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18.05.18 / Abwahl undenkbar / Dabei liegt Erdogan bei den Umfragen nur um die 40 Prozent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-18 vom 18. Mai 2018

Abwahl undenkbar
Dabei liegt Erdogan bei den Umfragen nur um die 40 Prozent
Bodo Bost

In gut einem Monat, am 24. Juni, sind in der Türkei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Der türkische Staatschef Tayyip Erdogan hofft, dass ihn die Türken für eine weitere Amtszeit zum Präsidenten wählen, und seiner konservativ-islamischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) wieder eine absolute Mehrheit im Parlament verschaffen. Mit der Doppelwahl soll der Wechsel zum Präsidialsystem in der Türkei in Kraft gesetzt werden. Erdogans Erfolg scheint bereits arrangiert – allerdings subtiler als im Russland von Wladimir Putin.

Für viele Türken ist die Vorstellung skurril, dass der türkische Staatspräsident die Wahl verlieren könnte und danach still und leise seinen für sich selbst gebauten Palast verlassen und in sein Istanbuler Elendsviertel Kas?mpasa zurückkehren könnte, um dort wie viele alternde Politiker seine Memoiren zu schreiben. Erdogan braucht kein Ergebnis von 80 Prozent wie Putin. Ein derart überwältigender Sieg wäre gar nicht in seinem Interesse. Es könnte sogar sein Herrschaftssystem untergraben. Erdogan hat, anders als Putin, ein Interesse daran, die Opposition im Spiel zu halten. Im Laufe seiner fast 20-jährigen politischen Karriere hat er öfters die Erfahrung gemacht, dass eine in Frage gestellt Macht die Reihen der eigenen Anhänger schließen kann. Und sollte es knapp werden, kann er sicher gewisse Rädchen in Bewegung setzten, die dafür sorgen, dass es immer noch reicht.

Erdogan weiß, dass man Wahlen nicht nur mit gefälschten Stimmzetteln in der Wahlurne manipulieren kann. Es geht auch um gleiche Bedingungen beim Zugang zur Öffentlichkeit oder um die Möglichkeit, Wahlkampfversammlungen zu organisieren. So wurden beispielsweise ein Großteil der Führung der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) unter Terrorvorwürfen verhaftet und die Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Der Ausnahmezustand, der weiterhin gilt, hat die Kontrolle der Regierung über die Medien noch mehr gefestigt. Dazu kommt noch eine Reihe von Reformen bei den Wahlgesetzen, die der regierenden AKP ohnehin bereits einen großen Vorteil verschafft.

Auch wenn ihm die Umfragen derzeit nur um die 40 Prozent geben, denkt Erdogan nicht einmal an eine Abwahl. Er glaubt, dass er den nationalen Willen verkörpert, so etwa wie Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk seinerzeit, der keine freien Wahlen zu Lebzeiten geduldet hat und erst im Sarg aus seinem Amtssitz getragen wurde. Atatürk kam allerdings aus der Militärführung und hatte ein weit gestecktes Reformziel. Dieses hat Erdogan nicht, eher möchte er die Zeit wieder um 100 Jahre auf die Zeit vor Atatürk zurückdrehen. Auch als Rück­wärts­ge­wand­ter glaubt Erdogan jedoch, wie Atatürk ein historischer Führer seines Landes geworden zu sein. Als solcher glaubt er, dass er seine Macht von Gott bekommen hat und es nahezu undenkbar ist, dass er seine Macht durch demokratische Wahlen wieder verlieren könnte. Bei all den Willkürmaßnahmen der letzten Jahre ist es nur schwer vorstellbar, dass es in der Türkei eine Machtablösung geben könnte, die nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung Erdogans führen würde, dazu hat er den Bogen des Rechtsstaats in den letzten Jahren zu stark überspannt.