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01.06.18 / Wer war Preußens Größter? / Unbedeutend war kaum einer von ihnen, doch einige Hohenzollernfürsten ragen deutlich aus ihrer Ahnenreihe hervor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-18 vom 01. Juni 2018

Wer war Preußens Größter?
Unbedeutend war kaum einer von ihnen, doch einige Hohenzollernfürsten ragen deutlich aus ihrer Ahnenreihe hervor
Erik Lommatzsch

„Größe“ liegt zwar im Auge des Betrachters. Doch der bemerkenswerte Aufstieg Brandenburg-Preußens wäre ohne seine Herrscher, denen die Geschichte den Beinamen „der Große“ verlieh, nicht denkbar gewesen.

Mehr oder weniger sinnvolle Ranglisten und Siegerpodeste lauern allerorten. In der Regel geht es darum, etwas zu verkaufen. Dem Trend folgend, jedoch frei von kommerziellen Gedanken, stellen wir hier die Frage nach der „Größe“ der preußischen Könige. Was wird heute mit diesen Herren verbunden? Wer verdient ein solches Attribut? Gibt es andere Charakterisierungen? 

Am Anfang der Geschichte der Hohenzollernherrschaft in der Mark steht Anfang des 15. Jahrhunderts die Übertragung der brandenburgischen Kurwürde auf den Nürnberger Burggrafen. 1618 kam das namensgebende Preußen durch Erbanfall hinzu. Doch erst nach dem Dreißigjährigen Krieg begann der eigentliche Aufstieg des Hohenzollernstaates. Den Schlusspunkt markiert der Erste Weltkrieg. Zehn brandenburgisch-preußische Regenten kennt diese Erfolgsgeschichte. Auch wenn es einer davon nicht zur Königswürde brachte, so sei er doch in unsere Überlegung, wer denn ein „großer“ preußischer König gewesen ist, einbezogen.

Dreimal bedachte die Geschichte einen preußischen Herrscher mit dem Beinamen „der Große“. Da wäre zunächst gleich der erste in unserer Reihe, der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm, der die Geschicke Brandenburg-Preußens von 1640 bis 1688 lenkte. Dann sein Urenkel, Fried­rich der Große, dessen Regierungszeit ziemlich genau 100 Jahre später zu datieren ist, zwischen 1740 und 1786. Die Benennung dieses Königs mit dem ehrenden Beinamen ist – außer bei Preußenskeptikern und überkorrekten Historikern – wesentlich geläufiger als das schlichte „Friedrich II.“ Der letzte Preußenherrscher, dem die Größe namentlich beigefügt wurde, ist Wilhelm I., Regent 1858, König 1861 und 1871 schließlich noch Deutscher Kaiser. 

Seine Aufgaben erfüllte er, bis er 1888 fast 91-jährig verstarb. Im Unterschied zu den beiden anderen Herrschern war die Benennung in „Wilhelm der Große“ eine posthume Initiative, vor allem um ein Projekt seines Enkels. Kaiser Wilhelms II. wollte den Großvater auf den bereits von Bismarck besetzten Sockel des Reichsgründers stellen. Zwar ging „Wilhelm der Große“ nicht ins allgemeine Gedächtnis ein, jedoch zeugen Publikationen und Inschriften der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende noch immer von der Beharrlichkeit entsprechender Anstrengungen. 

Grundlos und inflationär wurde der Zusatz „der Große“ durch die Geschichtsschreibung nicht vergeben. Dennoch: Spätestens mit dem Evangelisten Matthäus (und für uns mit seinem Übersetzer Martin Luther) ist die Aufforderung, die Dinge an den Früchten, in unserem Falle, den Taten, zu erkennen, sprichwörtlich geworden. 

Mit Friedrich Wilhelm von Brandenburg verbindet sich die Konsolidierung des großflächigen, aber zum Teil unverbundenen Landes, der unfruchtbaren „Streusandbüchse“ des Reiches. Die Stände hielt er in Dauerschach, letztlich ging die Partie für die Mitspracheansprüche der Adligen weitgehend und dauerhaft verloren. Bei Fehrbellin schlug er die Schweden, hier wurde er der „Große Kurfürst“ und seine Armee war fortan ein Begriff. Durch das „Edikt von Potsdam“ 1685 ließ er die vertriebenen französischen Hugenotten ins Land kommen, was seinem Land einen kräftigen Schub versetzte. 

