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18.05.18 / Das Geburtsfest der Kirche / Pfingsten mahnt die Christen, den Missionsbefehl des Heiligen Geistes wieder ernst zu nehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-18 vom 18. Mai 2018

Das Geburtsfest der Kirche
Pfingsten mahnt die Christen, den Missionsbefehl des Heiligen Geistes wieder ernst zu nehmen
Gernot Facius

Das Pfingstfest ist weit in den Hintergrund getreten. Dabei birgt es für Christen Botschaften, die gerade heute aktueller und dringender denn je erscheinen.

Machen wir doch die Probe aufs Exempel: Was fällt den Menschen von heute beim Stichwort „Pfingsten“ ein? Da kommen selbst Christen leicht ins Stottern. Weihnachten, da erinnert man sich der Geburt Jesu, da sind die Kirchen voll. Ostern schon weniger. Und dann erst Pfingsten! Die Thematik dieses Hochfestes der Christenheit, die „Herabkunft des Heiligen Geistes“, betont zu sehr den Bereich des Himmlischen, des Transzedenten, ist deshalb vielen Zeitgenossen schwer zu vermitteln. 

Es ist zwar das Geburtsfest der Kirche, ein Gemeinschaft stiftendes Ereignis, aber es ist fremd geworden. Ein Zeichen von Geistesvergessenheit in einer Zeit, die oftmals süchtig ist nach Spiritualität. Die Jünger, so die Bibel, wurden mit „Heiligem Geist“ erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden. 

Dieses Sprachenwunder gilt als Auftrag, die christliche Botschaft aller Welt zu verkünden: ein Missionsbefehl. Geist, das können auch die religiös weniger Musikalischen nachvollziehen, ist immer Aufbruch, Neuanfang, Wagnis, das Gegenteil von Pessimismus, Verdrossenheit, Kleinmut – Eigenschaften, die oftmals die befreiende Botschaft verdunkeln. Man kann es so sagen: Hätten die Apostel in Verzagtheit verharrt wie viele Christen heute, ja sogar Amtsträger ihrer Kirchen, das Christentum hätte sich nicht über den Erdball ausbreiten können.

Der Pfingstgeist will Trennungen überwinden, Kommunikation schaffen. Er ist, wie der Berliner evangelische Altbischof Wolfgang Huber sagt, das Gegenteil geistloser Uniformität. Dieser Geist holt die Menschen nicht dort ab, „wo sie stehen“, wie es – geistvergessen – modisch von manchen Kanzeln tönt. Er verspricht ihnen nicht Selbsterlösung wie die Esoterik, sondern stellt Forderungen. Er ist ein unbequemer Geist und bleibt ein Geheimnis. 

Man muss nicht lange grübeln, warum das Pfingstfest in der Wahrnehmung auch von Christen stark abgefallen ist. Kirche wird nicht immer als geisterfüllt, schon gar nicht als begeisternd erlebt. Der Vorsitzende der (evangelischen) Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis, der Hamburger Pastor Ulrich Rüß, beklagt die Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hin zu einer „Zivilreligion“. Die Fragen nach Klima und sozialer Gerechtigkeit verdrängten die Themen von Glauben, Himmel, Heil und Christus. „Als wäre das Reich Jesu von dieser Welt.“ 

Der Theologe Karl Richard Ziegert, viele Jahre Beauftragter für Weltanschauungsfragen seiner pfälzischen Kirche, kritisierte den politischen Machtanspruch: „Die EKD-Elite sieht sich tatsächlich als die ‚moralische Avantgarde der Gesellschaft‘ und als politische Vorhut für die Verwirklichung einer ‚Vision der menschlichen Gesellschaft‘.“ Sie betrachte sich als „Wächterrat der deutschen Gesellschaft, der allen letztlich erklärt, was sie zu tun und zu lassen haben“. Die Vermischung von Religion und Politik widerspreche der Zwei-Reiche-Lehre Luthers. 

