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18.05.18 / Sieg nach Punkten für Kim Jong-un / Doch beide koreanische Staatsführer werten ihr Gipfeltreffen als Erfolg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-18 vom 18. Mai 2018

Sieg nach Punkten für Kim Jong-un
Doch beide koreanische Staatsführer werten ihr Gipfeltreffen als Erfolg
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Die beiden Staatsführer Koreas haben ihr erstes Treffen in Panmunjom an der innerkoreanischen Grenze zu einem Erfolg erklärt. Gerade der südkoreanische Präsidenten Moon Jae-in braucht einen solchen für seine misstrauische Bevölkerung. Allerdings ist die Begegnung eher als ein Sieg des nordkoreanischen Staats- und Parteichefs Kim Jong-un zu werten.

Statt entsprechend der koreanischen Tradition dem fast doppelt so alten Moon großen Respekt zu erweisen, trat Kim recht selbstbewusst als Herrscher Gesamt-Koreas auf und verweigerte der südkoreanischen Ehrenwache den militärischen Gruß. Moon dagegen erweckte eher den Eindruck des Unterlegenen. Verletzungen der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK), die er noch Wochen zuvor  attackiert hatte, fanden faktisch keine Erwähnung. Das Wurzelwerk der von beiden gepflanzten Bäume wurde mit der Erde des nordkoreanischen „Heiligen Berges“ Päktu und des Vulkans Halla, von dem die Familie Kim kommt, bedeckt und stellte eine unnötige symbolische Konzession dar. Dass die südkoreanische Kulturministerin sich dreimal vor dem Diktator verbeugte, kennzeichnet die Atmosphäre. 

Nahziel Seouls ist nach Jahren der Zwangspause ein Zusammentreffen von seit 1953 in beiden Landesteilen getrenntlebenden Familien, deren Zahl inzwischen sehr gering geworden ist. Unlängst noch hatte Kim dies abgelehnt, nun aber hat er ein Wiedersehen am 15. August gestattet. Keine Rede war von einer Wiederaufnahme des 1947 seitens Pjöngjangs eingestellten Postverkehrs mit dem Süden. Einig ist man sich über eine neue Seegrenze, die sich gegen die vor Korea sehr aktive Fischereiflotte Chinas richtet, zugleich will die DVRK ihren Hafen Heaju am Gelben Meer ausbauen. Der jetzige Grenzverlauf ist allerdings Teil des nach wie vor gültigen Waffenstillstandsabkommens, bedarf also der Zustimmung der UN und der USA. Die Wiedereröffnung der südkoreanischen Wirtschaftszone, in der 53000 nordkoreanische Arbeiter für Seouler Firmen Produkte für den Weltmarkt herstellen, dürfte bald erfolgen, denn angesichts der erfolgreichen UN-Sanktionen braucht Pjöngjang dringendst Devisen aus Südkorea. Kapital von Peking würde die bereits bestehende Abhängigkeit von China weiter erhöhen. Ohnehin ist das Verhältnis heute nur noch ein Zweckbündnis. Viel Geld soll auch ein verstärkter Tourismus bringen. Jeder Südkoreaner darf nun – wie es heißt – frei zum „Heiligen Berg“ reisen, was bedeuten könnte: ohne die bislang übliche von der DVRK gestellte Begleitung. Über Reisemöglichkeiten von Nordkoreanern in den Süden fiel kein einziges Wort. 

An erster Stelle für beide Seiten steht das Militärische. Unbestritten hat Pjöngjang bisher über 80 Ra­ketentests sowie vier Atomversuche durchgeführt. Verlockend klingt das Versprechen Kims, sein einzig bekanntes Testgelände Punggye-ri zu schließen, obwohl es laut chinesischen Geologen inzwischen ohnehin unbrauchbar ist. Zur Kontrolle sind Experten und Journalisten eingeladen – indes nicht aus Peking. Kims weitere Verheißungen, alle Raketentests aussetzen zu wollen, bedeutet jedoch keine endgültige Einstellung, keinen gänzlichen Verzicht oder gar die Vernichtung seiner Raketenbestände. 

Kernpunkt sämtlicher Verhandlungen ist „die vollständige Denuklearisierung zu einer atomfreien Zone“. Kim versteht darunter nicht die Preisgabe seiner Nuklearrüstung. Wohl ließ er bisher Inspektoren in Yongbyon zu, verwehrte aber jeglichen Zugang zu unterirdischen Teilen. Entgegen allen Friedensparolen ist die Anlage gegenwärtig in Betrieb. Entscheidend für den Westen ist die vollständige, überprüfbare und umkehrbare Aufgabe aller Nuklear- und anderer Massenvernichtungswaffen. Die DVRK will auf Atomwaffen verzichten, wenn ihre Sicherheit garantiert ist. Kim zählt hierzu den Rückzug aller US-Atomwaffen, die seinen Staat erreichen könnten – also von Japan, auf Guam sowie von Flugzeugträgern. Einen Abzug der US-Truppen aus Südkorea fordere Kim nicht, so Moon. 

Der lediglich bestehende Waffenstillstand soll noch dieses Jahr in einen Friedensvertrag umgewandelt werden. In ihm will Pjöngjang verankern, dass „nie wieder irgendwelche Atomwaffen in die Nähe der DVRK“ gebracht werden und alle Truppen der USA aus dem Süden abziehen, was Washington bislang scharf abgelehnt hat. Die ebenfalls geforderte Nichtangriffsgarantie soll wohl das Überleben der Kim-Dynastie sichern. Juristisch wären diese Verträge nur zwischen den beiden koreanischen Staaten, der UN und den USA zu schließen. Von daher gehören Peking und Moskau streng genommen nicht dazu, auch wenn die Chinesen damals sogenannte Kriegsfreiwillige entsandten, deren Waffen sie von der UdSSR kauften. Dennoch drängt Peking auf Teilnahme an den Verhandlungen. Es wünscht die DVRK als Pufferzone, nicht aber die Existenz von deren Nuklearwaffen. Letzteres liegt daran, dass dann auch Japan und Südkorea zur Wiederherstellung des Gleichgewichts nach Atomwaffen streben könnten. Ebenfalls bemüht sich Russland neuerdings um Einfluss in beiden Teilen Koreas. 

Der US-Präsident Donald Trump wertete das Ergebnis als positives Ohmen für sein Treffen mit Kim am 12. Juni in Singapur. Es ist durchaus möglich, dass sich Trump und Kim dabei auf eine Vernichtung der nordkoreanischen Langstreckenraketen einigen könnten. Kim scheint zu diesem beschränkten Zugeständnis bereit und Trump würde dies ausreichen, um sich entsprechend seiner „America first“-Politik damit zu rühmen, die Gefahr für die Vereinigten Staaten gebannt zu haben. Dass er damit die DRVK als Atommacht anerkannt hätte, dürfte für Trump im Gegensatz zu Kim zweitrangig sei. Da die weitere Existenz von nordkoreanischen Mittelstreckenraketen aber auch zukünftig Japan und Südkorea bedrohen, würde ein derartiger „Deal“ dort angesichts der bestehenden US-amerikanischen Verpflichtungen als Verrat an den Verbündeten Washingtons gewertet werden müssen. Bisher jedenfalls hat Trump keine einzige Sanktion gegen den Norden aufgehoben. Eine tragfähige Lösung der Korea-Frage dürfte noch Jahre benötigen, falls eine solche angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen überhaupt möglich ist.