Der Sohn des Großen Kurfürsten setzte sich – und damit auch indirekt seinen Nachfolgern – 1701 als Friedrich I. die Krone auf, er war nun König „in“ Preußen. Der „schiefe Fritz“, so genannt wegen seiner Körperhaltung aufgrund einer Verletzung, hielt viel von Prunk und Pomp – mit entsprechenden finanziellen Folgen. Völlig anders geartet war sein Sohn Friedrich Wilhelm I.: Sparsam und persönlich anspruchslos. Schulpflicht, Verwaltungsorganisation, Beamtentum, eine am Ende wieder gut gefüllte Staatskasse und vor allem ein riesiges Heer kennzeichnen das Wirken des „Soldatenkönigs“, der trotz des Beinamens Kriege verabscheute. Misst man den Beinamen „der Große“ an der Aufbauleistung, so hätte dieser König das Attribut eher verdient als sein Sohn. Der jähzornige Friedrich Wilhelm I., der auch schon mal Untertanen prügelte und einmal dabei ausgerufen haben soll, man solle ihn doch lieben und nicht fürchten, verfügte über keinen Glanz. Ganz anders als Fried­rich der Große, der als Schöngeist startete und sich in drei Kriegen durchsetzte. Religiös tolerant war der große Friedrich bis zur Ignoranz. So forderte eine pommersche Gemeinde, der König solle ihren Pfarrer ersetzen, dieser habe die Auferstehung angezweifelt. Friedrich hielt an dem Pfarrer fest und äußerte, wenn dieser am jüngsten Tag nicht mit aufstehen wolle, so möge er liegen bleiben. Interessanterweise „entdeckte“ die DDR, im Gegensatz zur Bundesrepublik, Friedrich wieder, um ihn, denkmal- und biografiegeehrt, in ihr Geschichtsbild einzufügen.

Seine drei Nachfolger bekamen andere Beinamen. Friedrich Wilhelm II. wurde seinerzeit „dicker Lüderjahn“ genannt. Wenn auch durchaus von Sympathie getragen  – nach „groß“ klingt das nicht. Friedrich Wilhelm III. hat ein moderner Biograf als „Melancholiker auf dem Thron“ apostrophiert. Er gilt als schwach, der Zusammenbruch Preußens 1806 wird ihm angelastet. Zudem steht er im Schatten der  Königin Luise. Friedrich Wilhelm IV. hingegen war der „Romantiker auf dem Thron“, das weniger schmeichelhafte Image als „Butt“ pflegte er auch selbstironisch. Bei freier Berufswahl wäre er wohl Architekt geworden. In der Revolution von 1848/49 gab er aber eine wenig glückliche Figur ab.

Wilhelm I. – oder eben Wilhelm der Große – soll einmal geäußert haben, es sei nicht leicht, unter Bismarck Kaiser zu sein. Er stehe Schatten des Kanzlers, aber auch im Licht von dessen Erfolgen. Ein kaum zu überschätzendes Verdienst Wilhelms I. ist es, dass er fähige Männer gewähren ließ. 

Mit der Annahme des Kaisertitels sah er das Ende seines geliebten Preußen gekommen und war doch als Kaiser nahezu unumstritten. Diszipliniert bis zum Ende, nahm er noch im hohen Alter die Parade zu Pferde ab – der oberste Kriegsherr lässt sich nicht in der Kutsche an seinen Soldaten entlangfahren. Angeblich war er so beliebt, dass nach seinem Tod sämtliche Berliner Freudenhäuser eine Woche lang schwarz ausgeschlagen waren. Die Regierung seines Sohnes blieb Episode. Und Wilhelm II. als „Großer“? Zu Anfang des 20. Jahrhunderts vielleicht, mit Blick auf Preußen und das Deutsche Reich. Aber der – falsche – Makel der Kriegsschuld lastet auf ihm nachhaltig, ebenso wie – zu Recht – die Flucht ins Exil im November 1918. 

Bilanz: Dem „Soldatenkönig“ sollte man vielleicht etwas mehr auf der historischen „Habenseite“ verbuchen, als ihm bislang zugestanden wird. Einen neuen „Großen“ werden wir dennoch nicht finden. Und was unterscheidet die „Großen“ nun von den anderen? Sie trugen dazu bei, Preußen zu dem zu formen, was es heute für uns vor allem ausmacht: Weniger eine Nation und nur bedingt eine Landschaft – sondern ein Stil.