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01.06.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Duell in Rom / Wie wir den Bamf-Skandal einfangen, wer in Italien auf den Volkswillen uriniert, und warum die »Märkte« nervös werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-18 vom 01. Juni 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Duell in Rom / Wie wir den Bamf-Skandal einfangen, wer in Italien auf den Volkswillen uriniert, und warum die »Märkte« nervös werden

Ob das jetzt richtig böse wird für die verantwortlichen Politiker bis hinauf zur Kanzlerin? Kaum anzunehmen. Gut, ein bisschen peinlich ist das schon, was da im „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ (Bamf) aufgeplatzt ist. Aber sorgen Sie sich nicht zu sehr, das kriegen wir alles wieder unter den Teppich geschoben, wo es in aller gebotenen Stille vor sich hin müffelt, ohne großes Aufsehen zu erregen.

Warum ich da so zuversichtlich bin? Weil fast alle dabei waren! Sicher, Angela Merkel und ihr Intimus, der damalige Kanzleramtsminister und „Flüchtlingsbeauftragte“ Peter Altmaier, haben den Schlamassel von oben verursacht. Doch wer gesehen hat, wie Katrin Göring-Eckhardt herumeiert, der merkt schnell, was die Fraktionschefin der Grünen natürlich auch ganz genau weiß: Wenn es nach ihrer Truppe oder nach dem Willen der Linkspartei gegangen wäre, wäre das Chaos beim Bamf noch deutlich dramatischer ausgefallen.

Als Komplizen agierten auch Medien, die 2015 auf jeden losgegangen sind, der Zweifel hegte, dass der Millionenansturm an Asylsuchern zu bewältigen sei. Solche Leute schürten „Ängste in der Bevölkerung“, haben sie den Zweiflern damals um die Ohren gehauen. Und was ist mit den Kirchen, den Gewerkschaften oder gar den Wirtschaftskapitänen, die seinerzeit jubilierten, da kämen per Flüchtlingsticket „genau die Leute, die wir brauchen“, mit denen wir „ein neues Wirtschaftswunder“ zaubern? 

Keiner der Komplizen der merkelschen Hereinspaziert-Politik verspürt das brennende Interesse, die Ursachen und Verantwortlichkeiten eines Skandals aufzudecken, dessen Keim er selbst mit gelegt hat. Die Komplizenschaft könnte dabei schließlich selbst zum Vorschein kommen.

Zudem wabert die Befürchtung durch den Raum, die AfD könnte die Aufarbeitung der Missstände zur Abrechnung mit Merkels Asyl- und Einwanderungspolitik „missbrauchen“. Na sowas: Die Folgen einer gescheiterten Politik auf deren Ursachen zurückzuführen ist also „Missbrauch“. Eine erstaunliche Interpretation! FDP-Chef Christian Lindner sieht es übrigens anders. Es sei genau umgekehrt: Wenn jetzt nicht aufgeklärt werde, spiele das der AfD in die Hände. Soll das heißen, die Freidemokraten hätten den Untersuchungsausschuss gar nicht gefordert, wenn die AfD nicht neben ihnen im Bundestag säße? Für diese Blumen sind Frau Weidel und Herr Gauland den Liberalen ein hübsches Dankeskärtchen schuldig.

Da nun sowieso alle aufgescheucht sind, hilft nur noch der gute alte Trick, der in solchen Situationen immer am besten zieht: Ordentlich Getöse machen, „lückenlose Aufklärung“ fordern und dabei den Blick der Öffentlichkeit listig auf Nebenaspekte ablenken. So werden Linkspartei und Grüne ganz besonders genau wissen wollen, wann Horst Seehofer was von wem erfahren hat und wann er wem welche Weisung erteilt oder eben nicht erteilt hat. In dem Gewurschtel verschwindet das eigentliche Versagen, also die obergrenzenlose Grenzöffnung unter der dämlichen Parole „Wir schaffen das“, ganz von selbst aus dem Blick. Damit bleibt der AfD auch nichts mehr zum „missbrauchen“.

Dass unser Staat an seinen Grenzen auch handlungsfähig sein kann, wenn er will, hat er soeben bewiesen: Die Eltern von Schulschwänzern, die einen oder zwei Tage zu früh in die Pfingstferien verschwinden wollten, wurden bei der Ausreise gestellt. Die eingefangenen Eltern dürften die Nachrichten über das Bamf-Versagen wegen der politisch gewollten Aufgabe von Grenzkontrollen bei Ausländern ganz besonders genießen. Wissen sie doch jetzt genau zu unterscheiden, bei welchen Leuten die Staatsmacht knallhart durchgreift und bei wem sie Gesetzesbruch (wie etwa illegale Einreise) toleriert.

