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08.06.18 / Den Horizont erweitern / Streit um Gauland-Rede: Wie die deutsche Debatte gesunden könnte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-18 vom 08. Juni 2018

Den Horizont erweitern
Streit um Gauland-Rede: Wie die deutsche Debatte gesunden könnte
Hans Heckel

An der vielkritisierten Rede von AfD-Co-Chef Gauland könnte sich eine konstruktive Debatte entzünden. Wenn wir denn wollen.

Mit seiner Rede auf dem Bundestreffen der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) im thüringischen Seebach hat AfD-Co-Chef Alexander Gauland einen Sturm ausgelöst. Gauland bekannte sich zur Verantwortung für die Verbrechen der Nationalsozialisten, bezeichnete die „zwölf verdammten Jahre“ jedoch als „Vogelschiss“ im zeitlichen Verhältnis zu der hundertmal längeren übrigen deutschen Geschichte, die er als „ruhmreich“ würdigte.

Konkret wird Gauland vorgehalten, mit der Formulierung „Vogelschiss“ nicht nur die im Verhältnis zur gesamten deutschen Geschichte sehr kurze Dauer der NS-Zeit gemeint zu haben, sondern auch das Ausmaß der dort begangenen Verbrechen zu verniedlichen. Dies trug ihm Kritik nicht nur vom politischen Gegnern, sondern auch von Seiten der AfD-Spitze ein. 

Was hat Gauland zu der Aussage bewegt? Das ist die Frage, die nun aufgeheizt diskutiert wird. Ihm vorzuhalten, er wolle die NS-Verbrechen wegdiskutieren, stände im Gegensatz zu den übrigen Einlassungen, die der AfD-Co-Chef neben der vielkritisierten „Vogelschiss“-Vokabel in der Rede zu dem Thema gebracht hat.

Kern einer sachlichen Debatte könnte die Frage sein, inwieweit die NS-Verbrechen die Sicht der Deutschen auf sich selbst, ihr Land und dessen lange Geschichte dominieren sollten. Dieser Kern geht bislang in dem aufgeregten Streit um die Gauland-Rede nahezu unter, was viele dem Redner selbst anlasten wegen dessen Formulierung.

Dass die eigene Geschichte die Bezugspunkte für aktuelle Diskussionen liefert, ist normal und unausweichlich. In Deutschland ist dieser historische Bezugsrahmen fast völlig auf die zwölf NS-Jahre geschrumpft. 

Jede Frage, von der Asylpolitik über den Euro bis sogar zum Tierschutz („Hühner-KZ“), landet scheinbar zwanghaft nach überschaubarer Zeit beim NS. Wenn alles und jedes aber mit dem größten Verbrechen der eigenen Geschichte abgeglichen wird, geraten die Maßstäbe unabwendbar außer Kontrolle. Der Diskurs erstickt in Verdacht, Unterstellung und schließlich in offenem Hass. Toleranz und Sachlichkeit haben nicht die geringste Chance. 

Wie weit die Verwirrung gehen kann, zeigen junge Deutsche, die mit Parolen wie „Deutschland verrecke“ durch die Straßen ziehen und sogar einen neuen Bombenkrieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung fordern („Do it again, Harris!“).

Heutiges Denken und Handeln sollte seinen historischen Horizont (wieder) auf die gesamte deutsche Geschichte erweitern. Dabei bliebe die Monstrosität des NS-Staats im Blick. Es erwüchse aber die Chance, die Maßstäbe wieder ins Lot zu bringen und einen konstruktiven Zugang zum eigenen Land und seinen Wurzeln zurückzugewinnen.