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01.06.18 / In der Doppelzange / Bundeskanzlerin Angela Merkel wie immer lautlos und angepasst in der Volksrepublik China

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-18 vom 01. Juni 2018

In der Doppelzange
Bundeskanzlerin Angela Merkel wie immer lautlos und angepasst in der Volksrepublik China
Michael Leh

Auch bei der elften China-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel standen die Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund. Auf der Tagesordnung waren diesmal auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie der Ausstieg Wa­shingtons aus dem Iran-Abkommen. Während die Auftragsbücher der deutschen Unternehmen bestens gefüllt sind, baut der chinesische Präsident Xi Jinping die totalitäre Herrschaft weiter aus. 

Der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Holger Steltzner, schrieb in einem Kommentar: „Der Ausrutscher auf dem roten Teppich von Bundeskanzlerin Merkel beim Staatsbesuch in China symbolisiert das neue Verhältnis beider Staaten. Hier die übermüdete, ausgelaugte Kanzlerin, dort der hellwache, selbstbewusste Präsident Xi, der ungerührt weitergeht.“ Steltzner fragte: „Hat Berlin eine deutsche Haltung zu den amerikanischen Strafzöllen, die über das Festhalten am Status quo hinausreicht? Ist es im Interesse deutscher Autohersteller, die EU-Kommission die Verhandlungen führen zu lassen? Reicht es aus, in China wiederholt erfolglos auf Reziprozität zu pochen?“ Merkels Politikstil, so Steltzner, „eine Mischung aus Abwarten und Durchwursteln mit manchmal entschlossenen Kehrtwenden“, reiche für ihren Machterhalt in Deutschland. „Doch taugt er auch für eine Welt im Umbruch?“, fragte er. Es sei Zeit, dass Deutschland seine Interessen definiere. 

Auch das Wirtschaftsmagazin „Wirtschaftswoche“ befand: „Der Kanzlerin fehlt eine außen­wirt­schafts­politische Strategie fur die neue Weltlage.“ Der Ostasien-Experte Georg Blume schrieb auf „Spiegel online“, Merkel bewege sich „geschmeidig und lautlos wie immer“ durch die Volksrepublik China.

Bei der gemeinsamen „Pressebegegnung“ (so das Kanzleramt) mit Ministerpräsident Li Keqiang erwähnte Merkel kurz den offiziellen „Menschenrechtsdialog“ zwischen beiden Staaten. Dabei ist dieser schon lange eine Farce, noch mehr als der sogenannte Rechtsstaatsdialog. Li Keqiang erklärte auf eine Frage nach der unter Hausarrest stehenden Liu Xia, der Witwe des in Haft gestorbenen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, über sein vorausgegangenes Gespräch mit Merkel: „Wir haben auch über Menschenrechte geplaudert. Die chinesische Verfassung schreibt ganz klar vor: Wir schützen und respektieren Menschenrechte.“ 

Den Namen von Liu Xia, die nach jahrelanger Überwachung schwer depressiv erkrankt ist und deren Ausreisefreiheit international gefordert wird, nahm Li Keqiang nicht in den Mund. „Was Einzelfälle anbelangt“, erklärte er, „so hoffen wir, dass man auf der Basis der gleichberechtigten Zusammenarbeit und der gegenseitigen Achtung miteinander sprechen“ könne. Und: Man hoffe, dass eine „angemessene Lösung“ gefunden werden könne – ohne sich irgendwie festzulegen. Der Fall Liu Xia ist dabei nur einer von unzähligen Menschenrechtsverletzungen. Viele Journalisten und Anwälte sind inhaftiert. Politische Gefangene werden zu Geständnissen erpresst und damit im Fernsehen vorgeführt. Die genaue Zahl der vielen Tausend Hinrichtungen wird als Staatsgeheimnis behandelt. Merkel sagte nichts weiter dazu. 

Laut einer Studie des China-Forschungsinstituts „Merics“ in Berlin haben chinesische Investitionen in EU-Länder im Jahr 2017 in zehn von 15 Industriezweigen die aus Europa kommenden Investitionen in China übertroffen. Die EU müsse eine entschlossenere wirtschaftspolitische Agenda gegenüber China verfolgen, forderten die Autoren.

Größter Einzelaktionär von Daimler ist inzwischen der chinesische Milliardär Li Shifu, der über 9,69 Prozent der Anteile im Wert von etwa 7,2 Milliarden Euro verfügt. Merkel erklärte bei der „Pressebegegnung“ mit Li Keqiang: „Wir wissen, dass China vermehrt Investitionen in Deutschland tätigt, und ich will ausdrücklich sagen, dass uns das recht ist, dass das in Ordnung ist.“ Deutschland habe in China im Jahr 2016 Direktinvestitionen in Höhe von 76 Milliarden Euro vorgenommen. „Das sind 2100 deutsche Unternehmen, die in China 731000 Arbeitsplätze mit absichern“, fügte sie hinzu. Man freue sich über die von China angekündigte „Öffnung in einigen Bereichen“, zum Beispiel in der Finanzwirtschaft. 

Zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran erklärte Merkel in Peking: „Wenn es Sanktionen gibt, dann kann es sein, dass ein Teil der europäischen Unternehmen aus dem Iran weggeht. Natürlich entsteht dann die Möglichkeit, dass andere dann mehr in den Iran hineingehen können. Das muss dann aber die chinesische Entscheidung sein, dem kann ich nicht vorgreifen. Auf jeden Fall eint uns die Haltung, dass wir dieses Abkommen nicht zur Disposition stellen wollen.“

Der Wirtschaftsexperte Mikko Huotari vom „Merics“ erklärte kurz vor der Merkel-Reise in Berlin, Deutschland befinde sich in einer „höchst problematischen Doppelzange“: „Auf der einen Seite ein dezidiert illiberales China, das kurz- und mittelfristig Stabilität in einigen zentralen Fragen verspricht. Auf der anderen Seite ein unilaterales Amerika, das kurz- und mittelfristig deutscher Außenpolitik und Außenwirtschaft den Teppich unter den Füßen wegzieht.“ Huotari prognostizierte zugleich, dass 2018 „ein Rekordjahr für deutsche Unternehmen im chinesischen Markt“ sein werde. Deren Auftragsbücher seien „extrem gut gefüllt“.

Die Sinologin Kristin Shi-Kupfer vom „Merics“ erklärte, die Merkel-Reise finde während „beunruhigender innenpolitischer Bedingungen“ in der Volksrepublik statt. Der „sehr grundsätzliche Verfassungsumbau in Richtung eines totalitären Parteistaates“ nehme jetzt langsam Gestalt an. Sie verwies auch auf jüngste „sehr beunruhigende und sehr ernst zu nehmende“ Berichte über Umerziehungslager in der westlichen Provinz Xinjiang.