlich nicht verletzen. 

Doch das ist in der vergangenen Woche ziemlich schiefgegangen. Nils Leopold von den Grünen sollte neuer Datenschutzbeauftragter des Landes werden. Es war ein gemeinsamer Vorschlag der drei Fraktionen und der Landesregierung. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit schien damit sicher. Dass der 46-Jährige im ersten Wahlgang durchfiel, wurde noch als Betriebsunfall abgetan. Doch auch im zweiten reichte es nicht. Nun werfen sich die Fraktionen gegenseitig vor, den jeweils anderen ausgetrickst zu haben. Die Grünen verdächtigen die Union. Diese hält die SPD für den Spielverderber, weil diese das ohnehin gespannte Verhältnis der Schwarzen zu den Grünen weiter belasten wollte. Die CDU macht zudem interne Spannungen bei der Ökopartei für den GAU verantwortlich. 

Die Dessauer Grünen-Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke stellte öffentlich die Regierungsfähigkeit der Koalition infrage. Es gebe „Kräfte, die dieses Land beschädigen wollen und die so mutig sind, in einer geheimen Wahl dem Ministerpräsidenten die Arschkarte zu zeigen“, tobte sie gegenüber dem „Spiegel“. 

Die Grünen haben zwar mit 5,2 Prozent den Einzug in den Landtag nur gerade so geschafft. Sie sind aber das Zünglein an der Waage. Die Schwäche der einstigen Volksparteien, die außer einer Koalition von Christdemokraten und AfD nur die Kenia-Option zuließ, verschaffte den Grünen eine starke Verhandlungsposition. „Ein grüner Koalitionsvertrag“, sei es geworden, triumphierte die Fraktion nach Abschluss der Verhandlungen. Keine neuen Tagebauaufschlüsse und Kohlekraftwerke, kein Elbeausbau, mehr Radwege. Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann erklärte kürzlich zwar, es sei schwerer als gedacht, aber es sei schön, Dinge umsetzen zu können. „Wir haben mehr Personal im Forst, wir haben das Umweltsofortprogramm durchexerzieren können, wir konnten das Kompetenzzentrum Jugend und Kommunen an den Start bringen und noch vieles mehr wie Radverkehr.“ 

Doch die Euphorie der Fraktion teilen nicht alle. Bereits im Januar musste ein Landesparteitag die Wogen glätten. „Das Fass ist voll“, hieß es in einem Positionspapier des Landesvorstands. Schon damals erwogen einige einen Austritt aus der Koalition. Im Zentrum der Kritik steht die grüne Umweltministerin Claudia Dalbert. Ihr Leitbild „Landwirtschaft 2030 Sachsen-Anhalt" entfachte einen handfesten Koalitionszoff. Ihre Zielsetzung: Der Tierschutz solle bei der Tierhaltung im Vordergrund stehen. Der Ökolandbau müsse umfänglich gefördert werden, die konventionellen Landwirte dagegen sollten sich den veränderten Bedingungen anpassen.

15 Landwirtschaftsverbände protestierten gegen diese Pläne, darunter der mächtige Bauernverband Sachsen-Anhalt, an dessen Spitze CDU- und SPD-Kommunalpolitiker stehen. Ministerpräsident Haseloff musste die aufgebrachten Funktionäre besänftigen und Zugeständnisse machen. Ohne die Zustimmung der CDU werde nichts umgesetzt. Kurz zuvor musste Haseloff seine Stellvertreterin Dalbert einfangen, als diese einen Flächentausch zugunsten eines von den Grünen ver­hassten Skigebiets verhindern wollte. Dies war ein Wunsch der Grünen-Basis. Die ist seitdem immer noch verstimmt. 

Über all den Querelen kreisen die Gerüchte über eine mögliche Zusammenarbeit von CDU und AfD. Viele Christdemokraten schimpfen auf den Fluren des Magdeburger Landtags über die permanente Rücksichtnahme auf die Grünen. Zudem zählen die Ost-Verbände ohnehin zu den konservativeren innerhalb der Union. Immer wieder stimmen Christdemokraten AfD-Anträgen zu. Das regt die Grünen mächtig auf, verärgert aber auch die SPD-Genossen. 

SPD-Landeschef Burkhard Lischka drohte unlängst sogar schon offen damit, die „Kenia-Koalition“ aufzukündigen. „Ich toleriere in Zukunft keine Abweichungen mehr.“ CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff müsse seinen Landtagsabgeordneten jetzt deutlich machen, dass man mit Rechtspopulisten nicht gemeinsame Sache mache. Sollte die CDU Verabredungen nicht einhalten, könne die Koalition scheitern, warnte Lischka. Dass die AfD den polternden Frontmann André Poggenburg zugunsten des moderater wirkenden Oliver Kirchner ausgetauscht hat, werten Beobachter bereits als Türöffner für eine künftige Zusammenarbeit mit der CDU.