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25.05.18 / Kopf hoch, Arsch im Sattel / Autorin erzählt Familiengeschichte über mehrere Generationen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-18 vom 25. Mai 2018

Kopf hoch, Arsch im Sattel
Autorin erzählt Familiengeschichte über mehrere Generationen
D. Jestrzemski

Roswitha Magdalena Voglhuber aus St. Georgen im oberösterreichischen Attergau fühlt sich Ostpreußen verbunden, weil ihre Mutter aus Braunsberg stammt, der alten Handels- und Hafenstadt nahe der Passargemündung ins Frische Haff. Stadt und Landkreis Braunberg gehörten zum katholischen Bistum Ermland. Im Alter von 

12 Jahren musste ihre Mutter gemeinsam mit zwei älteren Geschwistern ihre Heimat im Flüchtlingstreck verlassen. Roswitha Voglhuber bewahrt die Erinnerungen ihrer Mutter an Ostpreußen und an die grauenhaften Fluchterlebnisse in einer Art von gemeinsamem Familiengedächtnis. Sie entschloss sich, ein Buch darüber zu schreiben, aber es sollte eines sein, das nicht nur vom Leben ihrer ostpreußischen Verwandten und Vorfahren handelt, sondern auch die Geschichte Ostpreußens einbezieht und die berühmten Persönlichkeiten des Landes würdigt. Ihrem Buch gab sie den Titel „Kopf hoch, Arsch im Sattel!“. Damit wird auf eine preußische Haltung angespielt, die Kraft gibt, um vorwärts zu kommen. Dies ist aber nicht die dominierende Tonlage des Buches. Es ist vielmehr getragen von Wärme und Mitgefühl und einem berührenden Nachdenken über menschliches Handeln, eine sehr zeitgemäße Herangehensweise. 

Voglhuber wurde 1958 als Tochter von Annemarie Schallmeiner, geb. Schacht, aus Braunsberg und ihres Vaters Franz Schallmeiner in Kirchham bei Vorchdorf, Bezirk Gmunden, Oberösterreich, geboren. Auf einer Reise durch Ostpreußen besuchte Voglhuber die verfallene Hofstelle ihrer Großeltern Schacht in Sonnenstuhl bei Braunsberg. Am Frischen Haff lag sie lange im Sand und hörte dem Rauschen des Meeres zu wie unzählige Menschen vor ihr, die im Land zwischen Weichsel und Memel gelebt haben. 

So beginnt ihr Buch denn auch mit einem Rück-blick auf die 800-jährige Geschichte des ursprünglich von prußischen Stämmen bevölkerten Ordenslandes. Bald schon richtet sie den Blick auf eine immerhin sehr wahrscheinliche familiäre Verbindung zu einer prominenten Seligen der katholischen Kirche. In Braunsberg suchte sie die Katharinenkirche auf und gedachte der Ordensgründerin Regina Protmann (1552–1613), der berühmtesten Tochter des Ermlands. 1571 gründete Protmann mit gleichgesinnten jungen Frauen eine geistliche Lebensgemeinschaft, aus der sich die „Kongregation der Schwestern von der Heiligen Jungfrau und Märtyrerin Katharina von Alexandrien“ entwickelte, kurz Katharinenorden genannt. Angesichts der Tatsache, dass Voglhuber von Johann Protmann aus Braunsberg abstammt, der ihr Ururgroßvater war, liegt die Annahme durchaus nahe, dass Reginas Vater Peter Protmann auch ihr Vorfahr gewesen ist. Die Braunsberger Katharinenschwestern waren Vorbilder für alle später gegründeten Krankenpflegeorden. Am 13. Juni 1999 wurde Regina Protmann von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Voglhubers Urgroßeltern – die Eltern ihres Großvaters Paul Schacht – waren die Hofbesitzer Johann Schacht (1844–1910) und Barbara Schacht geb. Kuhn (1853–1922) aus Arnsdorf, Kreis Heilsberg im Bistum Ermland. Johann Schachts Vater hatte für den Bau des Arnsberger Bahnhofs im Jahr 1830 einen Teil seiner Ländereien abgeben müssen. Dafür kam man seinem Wunsch nach, dass der Bahnhof im Ortsgebiet gebaut wurde und nicht außerhalb, wie es damals üblich war. 1920 heirateten Paul Schacht (geb. 1884 in Arnsdorf, gest. 1960 in Vöcklabruck, Österreich) und die Hofbesitzerstochter Hedwig Marquardt aus Braunsberg (geb. 1894 in Braunsberg, gest. 1969 in Vöcklabruck). Eines der im Buch abgebildeten Fotos zeigt Paul Schacht in Husarenuniform, darunter das Motto „Kopf hoch, Arsch im Sattel!“. 

