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01.06.18 / Vom Goldstrand zur Goldmine / Bulgariens antike Schätze lassen die Balkanrepublik unerwartet glänzen und zur Wiege europäischer Kultur werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-18 vom 01. Juni 2018

Vom Goldstrand zur Goldmine
Bulgariens antike Schätze lassen die Balkanrepublik unerwartet glänzen und zur Wiege europäischer Kultur werden
Helga Schnehagen

Nach der Erforschung des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients richtet sich der Blick der Archäologen heute verstärkt auf die Schwarzmeerküste und Südosteuropa.

Erst 2016 wurde in Nordbulgarien eine Tonplatte mit Symbolen gefunden, bei denen es sich nach Meinung der Ausgräber um eine Bildschrift handelt. Sollte sich diese Vermutung bewahrheiten, würde der Fund die These unterstützen, dass man in Europa schon vor 5000 Jahren eine Schrift kannte, lange bevor diese – wie man bisher annimmt – in Mesopotamien „erfunden“ wurde.

Nur wenige Wochen zuvor, so wird ebenfalls vermeldet, fand man in Südbulgarien ein kleines Schmuckkettenglied aus der Zeit um 4600 v. Chr. Ein Goldartefakt, das vielleicht noch älter ist als der Goldschatz von Varna an der Schwarzmeerküste, der auf die Zeit zwischen 4600 bis 4200 v. Chr. datiert wird. Dabei handelt es sich um Grabbeigaben einer etwa 300 Gräber umfassenden kupferzeitlichen Nekropole, auf die man 1972 zufällig bei Bauarbeiten stieß.

Die über 2000 Preziosen aus fast reinem 23,5-karätigem Feingold – Halsketten, Armreifen, Brustschmuck und unterschiedliche Gefäße von insgesamt rund sechs Kilogramm Gewicht – galten bisher als das älteste bearbeitete Gold der Welt. Herausragend ist das Skelett eines 45-jährigen Mannes, dem man 100 fein gearbeitete Schmuckstücke mit auf die letzte Reise gab.

Bulgarien ist ein kleines Land mit gut sieben Millionen Einwohnern. Rund 110000 Quadratkilometer beträgt seine Fläche zwischen der Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Rumänien und dem Schwarzen Meer, nicht einmal ein Drittel der Größe Deutschlands. Doch obwohl das Land nur gerade zwei Prozent des europäischen Territoriums ausmacht, sind in ihm rund 40000 historische Stätten gelistet, davon sieben als Welterbe der Unesco, 36 Kulturreservate, 160 Klöster sowie rund 330 Museen und Galerien. Eine kulturelle Fülle, die sich allein aufgrund der zigtausend offiziell noch ungeöffneten Hügelgräber fast täglich vergrößert. Bereits „verdoppelt“ hat sich das weltberühmte Thrakergrab von Kasanlak. Um seine einzigartige Ausmalung zu schützen, hat man für Besucher eine Kopie errichtet.

Mit der Wanderausstellung „Gold der Thraker“ machte Bulgarien seine Kulturschätze bereits 1979/80 in der Bundesrepublik bekannt. Seitdem sind viele neue Schätze hinzugekommen. Die Ausstellung „Das goldene Reich des Orpheus“ 2004 in Bonn trug dem bereits Rechnung. In den letzten Jahren verblüfften Bulgariens Goldschätze Millionen überraschter Besucher im Louvre von Paris, in Moskau und im Nationalmuseum für Westliche Kunst in Tokio. Vom 2. September bis 10. Dezember macht die Ausstellung Station im Bryggens Museum von Bergen in Norwegen.

Zuvor hatte Wien von März bis Juni dieses Jahres „Das erste Gold“ im Kunsthistorischen Museum präsentiert. Dabei stand der unscheinbare Name Ada Tepe für einen archäologischen Sensationsfund im Mittelpunkt. Denn hier, im bulgarischen Rhodopen-Gebirge bei Krumowgrad, wurde das einzige bekannte prähistorische Goldbergwerk Europas entdeckt, wo von etwa 1500 v. Chr. bis zum Ende der Bronzezeit um 1000 v. Chr. der Abbau des Edelmetalls betrieben wurde. Wissenschaftler der Österreichischen und Bulgarischen Akademie der Wissenschaften erforschen seit 2016 die dort gemachten Funde und sind dabei vielleicht sogar der Quelle des Goldes für die sagenhaften Reichtümer von Mykene und Troja auf die Spur gekommen.

Die Exponate der Ausstellungen, wie beispielsweise der 1924 per Zufall in Nordbulgarien entdeckte Schatz von Valchitran, mit 12,5 Kilogramm Gold der größte Fund seiner Art aus der Bronzezeit, kommen aus diversen bulgarischen Museen: dem Nationalen Historischen Museum Sofia, den Archäologischen und Historischen Regionalmuseen in Veliko Tarnovo, Ruse, Silistra, Varna, Shumen, Razgrad, Svishtov, Plovdiv, Burgas, Elhovo, Radnevo, Sliven, Smolyan oder etwa auch Kardzhali.

Die Liste zeigt, Bulgariens Schatzkammer verteilt sich über das ganze Land. Außerhalb der Republik wandern die thrakischen Preziosen anlässlich der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft von Bergen weiter an einen noch zu bestimmenden Ort, wo sie bis Juni 2018 zu sehen sind. Danach wird Plovdiv, Bulgariens zweitgrößte Stadt, als Kulturhauptstadt Europas 2019 mit einer repräsentativen Ausstellung sämtlicher wichtiger thrakischen Schätze glänzen.

Wer waren die Thraker? Herodot (zirka 490 bis 424 v. Chr.) beschreibt sie so: „Das thrakische Volk ist nach dem indischen das größte der Erde. Wäre es einig und hätte es nur einen Herrscher, so wäre es unbesiegbar und meiner Meinung nach bei weitem das mächtigste Volk, das es gibt.“ Tatsächlich bewohnten die etwa 90 namentlich bekannten Stämme der Thraker über Jahrtausende fast die ganze Balkanhalbinsel und das westliche Kleinasien. Ihre Wurzeln mögen bis um 7000 v. Chr. zurückreichen. Ihr Kernland war Bulgarien.

Erst im 5. vorchristlichen Jahrhundert gelang es Teres vom führenden Stamm der Odrysen, ein Königreich zu gründen, das später durch Philipp I. und seinen Sohn, Alexander den Großen, unter makedonische Herrschaft kam. Anschließend kämpften Griechen, Römer und Slawen um Thrakien und beherrschten es. Doch erst 681 gingen die Thraker im Großbulgarischen Reich auf.

Alte Schriften von den Thrakern hat man bisher nicht gefunden. Dafür aber kennt man ihr Gesicht, zumindest das des Odrysen-Königs Teres. Seine Toten- mas­ke aus 23,5-karätigem Gold konnte gleich in zwei Grabhügeln im Tal der thrakischen Könige um Kasanlak etwa 160 Kilometer östlich von Sofia gefunden werden: 2004 bei Shipka und 2007 bei Topoltschane.

Bis heute wurden mehr als 80 Schätze der Thraker „gehoben“. Einer der bekanntesten ist der Goldschatz von Panagjurischte. Schon in der Antike war das thrakische Edelmetall legendär. Aristoteles berichtet: „Im makedonischen Pieria siedelten die Pierianer [ein thrakischer Stamm] in unmittelbarer Nähe des Pangaion-Gebirges, wo Gold gesät, Goldbäume gezogen und Gold geerntet wird.“