Manche warnen ja, die Politik solle den Bogen nicht überspannen, irgendwann würde es den Bürgern zu viel. Wirklich? Und dann? Ja, stellen wir uns doch wirklich mal vor, die Deutschen hätten die Nase voll und würden das an der Urne auch zum Ausdruck bringen. Was wäre dann?

Seit Montag versucht der Staatspräsident unseres Euro-Partners Italien, diese Frage zu beantworten. Die Italiener haben mehrheitlich Parteien gewählt, die vom Euro nicht sonderlich angetan sind. Diese Parteien wollten folgerichtig die nächste Regierung bilden, dürfen sie aber nicht. Präsident Sergio Mattarella hat es verhindert, da ihm der vorgeschlagene Wirtschaftsminister nicht passt, weil der ein Euro-Kritiker ist.

„Der Wirtschaftsminister muss in seiner Person eine Botschaft des Vertrauens in Europa geben“, so Mattarella in seiner Begründung. Das dürfe niemand sein, der „den Austritt Italiens aus dem Euro plant“.

Manchen Italiener hat diese Auskunft überrascht. Er hatte sich das mit der Demokratie anders vorgestellt. Mit einem Male darf sein Land nicht mehr derjenige regieren, der die Mehrheit hat, sondern nur einer, der Brüssel zu Willen ist und im Euro-System bleiben möchte. Man muss das wohl eine von Brüssel „gelenkte Demokratie“ nennen. Demokraten vom Schlage Mattarellas sind es übrigens, die den „Autokraten“ Putin verachten und mit Ungarns Orbán auch nichts zu tun haben wollen, weil der kein richtiger Demokrat sei.

Einige Beobachter nennen den Vorgang in Rom einen Staatsstreich. Übertrieben? Zumindest will es Mattarella wirklich kochen lassen: Nachdem er den Volkswillen skalpiert hatte, setzte der Staatspräsident den Italienern Carlo Cottarelli als Übergangspremier vor die Nase.

Ausgerechnet der: Cottarelli war bis 2013 fünf Jahre lang als ranghoher Mitarbeiter beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington tätig. Damit kommt er für seine Landsleute direkt aus der Hölle, denn seit Ausbruch der Finanzkrise vor zehn Jahren ist der IWF für die Südeuropäer der Inbegriff des Bösen. Nach diesen fünf Jahren fungierte der einstige IWF-Mann noch kurz als „Sparkommissar“ in seiner Heimat, was ihn auch nicht eben populärer machte.

Man kann es nicht anders sagen, die Sache ist wirklich aufregend. Wir erleben die offene Machtprobe zwischen einer Elite, die auf den Volkswillen uriniert und den Pöbel hernach auch noch bis aufs Blut reizt. Wer wird sich wohl durchsetzen? 

Sollte Mattarella als Sieger aus dem Duell zwischen Volk und Macht hervorgehen, eröffnet das ganz neue Horizonte. Bislang waren die Mächtigen ja immer von der leisen Angst getrieben, dass sie das Volk vom Hof jagen könnte, wenn sie es zu weit treiben. 

Italien könnte diese Angst als unbegründet abräumen. Welche Erleichterung! Wie gesagt, wenn Mattarella gewinnt und das Volk unterliegt.

Die „Märkte“ sind sich aber keineswegs sicher über diesen Sieg. Dort wächst vielmehr die Nervosität, dass jetzt alles noch viel schlimmer kommen und das Volk erst richtig aufbegehren könnte, weil man es derart offensichtlich vorgeführt hat. Für so einen Fall hat man leider gar keine Strategie parat.

Bislang hatte man daher auf Provokationen à la Mattarella verzichtet und sich lieber darauf verlegt, eine gefährliche, „populistische“ Regierung nach der Wahl schrittweise „einzubinden“, auf Deutsch: zu kaufen. Mit der Methode haben sie selbst den rebellischen Alexis Tsipras erfolgreich leiser gedreht, warum also nicht auch die italienischen Euro-Umstürzler von der Lega Nord und den Fünf Sternen? 

Vielleicht deshalb, weil für weitere Vertuschungsmanöver, mit denen man den griechischen Vulkan abgekühlt hatte, die Mittel fehlen. Weil Italien auch viel zu groß ist, um es auf die in Hellas geübte Art und Weise gesund zu schminken. Stattdessen wagt man notgedrungen den großen Knall. Was uns trösten mag: Da es in Italien passiert, hat die Vorstellung immer auch etwas Komisches.