Hedwigs Brüder Franz und Bernhard fielen im Ersten Weltkrieg. Daher bewirtschaftete Hedwig einige Jahre die beiden großen Braunsberger Höfe ihrer Eltern. Dazu gehörte auch die Vermietung eines Platzes für den Zirkus und andere Veranstaltungen. Offenbar wurden die Höfe dann verkauft. Während der Inflationsjahre erwarb das junge Ehepaar Schacht von Hedwigs Erbe einen Hof in Wahrendorf [Prawdowen] bei Nikolaiken, Landkreis Sensburg, da es im Umkreis von Braunsberg keine entsprechenden Angebote gab. Die drei ältesten von ihren insgesamt sieben Kindern wurden hier geboren. Einige Jahre später wurde das alte Rittergut Sonnenstuhl bei Braunsberg parzelliert und neu besiedelt. Hedwig und Paul Schacht erwarben eine Parzelle und zogen wieder in die Nähe ihrer Braunsberger Verwandtschaft. Von den vier jüngeren Kindern, die in Sonnenstuhl geboren wurden, war Roswitha Voglhubers Mutter Anneliese das jüngste. 

Zu ihnen zog auch Hedwig Schachts gehbehinderte Schwester Anna mit ihrer Familie aus Berlin. In der Großstadt hatte die Handwerkerfamilie in den Krisenjahren seit 1929 kein Auskommen mehr gefunden. Der Hof wurde modernisiert, Scheunen und Ställe ausgebaut. Zur Landwirtschaft gehörten Rinderhaltung, Milchwirtschaft, Trakehnerpferde, Schweine und Federvieh. Turnusmäßig lieferten die Bauern die Milch von den umliegenden Höfen zur Molkerei. Dabei nutzte ihr Großvater immer die Gelegenheit, um mal richtig einen zu heben… Einmal im Jahr fuhren sie mit dem Pferdewagen ans Meer, wo sich die gesamte Verwandtschaft traf. 

Im Zweiten Weltkrieg starben zwei ihrer Onkel als Soldaten an der Ostfront. In der Mitteilung eines Vorgesetzten anlässlich des Todes ihres Onkels Ernst Schacht, der am 2. Februar 1943 in der Ukraine starb, steht: „Möge Ihnen der Stolz darüber, dass Ihr Sohn in den Reihen der ruhm- und ehrenreichen Division ‚Großdeutschland‘ gestanden und gestritten hat, ein gelinder Trost in Ihrem großen Leid sein.“

Von der letzten Zeit, von den traumatischen Erlebnissen bei Kriegsende und der Flucht ihrer Mutter über das Eismeer, erzählt die Autorin abwechselnd aus ferner und naher Perspektive. Es ist ihr merklich schwergefallen. Die Geschwister Magdalena, Paul und Annemarie wurden von ihren Eltern zusammen mit Flüchtlingen aus dem Memelland, die bei ihnen einquartiert waren, auf die Flucht in den Westen ge-schickt. Zwei Tage und eine Nacht waren sie auf dem Eis des Frischen Haffs unterwegs. Durch die zerstörte Stadt Danzig, durch Pommern und Mecklenburg führte ihr Fluchtweg bis nach Schleswig-Holstein. Auch vom Schicksal ihrer zurückgebliebenen, von russischen Soldaten missbrauchten und ermordeten Tante Hedwig war zu berichten. Ihre Großeltern wurden auf ihrem Fluchtweg in der Kaschubei von Russen eingeholt und zurück nach Ostpreußen geschickt. 1947 wurden sie von den Polen ausgewiesen. Zunächst lebten sie in Magdeburg, später dann auf einem kleinen Bauernhof in Raschbach bei Vöcklabruck. 

Auch Annemarie zog zu ihren Eltern nach Österreich. Alle arbeiteten sehr hart in der Landwirtschaft. 1955 heirateten Annemarie Schacht und Franz Schallmeiner aus Kirchham bei Vorchdorf. Ihren fünf Kindern hat Anneliese Schacht oft gesagt: „Wir leben in einem so guten Land, und ihr sollte es einmal besser haben als ich!“. „Dafür hat meine Mutter sehr viel getan“, stellt die Autorin zum Schluss dankbar fest.