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25.05.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth / Foulspiel ohne Abpfiff / Wie man den Ball flach hält, warum Kunst vor Jugend kommt, und wovon es abhängen kann, ob eine Abschiebung klappt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-18 vom 25. Mai 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Foulspiel ohne Abpfiff / Wie man den Ball flach hält, warum Kunst vor Jugend kommt, und wovon es abhängen kann, ob eine Abschiebung klappt

Klar machen die Foulspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan weiter. Wer etwas anderes erwartet hätte, wäre noch naiver, als die beiden vorgaben es zu sein. Aus Sicht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mag das vergnügliche Treffen mit dem netten Herrn Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Londoner blöd gelaufen sein, aber so blöd ist man beim DFB nicht, bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland ohne die beiden hochdotierten Stars anzutraben. Das wäre mehr als ein dämliches Eigentor. Also dribbelt man ein bisschen aus Empörung und hält den Ball flach, das genügt, um im Spiel zu bleiben. Denn die beiden Lausejungen, die türkischen, die haben sich doch nichts dabei gedacht, als Mesut twitterte, er sei „in guter Gesellschaft heute Abend“, und Ilkay Erdogan ein Trikot überreichte mit der Aufschrift „Für meinen Präsidenten, hochachtungsvoll“. So sind sie eben, die Lausbuben, die türkischen. Um das richtig einzuordnen, nämlich ganz weit unten, muss man wissen, „wie Türken ticken“. 

Darauf weist uns der Teammanager Oliver Bierhoff hin. Für solch eine notwendige Zuordnung sind wir stets dankbar. Nur leider hat der Herr Bierhoff verabsäumt, zu erklären, wie er das mit den Türken meint. Doch wohl nicht nach dem Motto: einmal Türke, immer Türke. Das wäre der blanke Rassismus, ein in diesem Fall vollkommen berechtigter Vorwurf. Merke: Volkstum ist schwer verdächtig, Türkentum ist sentimentale Sehnsucht nach den Wurzeln. Jedenfalls wird uns das so vermittelt. Özil und Gündogan müssen tief wurzeln. Beide wurden in Deutschland geboren, die Familien leben in der dritten Generation hier. Der 1990 geborene Gündogan hat einen deutschen und einen türkischen Pass, der zwei Jahre ältere Özil entschied sich 2007 für die deutsche Staatsbürgerschaft. Vermutlich hat ihn diese einseitige Entscheidung so verschreckt, dass er als Nationalspieler dauerhaft den Mund nicht aufbekommt, wenn zu Beginn des Spiels die deutsche Nationalhymne gesungen wird. Wenn so ziemlich alle singen, nur manche manchmal nicht, singt Özil immer nicht. Kloß im Hals oder Krampf in den Kaumuskeln, das ist nicht geklärt. Vielleicht ist das aber auch Özils Beitrag zur Integration, den man beim DFB nach dem Auftritt in London so lobend hervorhob. Jedenfalls ist es ein erfreulicher Nebeneffekt diverser kritischer Kommentare, dass man nicht mehr allein ist, wenn man sich über die verweigerte Hymne ärgert. Sieh an, anderen ist das auch aufgefallen. Bei Erdogan hatte Özil „eine Geste der Höflichkeit“ für angebracht gehalten. Schade, dass er in der Reihe der Nationalspieler „die Geste der Höflichkeit“ für überflüssig hält. Aber vielleicht weiß er nur nicht, wohin er gehört. Vielleicht ist er nur ein bedauernswerter Entwurzelter? 

Vielleicht aber geht es gar nicht um Özil und Gündogan. Das ist so wie bei der Puppe in der Puppe, der erstaunlichen russischen Matrjoschka. In jeder Puppe steckt eine Puppe und noch eine Puppe und noch eine Puppe. Bis man zum Kern kommt, dauert es eine Weile. Was das mit diesem Fall zu tun hat? Vielleicht kann ich das erklären, aber einfach wird es nicht. 

Also, der Özil und der Gündogan, die machen Party mit dem Erdogan. Darüber ist die Aufregung groß, denn jeder weiß, der Erdogan sperrt politische Gegner zu Tausenden ein, kämpft in Syrien gegen die Verbündeten seiner Verbündeten, bezichtigt die deutsche Kanzlerin der „Nazi-Methoden“ und bedient sich derer selbst in reichem Maße. Doch da können wir noch so viele Beispiele für politische Rüpeleien und Schlimmeres anführen, wie wir wollen – und davon gäbe es nicht einen Sack, sondern Säcke voll –, um die es aber gar nicht geht.