Auch die Ausgrenzung als unliebsam empfundener Meinungen lässt sich nicht mit dem Pfingstgeist verbinden. Das hat sich noch nicht überall in den Kirchenkanzleien herumgesprochen. Geht es etwa um die AfD, geben sich Bischöfe, die bei jedem Anlass den „Dialog“ fordern, als Dialogverweigerer. Die EKD-Spitze hat aber keine Probleme, sich mit der Linkspartei zu treffen. Gelegentlich kommen selbst hohen Würdenträgern Worte des Zweifels an der richtigen Auslegung der christlichen Botschaft über die Lippen. 

So hat Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, vor Jahren die Frage gestellt: „Kann es sein, dass ein Teil der Krise unseres kirchlichen Lebens auch darin besteht, dass unsere Rede von Gott manchmal zu verharmlosend, zu kitschig, zu banal, zu kleinkariert, zu sentimental, zu gedanklich anspruchslos war?“ Gute Frage, Eminenz! Ein klassisches Thema für kirchliche Selbstvergewisserung – gerade und vor allem zu Pfingsten. „Alle Jahre wieder nur billige Trivialmoral“, schrieb der inzwischen emeritierte evangelische Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf (München) in seinem Buch „Kirchendämmerung“. Weniger egoistisch solle der Mensch sein, friedfertiger und gütiger. „Das kann man auch in der ‚Zeit‘ lesen oder im Bundestag hören.“ 

Die Krise der Kirche gründe in der Schwäche ihrer Theologie. Die religiöse Rede solle auch Trost spenden, aufbauen. Doch davon, so Graf, sei in vielen Predigten nicht mehr die Rede. Stattdessen werde die Bewahrung der Schöpfung – eine „theologisch nur gedankenlose Formel aus dem politischen Betrieb“ – beschworen oder die Mülltrennung im Dreitonnensystem zum großen Thema stilisiert. 

Der Publizist Gustav Seibt hat vor Jahren geschrieben: „Den Protestantismus als Religion und Lebensführung gibt es nicht mehr, dafür haben wir die Nachhaltigkeit.“ Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock hat 1998 die Fehlentwicklungen vorausgesehen und angeprangert: „Wir trauen der biblischen Botschaft nicht zu, die Ohren und Herzen der Zeitgenossen zu erreichen und stürzen uns deshalb auf die aktuellen Fragen.“ Pfingsten, das Fest der „Ausgießung“ des Heiligen Geistes, hat mit Mission zu tun. „Gehet hin und taufet alle Völker!“ An der Ausführung dieses Befehls scheiden sich die Geister. Wer kirchliche Verlautbarungen oder die Synoden-Debatten verfolgt, hat den Eindruck, auch hier solle der unscharfe „Dialog“-Begriff den Missionsgedanken ersetzen. „Eine strategische Islammission oder eine Begegnung mit Muslimen in Konversionsabsicht bedroht den innergesellschaftlichen Frieden und ist entschieden abzulehnen“, dekretierte eine von der rheinischen Landeskirche, immerhin zweitgrößte Gliedkirche der EKD, verbreitete Broschüre „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“. 

Da klang 2016 der Greifswalder evangelische Bischof Hans-Jürgen Abromeit fast wie der sprichwörtliche Rufer in der Wüste: „Wir sind nicht frei, um des lieben innerreligiösen Friedens willen auf Mission, die allen Menschen gilt, zu verzichten.“ Es gehe um Treue zum Auftrag Christi. 

Tröstlich, dass in dieser Zeit neue, auch protestantische Missionsbewegungen entstehen. So senden koreanische Kirchen derzeit Tausende Missionare in die Welt aus, auch nach Europa. Die größte Dynamik sehen evangelische Missionsexperten gegenwärtig in China. Missionare aus der roten Volksrepublik sind inzwischen überall, auch in Deutschland. Auch in Afrika entstehen Missionsbewegungen, die für eine „Erweckung Europas“ beten. Sie wissen, dass der alte Kontinent herrliche Kirchengebäude hat, die aber kaum noch mit Leben gefüllt sind. Auch das ist ein Pfingstthema.