28.03.2024

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18.05.18 / Wer fürchtet die Demokratie?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-18 vom 18. Mai 2018

Wer fürchtet die Demokratie?
Nike U. Breyer

Bereits der Buchdeckel von „Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?“ spricht für sich. Das Wort „Eliten“ ist mit dickem Stift blutrot durchkreuzt, der Autor Paul Schreyer hat ganz offensichtlich keine Angst vor Revisionen und Richtigstellungen und räumt dafür auch mit verbreiteten Begriffsverwirrungen auf. 

Handelt es sich hier wirklich um Eliten? Was hat es mit dem Schlagwort Populismus tatsächlich auf sich, warum sind Hassreden ein Totschlagargument? Diese Begriffsarbeit ist nötig, um sich darüber dem eigentlichen Gegenstand zu nähern, einer historisch glänzend unterfütterten Analyse unserer Demokratie, deren Krise – so Schreyers Befund – in einer Entmündigung und wirtschaftlichen Benachteiligung des eigentlichen Souveräns, das Volk, begründet ist. Dabei erhärtet Schreyer bereits seine Diagnose stichhaltig, indem er anhand von statistischen Erhebungen belegt, dass politische Vorschläge aus den Reihen der großen Mehrheit der „Normalbürger“ kaum je Chancen auf Verwirklichung haben, während die Wünsche einer Minderheit von Reichen verlässlich mit parlamentarischer Umsetzung rechnen können. 

Echte Demokratie? Auch dem überheblichen Abkanzeln des nicht mehr ganz neuen US-Präsidenten Donald Trump folgt Schreyer nicht und hält stattdessen nüchtern dagegen: „Trump und Co. sind bei Wahlen vor allem deshalb erfolgreich, weil die Zustände eben nicht demokratisch sind. Das Fehlen einer funktionierenden Demokratie bringt sie erst hervor.“ 

Von der schlecht kaschierten Zensurmaßnahme „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ des Bun-desjustizministers Heiko Maas lässt uns Schreyer wissen, dass es wortwörtlich ins Russische übersetzt wurde und bei den Abgeordneten der Duma landete. Man staunt, ist Russland endlich demokratisch geworden, oder ist es womöglich umgekehrt? Auch der im Einzelfall im Berliner Parlament aufgehobene Fraktionszwang, den es, ginge es tatsächlich nach der Verfassung, gar nicht geben dürfte, leistet Machtverlagerungen Vorschub, die – wie Schreyer zeigt – die Demokratie unterminieren. Die Angst der „Demokraten“ vor Volksabstimmungen ist ja bekannt. Sie wird bei Schreyer mit Rückgriffen auf die Weimarer Republik und damalige Machtverhältnisse in neues Licht gesetzt und damit zurechtgerückt. Auch die „feinsinnig“ begründete Ablehnung eines Volksentscheids über die Nachkriegsteilung Deutschlands im Sinne der Westalliierten ist in Schreyers Darstellung ebenso spannend wie erhellend zu lesen. 

Schillernde Gestalten wie der SPD-Minister Rudolf Katz, der wie zahlreiche andere Intellektuelle von der CIA mittelbar finanziert wurde, zogen damals im Hintergrund die Fäden. Es sind Handlungsmuster, die ihr Vorbild in den USA haben, wo in Gremien Politik gemacht wird, die jenseits des Parlaments die Weichen stellen. So finanzierte etwa die Stiftung des Milliardärs Rockefeller auch die private Denkfabrik „Council on Foreign Relations“, die dann wunschgemäß die Notwendigkeit eines Krieges gegen die wirtschaftlich expandierenden Länder Deutschland und Japan wortmächtig propagierte – gegen die amerikanische Bevölkerung, die sich aus dem Krieg heraushalten wollte. Interne Papiere belegen dabei die Rolle dieser Dunkelmänner, denen es – anders als ihre moralischen Parolen vorgaben – um ein Beerben des britischen Weltreiches ging und zuallerletzt um eine Befreiung Europas vom Faschismus oder die Demokratisierung Südostasiens. „Ellbogenfreiheit“ (O-Ton aus den Council-Protokollen) hieß das Stichwort – und diese war im internationalen Wettbewerb zunehmend bedroht. Also musste ein Krieg her. Die Unterordnung der Politik unter das Primat der Milliardäre und der Finanzindustrie bewirkt am Ende den Klassenkampf von oben gegen unten, so Schreyer. Das fasst er in die bündige Analyse: „Je mehr die Staaten im Laufe der Geschichte durch Revolutionen demokratisiert wurden und sich von einem Instrument der Reichen schrittweise und unvollständig zu einem öffentlichen Apparat der Bürger wandelten, umso stärker verlagerten die Eliten ihr Wirken in neue Strukturen, die einer demokratischen Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Revolutionen und Gewaltenteilung hin oder her – der Pöbel sollte nicht dazwischen funken.“ 

Die Akteure dieser inzwischen 200 Jahre anhaltenden Entwick-lung nennen wir zeitgenössisch „Deep State“ (Tiefer Staat). Die Macht über das Geld ist dabei wichtiger als der reine Besitz von Geld, was Schreyer so zusammenfasst: „Das Vermögen, Geld zu erzeugen, bedeutet grundlegende Macht. Die Wurzel dieser Macht ist die Verfügungsgewalt über das Eigentum.“ Doch wer kontrolliert die Geldmacher? Von John Locke bis zu den aktuellen Programmen aller Parteien ist hier wenig zu erwarten. Das „Heidelberger Programm“ der SPD aus dem Jahre 1925 kannte da allerdings noch andere Töne. Ein hochinformatives Buch. Unbedingt lesen!

 Paul Schreyer: „Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?“, West-end Verlag, Frankfurt am Main 2018, broschiert, 224 Seiten, 18 Euro