Ziehen wir einmal eine Puppe aus der Puppe heraus. Und was zeigt uns diese Puppe, die unter der anderen steckte? Zunächst einmal Werte. Wer auf sich hält, der hat Werte. Eine öffentlich-rechtliche Einrichtung wie der DFB, so bedeutend wie der Bundestag, kommt selbstverständlich ohne einen Wertekanon nicht aus. Den warf dessen Präsident Reinhard Grindel wie ein Notsignal aus: Man respektiere die besondere Situation von Spielern mit Immigrationshintergrund, aber irgendwie passten die Werte des DFB und des Herrn Erdogan nicht zusammen. So weit, so klar. Oder doch nicht? Denn in der Puppe in der Puppe steckt etwas vollkommen anderes. Der DFB bewirbt sich um die Austragung der Europameisterschaft 2024. Und genau diese Spiele hätte der Herr Erdogan gerne in der Türkei. Noch Fragen, wofür diese Nationalspieler geworben haben?

Aber wie es bei der Puppe in der Puppe so ist, es zippelt sich immer noch eine weitere heraus. Weil nämlich jeder, der besser als andere dem Gegner in die Beine grätscht oder manchmal auch Tore schießt, keine Zeit hat, sich um alltäglichen Kram zu kümmern. Also, wie man seine Kohle gewinnbringend anlegt, wie man die Steuer gewinnbringend umgeht, wie man ein Image aufbaut und was sonst noch wichtig sein könnte on the sunny side oft the street. Dazu sind die Berater da, und wer auf sich hält, der hat einen. Weil der Özil und der Gündogan die unbefleckte Unschuld in Person sein sollten, wurden nun diese Berater flugs nach vorne geschoben, Leute, nach denen sonst niemand fragt. Und die es überhaupt nicht mögen, wenn etwas frische Luft an ihren abgeschirmten Kreislauf kommt. Nach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ „werden Özil und Gündogan von der Spielerberatungsagentur ‚Family & Football‘“ betreut. Hübscher Name. Berater der Fußballer soll Erkut Sögüt sein. „Family & Football“ ist verbandelt mit der Gesellschaft ARP Sportmarketing in Hannover. Für die arbeitet Erkut Sögüt auch. Und der Chef dieser Agentur ist Berater des Bundestrainers Joachim Löw. Mehr Puppe in der Puppe geht nicht.

Das ist doch schön, wenn ganz ohne Hintersinn der Kunst freie Bahn geschaffen wird. So ein positives Beispiel hat das Oberverwaltungsgericht in Münster in dieser Woche vom Stapel gelassen. Verhandelt wurde über die Verdammung eines Sammel-Stammel-Albums des Rappers Bushido. Richtig, über diesen Künstler mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Youssef Ferchichi hatten wir gerade kürzlich berichtet. Dessen Album „Sonny Black“ hatte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien vor zwei Jahren auf den Index gesetzt, es durfte nicht mehr an Kinder und Jugendliche verkauft werden. Das ist schlecht für einen Rapper, denn wer außer Kindern und Jugendlichen kauft denn so was? Also klagte Bushido. Begründet hatte die Prüfstelle die Entscheidung mit Textstellen, die Gewalt und Kriminalität verherrlichen, frauen- und homosexuellenfeindlich seien. Falsch, entschieden jetzt die Richter, die Prüfer hätten nicht ausreichend zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit entschieden. Da bedurfte es gar nicht mehr des bemerkenswerten Arguments des Bushido-Anwalts, nach dem Jugendlichen heute sehr viel wirklichkeitsnähere Darstellungen von Sex und Gewalt zugänglich seien. Und es sei viel besser, Gewalt in Texten als mit der Faust auszudrücken. So gesehen, leistet Bushido, der in der Vergangenheit mit arabischen Clans in Berlin in Verbindung gebracht wurde, echte jugendtherapeutische Arbeit. Das hatten die von der Prüfstelle wohl nicht ausreichend bedacht.

Jetzt haben die Italiener den Randalierer von Ellwangen am Hals. Jedenfalls den einen davon, den Yussif O., den Togolesen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich tatsächlich mit ihm befasst, allerdings nur, indem es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnte. Einstimmig! Und ganz schnell. Das ist doch mal was. 

Eine andere Abschiebung wird allerdings noch etwas auf sich warten lassen. Wenn sie denn überhaupt stattfindet: Martin Schulz ab nach Brüssel. Es gibt Sozialdemokraten, die sich für diese Idee stark machen. Aber wie das bei außereuropäischen Herkunftsländern der Fall ist, die ihre Landeskinder nicht zurücknehmen wollen, kommt auch in Brüssel für diese Idee keine Freude auf. Die angenehmen Plätz sind alle schon besetzt. Leider.